„Wenn das Reinigen eines Abflusses der Höhepunkt des Tages ist, sollte man wahrscheinlich mal überlegen, was falsch läuft im Leben, ähem.“
(aus meinem Tagebuch)
Räumst du noch auf oder lebst du schon?
Habt ihr schon von „Döstädning“ gehört, der neuesten Ausmist-Strategie aus Schweden? Möglicherweise ist es euch schon mal unter dem etwas makaberen Namen „Death Cleaning“ begegnet. Und ja, im Kern meint es genau das, was es sagt: das Entrümpeln vor dem eigenen Tod. Allerdings geht es dabei mehr darum, sich schon zu Lebzeiten von unnötigem Ballast zu befreien, und wer mit Marie Kondo und ihrem „does it spark joy“ nichts anfangen kann, hat hiermit vielleicht mehr Erfolg. Die Leitfrage lautet nämlich weit realitätsnäher: „Würde ich es vermissen?“
Mich jedenfalls bringt diese Strategie wesentlich weiter, denn leider gehöre ich zu der Sorte Mensch, die sich oft aus den falschen Gründen nicht von Dingen trennen kann. Aus Sentimentalität, lähmender Faulheit gepaart mit Frustration und natürlich dem allmächtigen „vielleicht kann ich es ja doch mal brauchen“. Das Ergebnis sind Sachen, die ich ständig von A nach B räume, die nur Platz wegnehmen und mir das Gefühl geben, in meinem eigenen Krempel zu ersticken. Also versuche ich es dieses Jahr mal mit Döstädning, und bisher läuft es wirklich herausragend.
Der Trick ist, alles in Mini-Häppchen aufzuteilen und nach Kategorien statt nach Räumen vorzugehen. So kommt man schnell voran und hat regelmäßig Erfolgserlebnisse, die zum Weitermachen animieren. Ob Kabel, von denen man nicht mal mehr weiß, zu welchem Gerät sie einst gehört haben, uraltes Make-up, das nur noch da ist, weil es mal Geld gekostet hat, oder halb verrosteter Modeschmuck, an dem Erinnerungen hängen. Man wird mit Seiten an sich konfrontiert, die man manchmal vielleicht lieber ausblenden würde, aber hinterher fühlt man sich viel besser. Ehrlich.
Passend dazu
So praktisch Verschenk-Gruppen und Online-Flohmärkte auch sind, man braucht schon eine gewisse Nervenstärke, um da nicht völlig durchzudrehen. Oder auch: Es gibt so erschreckend viele komische Menschen. (aus meinem Tagebuch)
Der Februar in Bildern
Lesen bildet
Ich halte mich für einen ziemlich gebildeten Menschen, daher passiert es mir eher selten, dass ich bei der Lektüre eines Romans einzelne Worte nachschlagen muss. Wenn ich so darüber nachdenke, ist mir das eigentlich noch nie passiert. 🤔 Auftritt „Cryptonomicon“ von Neal Stephenson, ein 1.300-Seiten-Wälzer, der nicht nur aufgrund des Themas Kryptologie/Kryptographie und der Vielzahl an Handlungssträngen in verschiedenen Zeitepochen hoch anspruchsvoll ist. Nein, dieses Buch hat mich auch in die Verlegenheit gebracht, eine lange Liste von Wörtern und Wendungen anzulegen, die ich bislang noch nicht kannte. Ob man sie kennen muss, ist freilich eine andere Frage.
stipulieren
Römisches Recht: einen Sachverhalt zwischen mehreren Personen mündlich und vertragswirksam festlegen
intrikat
durch viele feine Details und große Komplexität gekennzeichnet
atavistisch
uralt und überholt
Kodizill
einseitige, jederzeit widerrufliche letztwillige Verfügung, die keine Erbeinsetzung, jedoch andere Verfügungen enthält
Imponderabilie
nicht vorherzusehender Faktor; Unwägbarkeit
synoptisch
zusammengestellt, nebeneinander gereiht
soidisant
frz. angeblich, sogenannt
auf dem Quivive sein
auf der Hut sein, aufpassen, aufmerksam sein
defätistisch
Hoffnungslosigkeit ausdrückend (und verbreitend), resignierend
Spirochäten
Gruppe gramnegativer, wendelförmiger, sich aktiv bewegender Bakterien, die sich durch einen charakteristischen Bewegungsapparat auszeichnen
mesmerisch
hypnotisch, fesselnd, faszinierend
lithostatische Kräfte
durch Gesteinsschichten ausgeübter Druck in der Erdkruste
flöhen
etwas gründlich durchsuchen, „filzen“
traversieren
durchkreuzen; verhindern
Mixtape Februar
Depeche Mode profitieren in diesem Blog von einem gewissen Hausrecht. (Wer die Geschichte noch nicht kennt, darf sie sich hier zu Gemüte führen.) Das vorausgeschickt, möchte ich betonen, dass sich „Ghosts again“ eigentlich erst noch bewähren muss. Und die Konkurrenz war diesen Monat stark …
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Die Schweden, so scheint es, haben doch immer die tollsten Ideen. Stirbst du schon oder lebst du noch! Warum denn auch nicht.
