Es heißt, man solle ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen. So viel Weisheit auch darin stecken mag, wenn man wie ich eine tolle Künstlerin kennt, die mir mit einer Illustration gerade eine meiner Lieblingsszenen noch teurer gemacht hat, muss man sich vermutlich keine Sorgen machen. Lasst uns lieber über die verlorene Kunst des Klappentexts sprechen.
Ich erinnere mich gut an jene Abende meiner Jugend, kurz vor dem Schlafengehen, wenn ich gerade ein Buch ausgelesen hatte und unbedingt noch sofort ein neues aussuchen wollte. Da stand ich dann immer mit meinem Vater vor seinem großen Regal mit den Klassikern, das warme Licht der Esstischlampe im Rücken, und ließ mir Bücher empfehlen. Jedes davon schlug ich erwartungsvoll auf und las den Klappentext im Umschlag, und diese wenigen Sätze entschieden gewöhnlich darüber, ob ich glücklich mit meiner neuen Errungenschaft in mein Zimmer verschwand oder das Buch wieder ins Regal zurückschob.
Heute mache ich das nicht mehr. Der Klappentext in seiner ursprünglichen Form ist so gut wie ausgestorben, stattdessen kleistern die Verlage die Umschläge mit O-Tönen diverser Kritiker oder Prominenten zu, die mir verraten, dass ein Buch „phänomenal“ ist oder aber „sehr bewegend“ oder gar „die Entdeckung des Jahres“. Was will man mir damit sagen? Dass man mir nicht mal zutraut, mir ein eigenes Urteil zu bilden? Dass Kritiker XY ein Buch ganz toll fand, hilft mir ungefähr so viel, wie wenn ein neuer Fernseher statt mit Bedienungsanleitung mit einem Sticker kommt, auf dem steht, dass Soapstar Soundso ihn echt total klasse findet.
Im Grunde bin ich stark im Vorteil damit, dass ich eine unbekannte Autorin bin, denn kein Kritiker und kein Prominenter wird irgendwas über mein Buch sagen wollen. Stattdessen kann ich mich beim Klappentext so richtig austoben, kann mit Worten spielen und Neugier wecken. So dass vielleicht irgendjemand denkt, hey, das klingt interessant, das les ich mal …