„Die wollen untertänige, fügsame Menschen.“
(„Silo“)
Ein ziemlich wilder Mix diesen Monat, da ich so langsam die letzten für mich interessanten Serien bei Apple TV+ zusammenkratze. Meine besondere Empfehlung für alle, die originelle Dystopien lieben, ist übrigens „Silo“. Mehr dazu im Schnelldurchlauf. Spoiler!
Servant (Staffel 4)
Dorothy kehrt nach ihrem schweren Sturz endlich nach Hause zurück. Da sie vorerst ans Bett gefesselt ist, stellt sie zwei Pflegerinnen ein, die ihr Leanne vom Hals halten sollen. Für Sean läuft es hingegen blendend, seine neue Fernsehsendung ist ein Riesenerfolg – was Dorothy nur noch wütender macht, denn sie vermutet, dass Leanne ihre Finger im Spiel hat. Auch Julian will sich wegen seiner Affäre mit ihr nicht so recht für eine Seite entscheiden. Doch auch so hat Leanne genug zu kämpfen, denn die Angriffe der „Church of the Lessers Saints“ werden immer häufiger und aggressiver.
„Die einfachste Lösung ist fast immer auch die richtige.“ Ich gebe zu, kurz vor Schluss fürchtete ich tatsächlich, sie würden vier Staffeln Psychoterror durch die Nanny rational wegerklären. Doch so einfach macht es „Servant“ weder sich noch uns. Ja, Leanne ist eine im Grunde tragische Figur, ein Mädchen, das zu früh alles verloren hat und nichts weiter wollte als eine Familie. Aber durch ihre übernatürlichen Kräfte und die jahrelange religiöse Indoktrination hat sie eben auch jeden Bezug zur Realität verloren. War sie ein Engel oder ein Teufel? Ich denke, das muss am Ende jeder mit sich selbst ausmachen.
3 von 5 Bananen, gegen die auch keine Silberkugeln helfen.
Eine Frage der Chemie (Miniserie)
Elizabeth Zott hat einen Master in Chemie und ist als Labortechnikerin im Hastings Research Institute mehr als unterfordert. Doch es sind die 1950er und als Frau hat sie wenige Möglichkeiten, nachdem sie ihre Doktorandenstelle verloren hat. Erst die Bekanntschaft mit dem ebenso genialen wie schroffen Chemiker Calvin Evans ändert ihr Leben grundlegend. Ihre Leidenschaft fürs Kochen verschafft Elizabeth schließlich eine Anstellung beim Fernsehen, wo sie gegen alle Widerstände Hausfrauen mithilfe von Kochrezepten die Grundzüge von Chemie näherbringt.
Ich gebe zu, ich habe etwas anderes erwartet, das schmälert den Charme der Miniserie aber kein bisschen. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, dass Elizabeths Fernsehkarriere nicht mehr als eine begleitende Nebenrolle spielt. Im Fokus steht ihre persönliche Entwicklung, ihr Kampf um Anerkennung als Wissenschaftlerin und zu einem nicht geringen Anteil auch Calvins schwierige Kindheit und Jugend. Die Schauspieler jedenfalls sind allesamt mit Herzblut dabei, und die Ausstattung ist wunderbar, so dass man sich unversehens in die Zeitepoche versetzt sieht. Ein Kleinod.
4 ½ von 5 Bananen, genau nach Rezept.
„Hat sich hier irgendwo ein Neutron versteckt? Denn diese Veranstaltung ist nur für geladene Gäste. Geladen, verstehen Sie?“
(„Eine Frage der Chemie“)
Infiltration (Staffel 2)
Vier Monate nach dem offenen Angriff der Aliens sind ganze Länder Todeszonen, dreißig Prozent der Luft verseucht und Millionen Menschen gestorben. Mitsuki wird von der World Defence Coalition in den Dschungel des Amazonas gebracht, wo das einzige Schiffswrack liegt, das sie abschießen konnten. Dort soll sie erneut Kontakt zu den Aliens herstellen. Aneesha und ihre Kinder schließen sich der „Bewegung“ an, verschweigen aber, dass sie wegen ihrem Alien-Artefakt vom Militär gesucht werden. Jamila macht sich auf die Suche nach Casper, während Trevante den Hinweisen aus dessen Zeichnungen nachgeht.
Niemand ist überraschter als ich, aber die zweite Staffel von „Infiltration“ ist tatsächlich ganz solide. Zwar krankt die Serie nach wie vor an einem äußerst gemächlichen Tempo und Storylines, die gefühlt nur dazu da sind, ein bisschen „menschliches Drama“ in die Geschichte zu bringen. Doch die Science-Fiction-Elemente sind nun immerhin präsenter, und eigentlich alles, was mit Mitsuki und ihrem Versuch der Kommunikation zu tun hat, ist sogar richtig spannend. Auf die neuen Aliens hätte ich allerdings verzichten können, ich fand das ursprüngliche Design viel origineller.
3 von 5 Bananen mit Schwarmbewusstsein.
Silo (Staffel 1)
„Jede Bitte, das Silo zu verlassen, wird gewährt, aber sie ist unwiderruflich.“ Nach einer weltweiten Katastrophe leben die Menschen in einem riesigen Silo, das 144 Stockwerke in die Tiefe reicht. Bei einer Revolte vor 140 Jahren wurden angeblich sämtliche Aufzeichnungen aus der Zeit davor zerstört, der Besitz von Relikten steht unter Strafe. Alle, die an der Geschichte zweifeln und nach draußen wollten, sind dort gestorben – übertragen von der einzigen Kamera, die die Außenwelt zeigt. Als Ingenieurin Juliet den IT-Spezialisten George kennenlernt, wird sie bald in die Geheimnisses des Silos hineingezogen.
