„Weniger ist mehr.“
(Ludwig Mies van der Rohe)
Vor einer Weile las ich ausgerechnet bei Instagram einen Gedankengang, der mir seither nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Autor argumentierte, dass sich in der zeitgenössischen Architektur der Minimalismus gewissermaßen als „kleinster gemeinsamer Nenner“ herauskristallisiert hat. Eine Architektur, die keinerlei Details mehr aufweist, keine kulturelle Identität oder Individualität. Deshalb sehen alle Städte heute irgendwie gleich aus. (Meine Magisterarbeit handelte im weitesten Sinne davon, von Architektur in Zeiten der Globalisierung und der „idealen“ Stadt.)
Im Grunde reicht das schon, um einen traurig zu stimmen. Man denke nur an all die großartige Architektur des Barock oder der Gotik; das waren Bauwerke, die noch etwas aussagten, die mit einer klaren Vision geschaffen wurden. Heutige Baukunst zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass sie explizit nichts sagen will. Doch am Ende ist auch das nur ein Symptom. Das Symptom einer zunehmend bedeutungslosen Kultur, in der alles immer weiter abgeflacht wird, bis keine Unterschiede mehr erkennbar sind.
Das eine Problem ist, dass jeder Angst davor hat, unabsichtlich jemanden zu beleidigen oder irgendeine Minderheit zu vergessen. Das zweite, wesentlich größere ist, dass auch alle Welt so scheiß verdammt empfindlich geworden ist. Wenn einem früher etwas nicht gefiel, dann hat man eben mit den Schultern gezuckt und ist weitergegangen. Heute muss alles jedem gefallen, weil ja sonst jemandes Gefühle verletzt werden könnten, und das Ergebnis kann man in unseren zunehmend grauen Städten bewundern.
Und ja, das lässt sich auf praktisch alles übertragen, was irgendwie mit Kultur zu tun hat. Oder auf das, was einmal Kultur war, also durch bestimmte Charakteristika eine kulturelle Zugehörigkeit definierte. Statt sich aber auf Unterschiede einzulassen, werden diese ausgebügelt. An ihre Stelle ist eine glatte, unpersönliche und letztlich austauschbare „Kultur“ getreten, die einem nichts mehr zu sagen hat.