ZSSD | Review: Kingdom Come: Deliverance II

„But once you’ve chosen the path of adventure, you have to fight! You have to fight to the bitter end, with all the strength you can muster.“

Worum geht es? (WARNUNG: Spoiler!)

Das Spiel Kingdom Come: Deliverance II von Warhorse Studios, das gerade erst erschienen ist, knüpft genau dort an, wo der erste Teil 2018 endete: Henry, der vom Schicksal gebeutelte Sohn eines Schmieds, tritt zusammen mit einer kleinen Soldatengruppe um den jungen Lord Hans Capon eine Reise nach Trosky an, um dem Lord Otto von Bergow, dem Herrn über die tschechischen Ländereien dieser Gegend, einen Brief zu überreichen. Darin geht es um die aktuelle politische Lage im Jahr 1403, denn der eigentlich legitime, aber leider völlig unfähige König Wenzeslaus wurde von seinem machtbesessenen Bruder Siegfried abgesetzt und eingesperrt. Die Adeligen dieser Region müssen sich nun auf eine Seite stellen: Protestieren sie gegen Siegfried, der die Ländereien brutal ausnimmt und eine mächtige Armee aufstellt, oder akzeptieren sie ihn als ihren Herrscher, gerade weil Wenzeslaus so unfähig und ebenso unwillig zu sein scheint?
Rattay, und damit Hans Capon und auch Henry, sind Team Wenzeslaus, doch auf wessen Seite steht von Bergow? Das sollen dieser Brief und seine Überbringer herausfinden.

Hans Capon war bereits Teil des ersten Spiels – in meinem Review hier leider sträflich vernachlässigt – und zeichnete sich dort zuerst als wenig liebenswerte Persönlichkeit aus. Henry, der vor kurzem Eltern und Zuhause durch den Durchmarsch von Siegfrieds Armee verloren hatte, wurde von Hans trotz seiner Situation lediglich als ärgerlicher Pöbel und unwürdiger Knecht wahrgenommen. Erst im Laufe des ersten Teils musste der versnobbte Adelige erkennen, dass Henry durchaus die Erfolge verdiente, die er im Spiel nach und nach machte. Und seinen Respekt ebenso wie seine Freundschaft.
Nun also sind die beiden auf dem Weg in ihr erstes gemeinsames Abenteuer, und sowohl Hans als auch Henry glauben, sie geben lediglich ihren Brief ab, vertreiben sich die Zeit noch ein wenig in den Tavernen von Trosky und ziehen erfolgreich wieder nach Hause.
Doch schon bei ihrer ersten Rast im Zielgebiet werden sie überfallen, ihre Soldaten werden ermordet, und nur die beiden können entkommen: Verwundet und mit nicht mehr am Leib als ihrer Unterwäsche. Und darin liegt auch das Problem, denn als sie in von Bergows Festung Schutz suchen und ihre Situation darlegen wollen, werden sie als vermeintlich geisteskranke Bettler und Landstreicher ausgelacht und abgewiesen.
Frustriert und verzweifelt – denn eine Rückkehr nach Rattay und ein Eingeständnis ihrer Niederlage lässt der arrogante Hans nicht zu – müssen sie erst einmal zu Geld und Nahrung kommen, ganz zu schweigen von Rüstung, Waffen und Pferden, die ihren Status als Boten aus Rattay beweisen würden.

Als ihnen das gelingt, spannt sie von Bergow auch gleich in seine private Fehde mit dem Banditen Jan Zizka ein, der ein Fort von ihm übernommen hat und belagert hält. Doch als sich Henry und Hans wohl oder übel dem Angriff anschließen – was natürlich auch wieder schrecklich schief geht –, stellt sich heraus, dass nicht der Belagerer der Bösewicht ist, sondern von Bergow selbst: Denn letzterer ist Anhänger Siegfrieds, und es ist Zizka, der im Namen von Wenzeslaus Terror unter ebendiesen schüren will.

Doch diese Erkenntnis kommt zu spät: von Bergow lässt das Fort stürmen und Hans Capon als Verräter festnehmen. Henry kann mit Zizka in Richtung der großen Stadt Kuttenberg entkommen. Und wieder muss er sich dort hocharbeiten, Zizkas alte Banditentruppe ausfindig machen und rekrutieren, und sich auch anderweitig nützlich machen, damit sie schließlich einwilligen, Hans Capon aus den Fängen von Bergows zu befreien.

Und damit ist kaum die Hälfte des Spiels erklärt. Denn der Plan Zizkas, nicht nur von Bergow, sondern auch König Siegfried zu schwächen, ist nichts weniger als ein wahnwitziger Bankraub.

Wie ist es?

