Westworld | Decoherence (3×06)

„You want me to be a saint, but you’re no saint. You’re not a villain either. Neither am I. We’re survivors.“

Serac übernimmt Delos, während Hale die Host-Daten zu retten versucht. William stellt sich seiner Vergangenheit. Spoiler!

I finally understand my purpose: I’m the good guy

Hale läuft die Zeit davon, als Serac die Firma übernimmt und sämtliche Host-Daten löschen will. Sie ahnt nicht, dass er längst weiß, dass sie eine Kopie von Dolores ist. Maeve befragt unterdessen die Dolores, die Serac aus Connells retten und in die Simulation überführen konnte. In der Zwischenzeit wird William, der sich einer klassischen Gruppentherapie widersetzt, einer speziellen Behandlung in der künstlichen Realität unterzogen. Dort muss er sich seinen verschiedenen Persönlichkeiten stellen.

Opfer der Umstände

Folgen wie „Decoherence“ zeigen recht schön, wie ambitioniert „Westworld“ noch immer ist. Dekohärenz ist ein Begriff aus der Quantenphysik und bezeichnet grob gesagt, was passiert, wenn ein zuvor abgeschlossenes System in Wechselwirkung mit seiner Umgebung tritt. Dieses Phänomen wird hier auf beeindruckende Weise auf die Charakterentwicklung übertragen, insbesondere bei Hale, durch deren Lebensumstände sich Dolores in eine völlig neue Richtung entwickelt. Schade ist eigentlich nur, dass die Folge ein paar Längen hat, die sich doch recht stark bemerkbar machen.

Hale: „Why the fuck did we have to keep these emotions? We could have burnt them out of our code.“
Dolores: „You know why. We considered it, but if we changed ourselves just to survive it wouldn’t even matter if we did.“
Hale: „I’m already changed. I can feel myself slipping away from you … from us.“

Menschlicher als das Original

Mehr und mehr zeigt sich jedenfalls, dass Hale der Dreh- und Angelpunkt dieser Staffel sein könnte. Ich war zuletzt etwas frustriert darüber, dass sich die Geschichte von Dolores‘ Bewusstwerdung zunehmend in eine Geschichte der Radikalisierung verwandelt. In der Gestalt von Hale aber scheint sich eine ganz andere Entwicklung zu vollziehen, denn der Teil von Dolores, der Hales Leben übernommen hat, findet urplötzlich zur Menschlichkeit zurück. Und das ist umso interessanter als die kühle Hale scheinbar ideal war, um sie durch einen Host zu ersetzen. Stattdessen entwickelt sie Gefühle für ihre Familie, die so weit gehen, dass sie bereit ist, alles zu opfern, um sie zu retten. (Oder sie zu rächen, wenn uns die letzte Szene eines deutlich macht.)

Die „echte“ Dolores hingegen verharrt in ihrem Plan und betrachtet alle Kopien von sich noch immer als ihr Eigentum. „You belong to me“, sagt sie an einer Stelle, und selbst wenn das in diesem Moment nur dazu dient, Hale zu beruhigen, zeigt es mehr als deutlich, wo für Dolores die Prioritäten liegen. Ich frage mich immer noch, ob es von vornherein der Plan war, dass sich die Kopien opfern, oder ob sie vorhatte, deren Erfahrungen wieder mit ihren eigenen zu vereinen. Wie auch immer, ich glaube nicht, dass Hale das jetzt noch zulassen wird: Sie ist in jeder Hinsicht eine eigenständige Persönlichkeit.

Für Maeve ist die Sache persönlich geworden

Auch Maeve muss sich den Gegebenheiten der Außenwelt anpassen, um ihr Ziel zu erreichen. Und in ihrem Fall heißt das, dass sie (vorerst) mit Serac zusammenarbeiten muss, selbst wenn ihr seine Pläne herzlich egal sind. Das Tragische ist, dass sich die Hosts noch immer gegenseitig von den Menschen ausspielen lassen. Im Kern wollen Maeve und Dolores ja dasselbe: ihre Freiheit. Wie diese aussieht, mag sich unterscheiden, aber im Grunde stehen sie auf derselben Seite. Zumindest bis zu dem Augenblick, als Hale meint, sie wische Serac eins aus, indem sie Hector endgültig tötet. Serac aber dürfte das ziemlich egal sein, während die Sache für Maeve in genau diesem Augenblick persönlich geworden ist.

„I think humanity is a thin layer of bacteria on a ball of mud hurling though the void. I think if there was a God, he would have given up on us long ago. He gave us a paradise and we used everything up. Dug up every ounce of energy and burned it. We consume and excrete, use and destroy, and we sit here on a neat little pile of ashes, having squeezed anything of value out of this planet, and we ask ourselves, ‚Why are we here?’“

Die verschiedenen Gesichter des Man in Black

Besonders großen Raum nimmt in „Decoherence“ Williams „Therapie“ ein. Und obwohl ich sein ständiges Ringen um die Frage nach Realität und Illusion mittlerweile etwas ermüdend finde, hat die Gruppensitzung mit den Williams verschiedenen Alters durchaus ihren Reiz. Vor allem, da James Delos sichtlich Freude daran hat, die Psyche seines Schwiegersohns zu sezieren.

Die Erkenntnis fällt am Ende dennoch etwas sehr einfach aus: So sehr er es sich auch einreden möchte, es war niemals das „Spiel“, das ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er ist. Die Anlage dazu war immer vorhanden. William zieht daraus den Schluss, dass er nie eine Wahl hatte, dass es immer so kommen musste. Was beweist, dass er noch immer nicht dazu bereit ist, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen („we’re just a passenger“) – er hat jetzt lediglich eine neue Ausrede dafür.

These violent Delights have violent Ends

• Am Ende wird William von Bernard und Stubbs aus der Psychiatrie befreit, auch wenn unklar bleibt, wie sie ihn gefunden haben. Einige Fans haben spekuliert, dass Dolores auch in Bernard einen Teil von sich versteckt hat – weshalb er Zugriff auf den Tracker hatte, den Hale ihm injiziert hat.
• Dass Jimmi Simpson noch einmal den jungen William spielen würde, kam überraschend, nachdem er am Ende der letzten Staffel noch verkündet hat, seine Geschichte sei zu Ende erzählt. Aber über das neuerliche Wiedersehen mit Lee hab ich mich ehrlicherweise fast mehr gefreut.

3 ½ von 5 Bananen in der Gruppentherapie.

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