“What the fuck, you just paused the game! This doesn’t help at all! Are you an idiot?”
Worum geht es?
Zu Beginn des Spiels sehen wir die – offizielle – Hauptfigur des Spiels High on Life des Entwicklers Squanch Games beim Videospielen. Offenbar hat sie nicht viel zu tun und ist auch sonst wenig ambitioniert im Leben. Gestört wird sie dabei von Schwester Lizzie, die sich erst einmal über die sturmfreie Bude freut und der Hauptfigur auf einem Schminkspiegel zwei Lines Koks anbietet. Im Spiegel kann man das Aussehen und Geschlecht des Hauptfigur einstellen – jedoch ist das für den Rest des Spiels eigentlich völlig unerheblich, denn man wird es ausschließlich durch ihre Augen sehen und die Stimme nie zu hören bekommen. (Als erste witzige Szene nimmt Lizzie die Veränderung im Gesicht ihres Bruders/ihrer Schwester währenddessen durchaus wahr, schiebt es aber auf einen Nebeneffekt der eben konsumierten Drogen.)
Kurz darauf wird das Haus der beiden Geschwister erschüttert, und als sie auf die Straße laufen, entdecken sie, dass Aliens auf der Erde eingefallen sind. Nicht etwa, um die Menschheit einmal mehr zu vernichten oder zu Nahrung oder lebenden Batterien zu verarbeiten, sondern, weil sie auf der Suche nach neuen Rauschmitteln zufällig bemerkt haben, dass sich durch das Rauchen von Menschen ganz besonders high werden lässt. Prompt landet ein Drogenkartell, die G3, auf der Erde, um die „Ernte“ einzufahren.
Der Hauptcharakter findet unter einem toten Außerirdischen eine Waffe, und wie die Agenda der Aliens ist auch sie überaus kreativ und originell: Es ist ein Gatlin, ein außerirdisches Lebewesen mit dem Gesicht einer Raupe samt Fühlern, und einem Körper, der sich wie eine Handfeuerwaffe halten und bedienen lässt. Kenny, so der Name des Gatlin, bespuckt einen erst einmal mit „Übersetzungsmikroben“ und beginnt dann sofort zu reden und den Weg zu einem Raumschiff-Kristall zu weisen, mit dem man wenig später das gesamte elterliche Haus auf einen fremden Planeten in Sicherheit beamt.
Dort ist dann die Aufgabe schnell klar: Als Kopfgeldjäger in einem schicken Alien-Anzug die Anführer der G3 finden und töten, um die Invasion der Erde aufzuhalten, bevor alle Menschen im wahrsten Sinne des Wortes in Rauch aufgegangen sind.
Wie ist es?
Wer einen der geistigen Väter von High on Life, Justin Roiland, kennt, der kennt auch den Cartoon Rick und Morty und seinen speziellen Humor.
Das Spiel ist ebenso hingebungsvoll nervig, rotzfrech und – wie ich finde – absolut witzig. Ich kenne oben genannten Cartoon nicht, aber High on Life trifft meinen Geschmack zumindest in weiten Teilen; immer dann, wenn sich das Spiel auf dem schmalen Grat zwischen kreativer Abgedrehtheit und Zu Viel des Guten bewegt. Dazu kommen haarsträubend überraschende Gimmicks, wie die Tatsache, dass man zwischen Missionen in ein Alien-Kino gehen kann, wo man sich mit anderen, zynisch kommentierenden Aliens insgesamt drei Spielfilme in voller Länge ansehen kann (darunter Neunziger-Filmperlen wie „Tammy und der T-Rex“ mit Denise Richards und Paul Walker). Und in voller Länge bedeutet exakt das, inklusive Werbepausen. Natürlich ergibt das für das Spiel selbst absolut keinen Sinn, aber genau darum geht es ja. Und High on Life ist voll von solch skurrilen Momenten. Etwa der, wenn man das erste Mal seinen High-Tech-Kopfgeldjäger-Weltraumanzug anzieht und sich der Bildschirm mit Spam-Popups füllt, weil man seine Anzuglizenz nicht bezahlt hat. Oder all diejenigen, in denen die Vierte Wand durchbrochen wird und der Spieler von den Gatlins etwa für das Betätigen des Pause-Knopfs oder den Verlust einer niedrigen FSK-Bewertung durch zu viel Gewalt zurechtgewiesen wird.
Das alles ergibt ein verrücktes, aberwitziges Konglomerat, das durch seine ständige Unvorhersehbarkeit schlicht süchtig macht.