.Besitz macht unfrei. Und ist obendrein noch eine große Illusion welche uns die sogenannte Wirklichkeit da vorgaukelt. Allein ‚Hans im Glück‘ dürfte dahingehend schon etwas geahnt haben.🤣 (Ein interessantes Märchen allemal. Die Geschichte hat mich schon als Kind irgendwie angezogen).
Ich habe ’so gut wie‘ kein Problem damit mich von Dingen zu trennen. Natürlich hängt auch mein Herz an gewissen Sachen aber wenn man diesen dann jahrelang so gut wie keines Blickes mehr würdigt und in der Jetztzeit nichts mehr damit anzufangen weis was in der Vergangenheit einmal durchaus wichtig war.
Alles hat seine Zeit. Es hat ein wenig gedauert bis ich das voll und ganz verstanden habe. Bei manchen Dingen da war auch mir ein wenig mulmig zumute als ich mich davon, ja für immer wahrscheinlich, getrennt habe. Aber es stimmt, es ist befreiend. Wenn man mag, Lücken kann man auch wieder füllen. Aber Leeräume scheinen ja nur deshalb so bedrohlich weil sie so unendlich viel Platz suggerieren. Hey. Jeder wie ersiees mag.😁
Yep. Lesen bildet. Mit ‚mesmerisch‘ hätte ich was anzufangen gewusst aber mit dem Rest? Ich hatte auch mal so ein Buch. Die Ästhetik der Nacht von Heinz-Gerhard Friese. Da war ich beim Lesen auch durchaus manchmal auf unsicherem Terrain unterwegs.
Ja, es gibt dann doch auch Bücher mit Biss. Da weis man beim lesen was man tut. Ist nicht bloß Dutzendwortschatz. Ist reizvoll. Muss ich aber natürlich auch nicht immer haben.🤫
Zum Schluss muss ich noch ein wenig dick auftragen, aber es stimmt. Die Bilder zum Monat finde ich schön, ganz schlicht und einfach. Ob Bilder oft mehr sagen als tausend Worte? (Es ist ja auch oft schwierig aus diesen vielen die Richtigen zu finden…). Hm. Möglich ist es.
Das Interessante bei der Lektüre von „Cryptonomicon“ war, dass ich sinngemäß schon immer verstanden habe, was der Autor ausdrücken wollte, einfach aus dem Zusammenhang. Trotzdem kribbelt es einem dann natürlich in den Fingern, die genaue Bedeutung des einzelnen Worts zu erfahren.
Beim Ausmisten geht es aktuell mit Kartons im Keller weiter, also Krempel, den ich sogar schon ausgelagert hatte, weil ich ihn nicht brauche. Aber auch hier gibt es natürlich Abstufungen von „brauch ich gar nicht“ bis „brauch ich irgendwann“, ein spannendes Spiel …
„Würde ich es vermissen?“ liegt mir tatsächlich mehr als „Does it spark joy?“ (Ginge es danach, würde die gute Frau Kondo meinen ganzen Kleiderschrank entsorgen… 😉)
Viele Kleider habe ich nur der reinen Notwendigkeit halber und hänge im Grunde an nichts so richtig. Entrümpeln fällt mir daher nicht schwer, und ich mache es alle paar Monate mal. Ist wirklich befreiend.
Als nächstes ist meine Schalsammlung dran, die platzt aus allen Nähten.
Es gibt noch eine andere Frage, die enorm hilft: „Würde ich es wieder kaufen?“ Mit Marie Kondo konnte ich jedenfalls auch nie viel anfangen, denn klar, manche Dinge besitzt man nur, weil man sie braucht, nicht weil sie einen glücklich machen. Und bei mir kommt noch eine Riesenportion Bequemlichkeit dazu, gegen die ich gerade ankämpfe. 😅