Kingdom Come: Deliverance II wird zurecht von vielen als absolutes Meisterwerk beschrieben. Die Welt ist lebendig, die Charaktere liebens- oder hassenswert, die Dialoge dicht und sowohl tragisch als auch witzig. Die ständigen Wechsel von Henrys Situation, die Intrigen und undurchsichtigen Loyalitätsbekundungen der Lords gegenüber von Siegfried oder Wenzeslaus, die eigenwillige Dynamik der Banditentruppe um Zizka, Hans Capons Festnahme und die ständigen Gefahren, die Henry von seinem Freund abwenden muss, ergeben ein atemloses Voranstürmen der Ereignisse, sodass es in den 100 Stunden meines ersten Spieldurchlaufs niemals langweilig wurde. Im Gegenteil, man wusste nie, was einen als nächstes erwarten würde.
Zusätzlich zu der Achterbahnfahrt des Hauptquests kommen die ganzen Nebenmissionen, die Henry annehmen kann, um sich in der Gegend beliebt zu machen – oder weil er einfach ein herzensguter Kerl ist. Und dann gibt es natürlich auch wieder ein paar mögliche Romanzen. Wobei Warhorse Studios dem Zeitgeist entsprechend frei wählbare Möglichkeiten für beide Geschlechter einbaut (was ihnen, ebenfalls dem Zeitgeist entsprechend, allerdings nicht nur Zuspruch einbrachte).

Während sich also die Hauptgeschichte langsam aufbaut, Zizka seinen verrückten Plan verfolgt und Henry wieder und wieder seinen Freund Hans retten muss, und während sich die Bedrohung in Form des übellaunigen, von Zizkas Aktionen gereizten Siegfrieds und des listenreichen von Bergows langsam zusammenbraut, hat Henry auch Zeit, beispielsweise die wunderschön designte Stadt Kuttenberg und die umliegenden Ländereien zu erkunden. Seine kurzen Aufträge, die er für deren Einwohner annimmt, sind unglaublich vielfältig, er kann heimtückisch Diebstähle begehen oder Verbrechen aufklären, junge Frauen vom Feuertod als Hexe retten oder den Dorffrieden zwischen Tschechen und einer fahrenden Gruppe Roma, die sich gegenseitig für fremdenfeindliche und nicht vertrauenswürdige Störenfriede halten, wieder herzustellen, bevor sich die Situation in tödliche Gewalt entlädt.

Also, kurz gesagt, Kingdom Come: Deliverance II ist nichts weniger als ein Meisterwerk. Die Dichte, die emotionale Achterbahnfahrt, die witzigen Dialoge, die einem in der nächsten Minute die Tränen der Rührung in die Augen treiben, die tiefe Freundschaft mit Hans Capon, die man sich zu Beginn des ersten Teils noch nicht einmal vorstellen konnte, die Dramatik einer militärischen Burgbelagerung, und nicht zuletzt die umwerfende Optik der weiten Landschaften und der geschäftigen Städte – alles in allem hätte man das Spiel kaum besser machen können.

Was kommt danach?

Neben all meinen Lobpreisungen dieses wirklich durchweg gelungenen Spiels muss ich leider sagen, dass das Ende irritiert, denn wie auch im ersten Teil bleibt vieles ungeklärt und ungesagt. Viele zukünftige Aufgaben Henrys und Hans‘ werden besprochen, es herrscht eine allgemeine „Wir sehen uns später“ und „Viel Glück weiterhin, du wirst es brauchen“-Stimmung – allerdings scheint Warhorse Studios mit Kingdom Come: Deliverance II das Ende der Henry-Saga einläuten zu wollen. Die (grandiosen) Synchronsprecher, Tom McKay als Henry und Luke Dale als Hans Capon, gaben in Interviews und Dokumentationen tief berührt bekannt, dass es eine tolle Reise war, die sie sehr vermissen würden.
Ein paar weitere herunterladbare Missionen stehen dieses Jahr noch an, doch derzeit deutet nichts wirklich auf einen Teil drei des Spiels hin. Allerdings hat es im Jahr 2018 auch sehr lange nicht danach ausgesehen, dass es eine Fortsetzung geben würde.
Also … was kommt danach? Ich und viele, viele sehr begeisterte Fans hoffen auf Teil drei, weil eben noch so viel ungeklärt ist. Weil es nach diesem Spiel einfach nur gut werden kann. Weil die wahre Geschichte um die historischen Figuren noch viel Stoff bieten würde. Und nicht zuletzt, weil man Henry und Hans einfach so verdammt gerne zusieht.
Daher von mir aus: Bitte, sehr gerne und sobald wie irgend möglich, danke sehr. 😊