„Sie hat doch gar kein Recht auf meine Identität!“
(„Severance“)
An Ideen mangelt es der Serienbranche wahrlich nicht, das habe ich diesen Monat wieder gemerkt. Ebenso, dass daraus nicht immer ein inhaltliches wie optisches Meisterwerk wie „Severance“ entsteht. Nichtsdestotrotz gibt es ein paar Highlights im Schnelldurchlauf. Spoiler!
Severance (Staffel 2)
Durch den „Makrodat-Aufstand“ musste Lumon eine Menge schlechter Presse einstecken und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Während Dylan und Irving entlassen werden, kehrt Mark an seinen Arbeitsplatz zurück, bekommt jedoch ein völlig neues Team. Erst durch seine Intervention kehren die anderen zurück. Er erzählt ihnen, dass Ms. Casey die Frau seines Outies ist, Irving und insbesondere Helly halten sich jedoch bedeckt, was sie draußen erlebt haben. Ex-Lumon-Angestellte Asal Reghabi überredet Mark, sich einer Reintegration zu unterziehen.
Nach der ersten Staffel hatte ich noch eine ungefähre Idee, worum es hier geht; damit kann ich dieses Mal nicht dienen. „Severance“ versteckt Rätsel in Rätseln, eingebettet in einen fast rauschhaften Surrealismus, der zugleich unglaublich geerdet wirkt. Alles dreht sich um die Zersplitterung der Seele. Die Innies entwickeln sich immer mehr zu eigenständigen Persönlichkeiten, die zu ihrem eigenen Wohl handeln und sich ihrem Outie längst nicht mehr bedingungslos verpflichtet fühlen. Auch wenn sich vieles erst in der Rückschau erschließen wird, zählt „Severance“ schon jetzt zu den ambitioniertesten Serien unserer Zeit.
5 von 5 Bananen, die zu große Worte benutzen.
Slow Horses (Staffel 3)
Diesmal ist es persönlich: Catherine wird entführt. Im Glauben, dass die Entführer sie sonst töten, versucht Cartwright, beim MI5 eine Akte zu stehlen, reitet sich damit aber nur selbst in die Scheiße. Dann kommt die Entwarnung, es war nur ein sogenanntes Tiger-Team, das die Effizienz und Sicherheit beim MI5 testen sollte. Blöd nur, dass sich dessen Anführer Sean Donovan nicht um den Deal schert und Catherine weiter gefangenhält. Er verlangt Einblick in die „Grey Books“ der Behörde, einer Sammlung aller Verschwörungstheorien.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der MI5 ein großer Fan der Serie ist. „Slow Horses“ zeichnet die Behörde als bürokratisches Monstrum, dessen Anführer nicht mal vor Mord zurückschrecken, um die eigene Macht zu sichern, während die Angestellten dumpf selbst ethisch fragwürdigen Befehlen folgen. Das gesagt, fand ich diese Staffel einfach großartig, weil ich irgendwie so den Verdacht habe, dass ein Körnchen Wahrheit darin steckt. Unsere Außenseiter kriegen dazu diesmal ordentlich Action und erweisen sich als die moralisch besseren Agenten.
4 von 5 Bananen, die mit ihren Entführern Scrabble spielen.
Louisa: „Warum sollte irgendjemand Catherine entführen?“
Lamb: „Vielleicht ist er lebensmüde?“
(„Slow Horses“)
Aus Mangel an Beweisen (Staffel 1)
Kein gewöhnlicher Fall für Staatsanwalt Rusty Sabich: Seine Kollegin Carolyn wird bestialisch ermordet, das Vorgehen erinnert an einen Fall, den sie vor Jahren gemeinsam bearbeitet haben. Noch während der Ermittlungen gewinnt Nico Della Guardia die Wahl zum neuen Bezirksstaatsanwalt, der Rusty nicht nur sofort von dem Fall abzieht, sondern auch dessen Affäre mit Carolyn zum Aufhänger macht, um ihn wegen Mordes anzuklagen. Es beginnt ein Indizienprozess, in dessen Verlauf sich auch Rustys Frau fragen muss, ob sie ihn überhaupt wirklich kennt.
Eins müsst ihr vorab wissen: Ich habe eine Historie mit Gerichtsserien, und David E. Kelley hat daran einen nicht geringen Anteil. Doch die Zeiten von „Ally McBeal“ sind lange vorbei, „Aus Mangel an Beweisen“ durchwatet genüsslich die Untiefen der menschlichen Psyche. Unser Protagonist Rusty ist ein unangenehmer Zeitgenosse, leidenschaftlich, sicher, aber auch immer kurz vorm Ausbruch. Man traut ihm die Tat zu, und genau daraus bezieht die Serie ihre ganze Spannung. Die Geschichte ist übrigens abgeschlossen, die nächste Staffel soll von einem komplett neuen Fall handeln.
