Kol-lek-ta-ne-en [lat. collectanea, Pl. zu collectaneum „das Angesammelte“]
Lesefrüchte, Sammlung von Auszügen, Zitaten aus literarischen, wissenschaftlichen Werken
Ich bin ein Mensch der Listen und Notizen. Die „roten Bücher“ meiner Studienzeit sind heute mein wertvollster Besitz, weil sie so viele Anekdoten, Zitate und Erinnerungen enthalten. Als ich 2017 mit dem Bullet Journaling anfing, schien das die logische Konsequenz: Ich konnte damit meinen Alltag planen und gleichzeitig all die kleinen Gedanken notieren. Doch zuletzt hat der Schwung merklich nachgelassen und es wird Zeit, mir etwas Neues zu suchen. Oder am Ende gar etwas Altes?
Viel Arbeit für wenig realen Nutzen
Tatsache ist, für mich hat das Bullet Journal seine Berechtigung verloren. Die Idee dahinter unterstütze ich ausdrücklich weiterhin, denn fertig zu kaufende Kalender bieten insbesondere am Wochenende chronisch zu wenig Platz, um ernsthaft damit zu arbeiten. Im Laufe der Zeit sind allerdings die tagesaktuellen Aufgaben und Termine bei mir immer weniger geworden, während die Liste allgemeiner Arbeiten länger und länger wird. Die ganze Setup-Arbeit am Anfang eines Monats ist damit nur noch eine lästige Pflicht und bildet meinen Alltag schon lange nicht mehr ab.
Das hat, so ehrlich muss ich sein, auch mit der zunehmenden Digitalisierung zu tun. Das finde ich selbst nicht toll, denn ein analoges Notizbuch hat man immer zur Hand, während man sich bei Programmen oftmals von Firmen abhängig macht, die von heute auf morgen Funktionen hinter der Bezahlschranke verstecken. Tatsächlich ist mir das bei meinem wichtigsten Tool sogar schon passiert. Trotzdem ist die Blog-Planung mittlerweile vollständig vom Bullet Journal in ein Kanban-Board von Bitrix migriert, weil das einfach übersichtlicher ist.
Was brauche ich überhaupt?
Mein Bullet Journal zeichnet aktuell vor allem eines aus: viel Weißraum. Musste ich früher in jede verfügbare Ecke kritzeln, klebe ich mittlerweile vor allem Sticker rein, damit es nicht gar so leer aussieht. Deshalb teste ich parallel dazu gerade eine digitale Alternative und habe mich aufgrund der Erfahrungen mit Bitrix diesmal explizit für Open Source entschieden: Logseq. Das Totschlagargument für mich war, dass sämtliche Notizen lokal auf meinem PC gespeichert werden und ich sie problemlos mit einem einfachen Editor öffnen kann, sollte ich das Programm irgendwann wieder deinstallieren.
Schon jetzt lautet die überraschendste Erkenntnis aber, dass viele meiner Notizen im Grunde Redundanzen sind. Zugegeben, so doof ist das nicht, mein Gehirn gleicht einem Sieb. Aber ich merke mehr und mehr, dass ich Dinge vielleicht auch anders lösen kann. Regelmäßig wiederkehrende Aufgaben immer wieder neu aufzuschreiben, scheint mir jedenfalls extrem unproduktiv. Genau deshalb teste ich Logseq parallel zum Bullet Journal: Um herauszufinden, wie ich meine Aufgaben mit so wenig Aufwand wie möglich optimal organisieren kann.
Das Notizbuch für alles und nichts
Doch wo bleibt da der Spaß? Was ist mit der persönlichen Note, die mein Bullet Journal ja trotz allem immer noch hat? Und wieso habe ich diesen Artikel ausgerechnet mit dem Hinweis auf die „roten Bücher“ eröffnet? Lasst mich euch von einem lustigen neuen Trend berichten, der zuletzt auf YouTube die Runde machte und in Wirklichkeit schon uralt ist: Commonplace Books.
Gemeint ist damit, was seit der Antike als Kollektaneenbuch oder Kollektaneen bekannt ist. Im Wesentlichen sind das persönliche Notizbücher, in die handschriftlich Zitate, Gedichte, Redewendungen oder Gebete geschrieben wurden. Commonplace Books sind oft etwas strukturierter; sie beschränken sich nicht selten auf ein eng umrissenes Themengebiet und werden mithilfe eines Inhaltsverzeichnisses organisiert.
Anekdotisch sei erwähnt, dass ich schon als Teenager Kollektaneenbücher gefüllt habe, damals wurde mir allerdings gesagt, so was hieße Almanach. Der Begriff ist etwas weit hergeholt, andererseits … waren es nicht letzten Endes Jahrbücher meines Lebens? Die „roten Bücher“ (die selten rot waren) waren jedenfalls Kollektaneen durch und durch, obwohl ich damals nichts von dieser Tradition wusste.
Rückkehr zu meinen Wurzeln
Kurzum, ich kehre zum „roten Buch“ zurück, einer unsortierten Sammlung von allem, was mein Leben bereichert. Derzeit bin ich noch auf der Suche nach einem schönen Notizbuch dafür, es könnte aber auch sein, dass ich am Ende das eine einweihe, das seit Jahren ungenutzt hier im Regal steht. Das hat zwar einen Einband aus blauem Samt, aber das wäre ja eigentlich nur konsequent.
3
Guck an, wieder was gelernt.
Es erinnert mich an das „Kopfkissenbuch der Dame Sei Shoganon“, das (kurz gegoogelt) 1000 n.Chr. in Japan zu demselben Zweck entstand: Um Alltägliches und Spezielles aus dem Leben dieser Dame festzuhalten.
Ich wollte es tatsächlich immer mal lesen, vielleicht mach ich das jetzt mal.
„Die erste Bloggerin der Weltliteratur“ nennt der Penguin-Verlag sie, wie herrlich. Jetzt bin ich fast auch neugierig. 🤓
Sie heißt natürlich Sei Shonagon, kleiner Vertipper meinerseits.
Das Ebook habe ich schon für knapp unter 1Euro runtergeladen, aber die Formatierung ist fürchterlich. Lieber vorher ne Leseprobe anfordern, oder gleich als Taschenbuch kaufen.