Ratet, wer nach drei Folgen eine neue Buchreihe auf seiner Leseliste stehen hatte. „Silo“ ist eine der besten Dystopien seit langem und baut in der ersten Staffel gleich mehrere Mysterien auf: Wer regiert das Silo? Kann man draußen wirklich nicht überleben? Wieso sind Dinge aus der Vorzeit verboten? Im Mittelteil dominiert für meinen Geschmack zu sehr der Krimiplot um diverse Todesfälle, aber die letzten drei, vier Folgen sind dafür Spannung pur und liefern auch schon ein paar erste Antworten. Das Silo mit seinen endlosen Wendeltreppen und verschiedenen Ebenen ist außerdem ein visuell beeindruckender Schauplatz.
4 ½ von 5 Bananen in Zelle 3.
„Ich werde nicht mehr das Rückgrat sein. Ich werde ab jetzt das Vordergrat sein!“
(„The Big Door Prize“)
The Big Door Prize (Staffel 1)
Im beschaulichen Deerfield taucht eines Tages wie aus dem Nichts ein geheimnisvoller Morpho-Automat auf, der einem angeblich sein Lebenspotenzial verrät. Trotz anfänglicher Skepsis entwickeln die Bewohner eine wahre Obsession und krempeln teilweise ihr ganzes Leben um. Highschool-Lehrer Dusty versucht, seine Schüler zu mehr Reflexion anzuhalten, während seine Frau Cass Morpho-Merchandise verkauft. Tochter Trina hadert derweil damit, dass sie ihren verunglückten Freund mit dessen Zwillingsbruder betrogen hat. Pater Rueben fragt sich, ob sein Lebensziel „Vater“ wirklich bedeutet, was alle denken.
Auch wenn einem „The Big Door Prize“ ein bisschen als Mystery verkauft wird, ist die Serie doch eine klassische Dramedy, in der es vor allem um die Figuren geht. Jede Folge mit Ausnahme des zweiteiligen Staffelfinales widmet sich einer Person und beleuchtet, wo sie steht und welchen Einfluss das prophezeite Lebenspotenzial auf sie hat. Das ist mal mehr, mal weniger interessant, und nicht alle Figuren sind auch sympathisch, aber im Grunde geht es um die Frage, was wir aus unseren Träumen machen. Erst gegen Ende rückt der mysteriöse Automat selbst wieder mehr in den Vordergrund.
3 von 5 Bananen mit blauen Punkten am Ar***.
Die Schlange von Essex (Miniserie)
Essex 1893. Nach dem Tod ihres gewalttätigen Mannes zieht es die Witwe Cora Seaborne mit ihrem Sohn ins Fischerdörfchen Aldwinter. Berichte von Angriffen einer Seeschlange haben die Hobby-Archäologin neugierig gemacht, doch die Dorfbewohner sind abergläubische Menschen, die an eine Strafe Gottes glauben und ihren wissenschaftlichen Ansatz als teuflisch verfluchen. Einzig Pfarrer Will Ransome ist ihren Ideen gegenüber aufgeschlossen, so dass sich bald eine freundschaftliche Beziehung entwickelt. Als erneut ein Mädchen verschwindet, wird Cora verantwortlich gemacht.
Äh. Nicht, was ich erwartet habe. Ich kenne zwar die Romanvorlage nicht, bin aber etwas verwirrt, weil der Titel „Gothic Horror“ verspricht, der Inhalt aber zu 99 Prozent „Gothic Romance“ ist. Ganz ehrlich, die raue Landschaft, die Ausstattung, die Schauspieler, das ist alles superb. Aber ich habe diese Serie nun mal in Erwartung einer Riesenschlange geguckt, die zeitweise völlig vergessen und am Ende auch ziemlich billig erklärt wird. Stattdessen fokussiert man sich auf eine Dreiecksgeschichte zwischen Cora, Will und einen jungen Arzt. Meh. Wenigstens Tom Hiddleston ist wie immer nett anzuschauen.
2 von 5 Bananen, die die Türen verriegeln und beten.
Ist ja witzig, das Buch zu „Eine Frage der Chemie“ wurde mir vor gar nicht so langer Zeit geschenkt. Ich fand allerdings keine der Figuren sympathisch, die Hauptfigur wird als nerdiges Chemie-Wunderkind dargestellt, die die meiste Zeit über entnervt feststellt, dass ihr niemand das Wasser reichen kann. Ich hatte auch das Gefühl, dass zwischen ihr und ihrem Mann keine echte Chemie ist (pun intended). Das war eher eine berufliche Zusammenarbeit. Mehr scheinen beide nicht wirklich anzustreben. Ich bin leider mit niemandem warm geworden und habe das Buch letztendlich dem offenen Bücherschrank zukommen lassen.
Aber wenigstens scheint die filmische Umsetzung gelungen zu sein.
Die Serie lebt wirklich von der schönen Retro-Optik und den Schauspielern, da sieht man auch darüber hinweg, dass man solchen Leuten im echten Leben lieber nicht begegnen will. Irgendwo las ich, Elizabeths kalte Art und Calvins Allüren seien ein Hinweis, dass beide Autisten sind und sich deshalb so gut verstehen. Wer weiß. Ich fand’s kurzweilig, hatte danach aber auch nicht das Bedürfnis, das Buch zu lesen. 😏