4 von 5 Bananen im Zeugenstand.
Prime Finder (Staffel 1)
Obwohl er ihn nicht wirklich ernst nimmt, stellt Mathematikstudent Edward Brooks Professor Mallinder seine Arbeit über Primzahlen vor. Der aber rät ihm ernstlich davon ab, daran weiterzuforschen, und begeht kurz darauf vermeintlich Selbstmord. Weil Mallinder von der NSA überwacht wurde, rückt nun Edward in deren Fokus, da seine Formel sämtliche digitalen Verschlüsselungen aufheben würde. Taylah, die Teil des Überwachungsteams war und plötzlich selbst gejagt wird, nimmt Kontakt zu Edward auf und will ihn beschützen. Denn die NSA ist nicht als einzige hinter ihm her.
Vielleicht hätte ich mir im Vorfeld doch den Trailer ansehen sollen, denn allein aufgrund der Thematik hatte ich etwas in Richtung „Good Will Hunting“ erwartet. „Prime Finder“ ist eher „Jason Bourne“ mit Mathe, und das ist gleichzeitig auch meine größte Kritik. Ich mochte den Anfang, sehr sogar, weil der stark auf die Charaktere fokussierte. Später nimmt das ganze Spionage-Bohei einfach überhand, es geht gar nicht mehr um die wissenschaftliche Neugier, sondern nur noch um die Gefahr durch die Formel. Ein Ende gibt’s auch nicht, man vertraut hier sehr darauf, dass man noch eine Staffel kriegt.
3 von 5 Bananen als Eckpfeiler der digitalen Sicherheit.
Sheila: „Ich würde denken, dass ihr eine Affäre habt, wären da nicht die Hängetitten.“
Douglas: „Madeline hat keine Hängetitten.“
Sheila: „Ich sprach eigentlich von deinen.“
(„Douglas is cancelled“)
Douglas is cancelled (Miniserie)
Douglas Bellowes ist erfolgreicher Nachrichtensprecher mit einer etwas ungesunden Fixierung auf seine junge Co-Moderatorin Madeline Crow. Als bei Twitter jemand davon berichtet, dass Douglas bei einer (privaten!) Hochzeit einen sexistischen Witz erzählt haben soll, ist das zunächst nur eine kleine Unannehmlichkeit. Doch dann retweeted Madeline den Post und eine Welle der Empörung rollt durch die Medienlandschaft. Douglas aber behauptet, er kann sich noch nicht mal mehr an den Witz erinnern, weil er an dem Abend betrunken war. Nun soll ausgerechnet Madeline ihn für ein Interview coachen.
„Douglas is cancelled“ kann ich irgendwie nicht erklären, aber vielleicht ist genau das gewollt. Die Miniserie beginnt als Komödie; jeder, der dialogbasierten Humor mag (und britischen, aber das ist wohl das gleiche), wird die ersten zwei Folgen lieben. Dann schwenkt die Tonalität ohne jede Ankündigung komplett um: Die dritte Folge ist das unangenehmste, was ich seit langem im Fernsehen gesehen habe. Es geht am Ende nicht wirklich um den Witz, aber der Kern der Aussage geht trotzdem an mir vorbei. Alle Männer sind schlecht, auch die netten? Schwierig.
2 ½ von 5 Bananen in der Badewanne.
Sunny (Staffel 1)
Suzies Ehemann Masa und der gemeinsame Sohn sterben bei einem Flugzeugunglück, und plötzlich steht die Amerikanerin in Japan ganz alleine da. Die Robotik-Firma, für die Masa angeblich nur Kühlschränke entwickelt hat, schenkt ihr zum Trost einen Bot namens Sunny, den ihr Mann eigens für sie programmiert hat. Zunächst reagiert Suzie ablehnend, auch wegen der Gerüchte um mörderische Haushaltsroboter, doch nach und nach entdeckt sie in Sunny die Seele Masas. Als sie herauszufinden versucht, worin ihr Mann verwickelt war, ist plötzlich auch die Yakuza hinter dem Roboter her.
Es gibt Serien, die kriegen den Mix aus Ernsthaftigkeit und Absurdität wesentlich besser hin. Und nein, es lag nicht daran, dass ich manchmal das Gefühl hatte, nur die Hälfte mitzukriegen (ich hasse es, Untertitel lesen zu müssen). Die eine Minute trauert Suzie noch schwer um den Verlust ihrer Familie, dann will sie plötzlich das „Dark Manual“ finden, und, ach ja, dann besteht eine Folge auch noch komplett aus einer Gameshow – natürlich auf Japanisch. Wie genau die Yakuza ins Spiel kam, kann ich nicht mal sagen. Ich stehe damit nicht allein, die Serie wird nicht fortgesetzt und endet offen.
2 von 5 Bananen, die auf Werkseinstellungen zurückgesetzt werden.