Stars des Spiels sind auf jeden Fall die Gatlins: Kenny, die raupenähnliche Hauptfigur und Pistole, Gus, eine froschartige Schrotflinte, Creature, der kleine runde Knubbel mit zahnbewehrten Mäulern verschießt, damit sie Gegner auffressen, und Sweezy mit ihren explosiven Stacheln. Ihnen ist eines gemein: Sie reden ununterbrochen. Mit der Hauptfigur, die sie lediglich trägt und mit ihnen zielt und schließt, miteinander, mit Gegnern und anderen Aliens.
Im Menü des Spiels kann man ihr pausenloses Geplapper auf die notwendigen Texte reduzieren, und ich bin sicher, einige Spieler werden das gerne in Anspruch genommen haben. Ich habe jede Minute genossen. Sie reden Blödsinn, kommentieren sinnlos, sie stottern aufgeregt und streiten sich.
Die Gegner, die Köpfe des G3-Kartells, sind ebenso redefreudig, genau wie jeder andere Alien, dem man begegnet. Das kann ab und zu schon einmal fast zu viel werden. Ebenso wie der völlig respektlose Humor, der oft tief in die Junkie- und Fäkalienschublade greift.
Ja, das muss man mögen. High on Life hat einen Rekord als meist-heruntergeladenes X-Box-GamePass-Spiel 2022 hingelegt, trotz oft sehr mauer Kritik von offiziellen Spieleseiten. Die Spieler selbst geben ihm hingegen fast ausnahmslos euphorische Bewertungen. Es ist frech und ausgelassen blöd, aber es erzählt darüber hinaus auch eine Geschichte von Freundschaft und Zusammenhalt. Obwohl der Kopfgeldjäger selbst nicht spricht, bekommt man als Spieler das Gefühl, mit den Gatlins ein sehr gutes Team zu sein. Man muss sie einfach mögen in ihren individuellen Eigenheiten. Kenny gibt im letzten Teil des Spiels einen großen Fehler zu, und man begibt sich mit den anderen Gatlins in eine Art Gruppentherapiesitzung, um ihm zu verzeihen – und um ihn dazu zu bringen, sich selbst zu vergeben. Selbst Lizzie sieht mit der Zeit ein, dass die Hauptfigur nicht nur ein arbeits- und perspektivloser ‚Zocker‘ ist, sondern ihr tatsächlich am Herzen liegt. Das und Ähnliches gibt der generellen Blödelei eine warme, liebevolle Ebene und trägt entscheidend dazu bei, eine Bindung zu seinem Team aufzubauen.
Was kommt danach?
High on Life war definitiv ein Überraschungshit, der vermutlich gegen Ende des letzten, ebenso verrückten und anstrengenden Jahres bei sehr vielen Menschen einen Nerv getroffen hat. Daher hoffe ich definitiv auf Zusatzmissionen oder eine Fortsetzung, und dass wir Kenny, Gus, Creature und Sweezy noch einmal wiedersehen.
Roiland selbst wurde aktuell mit einem Verfahren wegen häuslicher Gewalt und anderen Anschuldigungen konfrontiert, und Squanch Games hat offiziell ihre Trennung erklärt. Da er nicht nur einer der kreativen Köpfe, sondern auch essentieller Synchronsprecher ist, bleibt abzuwarten, wie sich das auf eine mögliche Fortsetzung auswirkt.
Meine Fresse, das klingt wirklich abgedreht! Und ja, als großer Fan von „Rick and Morty“ scheint mir (allein vom Lesen) eine große Schnittmenge zu bestehen. (Insofern solltest du mal reinschauen, könnte dich dann tatsächlich auch begeistern.)
Zu schade, dass ich keine Gamerin bin, und auf ein anderes Medium (Film/Serie) scheint mir das nicht übertragbar zu sein. Ich hab letztens „Raumschiff Titanic“ gelesen und das funktioniert als Buch leider überhaupt nicht. Das Game von Douglas Adams hatte ich damals zwar nur angefangen, aber auch hier ist das interaktive Element einfach zu essenziell und nicht übertragbar.
Ich hab mir eine Folge „Rick and Morty“ angesehen, und es ist wirklich sehr, sehr ähnlich. Aber ich werde mit dem Zeichenstil einfach nicht warm.
Für Nicht-Gamer gibt’s Let’s Plays, die guck ich selbst ganz gern, wenn ich die Story mag, aber das Gameplay grad nicht mein Ding ist. Hitman, z.B., ist mit all den Schleichpassagen anstrengend zu spielen, aber spannend zum Zugucken. Wenn man Glück hat, erwischt man gute Videos mit fähigen Spielern und ohne Eigenkommentare. Die kann man dann fast gucken wie einen Film.
Lustig, ging mir ähnlich, aber nach ein paar Folgen ist mir der Zeichenstil dann gar nicht mehr aufgefallen. Und guter Tipp mit den Let’s Plays, für einen kleinen Einblick reicht’s ja vielleicht. 😃