Aus dem Nähkästchen | Ein Alptraum in Tannengrün

„Keine Ahnung, ich hab gerade das Gefühl, dieser Rock braucht erst mal einen Exorzismus.“
(aus meinem Tagebuch)

Irgendwann im Sommer erwähnte ich, dass ich beizeiten zwei meiner Winterröcke abändern will. Im festen Glauben, dass es sich dabei um zwei schön unkomplizierte Wochenendprojekte handelt, die ich euch anschließend nonchalant hier präsentieren kann. Shit happened.

Bestandsaufnahme

Mein Winterrock aus tannengrünem Feincord war eines meiner ersten „richtigen“ Nähprojekte und – wenn ich mich nicht sehr täusche – auch mein erster Rock mit Reißverschluss statt Gummibund. Das war eine große Sache für mich und macht es in meinen Augen verzeihbar, dass er nicht sofort perfekt gelungen ist.
Das Problem waren die Faltenlegungen: Beim Stecken passte alles, aber nach dem Nähen war die Taille trotzdem jedes Mal zu weit. Damals war ich ungeduldig und hoffte, das mit dem Bund korrigieren zu können, doch am Ende war der ganze Rock einen Tick zu weit. Nicht untragbar, aber da ich einen ziemlich geraden Körperbau habe, rutschte er immer auf die Hüfte, auf der dann das ganze Gewicht des Cords ruhte.
Auf den Bildern seht ihr, wo der Rock sitzen sollte, und dass es da eigentlich nur um ein bis zwei Zentimeter ging. Außerdem wollte ich auch gleich das Innenfutter umarbeiten, weil ich das damals zu schmal zugeschnitten habe, was die Bewegungsfreiheit ziemlich einschränkte. Dass ich den Rock schlussendlich fast komplett neu nähen würde, war nicht abzusehen gewesen.

Der Gegner: Falten

Mein Schlachtplan sah ursprünglich so aus: Eine Seite öffnen, zwei Zentimeter wegnehmen, Seite wieder schließen. Anschließend Futter ergänzen und einen neuen Bund aus Stoffrest konstruieren. Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass das so nicht funktionieren wird, denn mit den genannten zwei Zentimetern geriet ich bereits in die ersten Falten hinein. Sobald ich die aber öffnete, hatte ich ja noch mehr Stoff und musste noch mehr wegnehmen. Und dann war auch schon nichts mehr symmetrisch.
Ich nahm einen kleinen Umweg. Weil ich so gar keine Lust hatte, mich wieder mit Falten abzuplagen, öffnete ich alle, schloss die Seite wieder und raffte den Rock stattdessen. Das funktionierte technisch super, sah aber fürchterlich aus. Obwohl es sich um einen Feincord handelt, war es zum Kräuseln einfach zu viel Stoff und trug an der Taille extrem auf. Ganz davon abgesehen, dass das auch in keinen Bund mehr gepasst hätte. Und so fand ich mich dann doch auf dem Fußboden wieder, um die Falten neu zu legen.
Ich will euch nicht langweilen, Tatsache ist, dass ich auch diesmal drei oder vier Versuche unternahm und wieder auftrennen musste, weil die Taille nach dem Nähen zu weit war. Am Ende gab ich es ganz auf, die Falten symmetrisch von der Mitte aus aufzufächern, und legte sie einfach alle in eine Richtung. Dadurch war ich freier und konnte den überschüssigen Stoff an der Seite einfach abschneiden, auch wenn das natürlich nicht ganz so elaboriert aussieht.

Murphy’s Law oder so

An diesem Punkt war ich fast erleichtert, mal was anderes machen zu können, und widmete mich dem Futter. Das wollte ich eigentlich nur ergänzen, aber durch das Nähen und Wiederauftrennen waren die Kanten doch etwas fadenscheinig geworden, so dass es zielführender war, es einfach neu zuzuschneiden. Damit hatte ich ansonsten auch keine Probleme, und den alten Futterstoff kann ich (minus der Kanten) anderweitig noch nutzen.
Ich war auf der Zielgeraden, jetzt nur noch der Bund und mein Elend hätte endlich ein Ende! (Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zwei Wochenenden dafür draufgegangen.) Aber dieses Projekt hätte es nicht zu einem eigenen Artikel gebracht, wenn es so einfach gewesen wäre. Ich schnitt den Bund zu, bügelte Vlies ein, steckte ihn und machte eine letzte Anprobe, alles top. Ihr ahnt es, oder? Nach dem Nähen saß der Rock etwas … nun, ähm, stramm.
Ich hatte nicht mehr genug Stoff, um den Bund komplett neu zuzuschneiden, und musste deshalb nun stückeln. Reden wir auch nicht darüber, dass meine Maschine aus unerfindlichen Gründen vorm Knopfloch kapitulierte (zwei Probelöcher gelangen einwandfrei) und ich an die verunstaltete Stelle einen Zierknopf nähen musste. Geschlossen wird der Bund stattdessen unsichtbar mit Haken und Öse.

Fazit nach drei Wochen Arbeit

Ja, ich liebe meinen tannengrünen Cordrock, daran ändert auch diese Odyssee nicht das geringste. Hätte ich jedoch vorher gewusst, wie viel Arbeit diese kleine Unzulänglichkeit nach sich zieht, weiß ich nicht, ob ich es nicht gelassen hätte. Einfach den Pullover in den Bund stecken oder so. Aber natürlich freu ich mich jetzt auch ein bisschen, dass der Rock endlich richtig passt – jedenfalls bis zum nächsten Festmahl.
Oh, richtig, da ist ja noch der zweite Winterrock, bei dem ich den Bund ändern wollte …