„This is a refugee town. An overcrowded one. And any of us make trouble, people start getting thrown in jail, shipped off for resettlement someplace else. We have to play by the rules.“
Serena beginnt ihre Arbeit als Botschafterin Gileads, ohne dass Kanada etwas dagegen unternimmt. Lydia will das Magd-System reformieren. Spoiler!
You aren’t in Gilead, this is a free country
Serena wird aus der Obhut der Regierung entlassen und beginnt mit ihrer Arbeit im neuen „Gilead Information Center“. Doch das zieht nicht nur Sympathisanten an, nicht zuletzt June, die diesmal fest entschlossen ist, Serena zu töten. Luke bittet sie, Geduld zu haben, da er plant, das Zentrum wegen Vorstößen gegen die Bauvorschriften schließen zu lassen. In Gilead kümmert sich Lydia derweil um Janine, die sich langsam wieder erholt, aber keine Lust mehr auf ihren Bullshit hat. Lydia schlägt Lawrence daraufhin eine Reform des Magd-Systems vor, bei dem die Frauen im Red Center bleiben statt bei den jeweiligen Familien unterbracht zu werden. Eine Idee, die Lawrence rundweg ablehnt.
Außen hui, innen pfui
Es ist eine interessante Entwicklung, die „Dear Offred“ sichtbar macht: Während Gilead im Inneren zerfällt, sei es durch einen Kommandanten, der gegen die Regeln verstößt, indem er nicht wieder heiratet, oder durch die Zweifel einer Tante am bisherigen Umgang mit den Mägden, scheint das Konzept außerhalb der Grenzen immer mehr Sympathisanten zu finden. Eine gefährliche Entwicklung, die ebenso zum Zusammenbruch wie zur Expansion führen könnte. Die Ohnmacht, die Menschen wie June angesichts dessen empfinden, fängt die Folge gut ein, auch wenn weiterhin das Gefühl dominiert, dass alle auf der Stelle treten.
„You know, come to think of it, I do wonder why you never returned to Gilead to save your daughter. I mean, there were risks, of course. Which your wife took, and she suffered for them many times.“
Auch in Gilead begann alles mit Tatenlosigkeit
Bei allem, was aktuell in „The Handmaid’s Tale“ vor sich geht, lohnt sich vielleicht einmal ein Blick zurück in die Anfangstage von Gilead. Die Machtergreifung der „Söhne Jakobs“ war damals schließlich nur möglich, weil sie nach und nach ihre Leute in wichtigen Positionen untergebracht haben. Ist es wirklich so abwegig, dass genau dasselbe auch in anderen Ländern geschieht? Die Menschen Gileads sind keine andere Spezies, was genau lässt uns eigentlich glauben, dass es nicht überall auf der Welt Politiker gibt, die damit liebäugeln, auf diese Weise ihre Macht zu vergrößern?
In diesem Kontext überrascht es gar nicht so sehr, dass Gileads Arm weit genug reicht, um Serena diese relativ komfortable Position in Kanada zu ermöglichen. Wäre der kanadischen Regierung ernsthaft daran gelegen, den Einfluss Gileads auf ihrem Territorium zu unterbinden, wäre das sicherlich kein Problem. Botschaften werden auf der ganzen Welt immer wieder geschlossen, teils aus geringerem Anlass als den Menschenrechtsverletzungen, aus denen Gilead nicht mal einen Hehl macht. Diese Blindheit und Tatenlosigkeit ist das eigentlich Beängstigende, denn genau damit hat es schon einmal begonnen.
June verliert das große Ganze aus den Augen
Berücksichtigt man all das, wirkt Junes kleiner Aufstand umso hilfloser. Versteht mich nicht falsch, sie hat allen Grund für diese Wut, und das ständige Gerede davon, sie solle das hinter sich lassen und nach vorne schauen, zeugt von großer Ignoranz gegenüber dem, was Frauen wie sie in Gilead durchgemacht haben. Aber mir fehlt ehrlicherweise auch ein bisschen die Reflexion ihrerseits, denn ihr muss doch rein rational klar sein, dass sie damit nur sich und ihrer Familie schadet und gleichzeitig nichts gegen das System Gilead ausrichtet.
Denken wir das Szenario doch mal für einen Moment zu Ende. Gesetzt den Fall, June tötet Serena auf kanadischem Boden, käme sie lebenslang ins Gefängnis und verlöre ihre Familie. Ist sie noch dümmer und erschießt Serena auf dem Grundstück der Botschaft, also auf dem Territorium von Gilead, kann sie nach dem „Strafrecht“ Gileads verurteilt werden, wird also wahrscheinlich ausgeliefert und an der Mauer aufgehängt. In beiden Fällen würde Serena außerdem zur Märtyrerin werden, was der Sache Gileads am Ende nur nützt.
„What are you smoking? No commander is going to buy into that. They’re not interested in some quick in and out to make a baby. They want those girls in their homes, accessible anytime so they can sniff the air after they walk by or do whatever the hell they want to get their rocks off. These are pious men. They need a little kink. You know that.“
Das Magd-System ist längst ein Selbstläufer
Und dann ist da natürlich noch die seltsame Beziehung zwischen Tante Lydia und Janine. Ich kann das ehrlich gesagt nicht wirklich einordnen, was aber in erster Linie daran liegt, dass ich Lydia schon immer für schwer durchschaubar halte. Mag sein, dass Janine für sie eine Art Mahnmal für alles ist, was sie falsch gemacht hat. Genauso möglich, dass sie nur ihr Gewissen beruhigen will, indem sie sich gerade um sie so bemüht. Immerhin erkennt sie endlich an, dass die Kommandanten das Problem sind, weil sie die Mägde wie ihre persönlichen Huren behandeln.
Die Ironie ist wohl, dass Lawrence derselben Meinung ist, aber zu einem gänzlich anderen Schluss kommt. Die Männer sollen sich vergnügen und nicht nur schnell Babys machen. Nicht, dass das eine neue Erkenntnis ist, Lydia war womöglich die Einzige, die noch ernsthaft daran geglaubt hat, dass dieses Arrangement einen göttlichen Zweck verfolgt. Die wichtigere Frage lautet doch, wieso Lawrence ausgerechnet Lydia gegenüber so offen spricht. Glaubt er, dass sie genauso verkommen ist, dass es ihr egal ist? Oder legt er es darauf an, dass sie auf die Barrikaden geht?
Und wenn ich das zum Schluss noch anmerken darf: Ich fand es sehr, sehr bemerkenswert, dass Janine Esther keinen Vorwurf macht, weil sie sie vergiftet hat. Dadurch ist Janine in meinem Ansehen wieder deutlich gestiegen. Sie weiß, dass nicht Esther schuld ist, sondern die Männer, die sie missbraucht haben, Lydia, die das nicht erkennen wollte, und letztendlich dieses ganze System, das sie nur als Werkzeug und nicht als Person sieht.
Blessed be the fruit
• Die Frau, die zu June sagt, sie müsse ja so dankbar sein, dass sie in Gilead war, weil sie jetzt eine Tochter hat, war echt zum Kotzen. Mir ging aber auch so durch den Kopf, dass all diese „Fans“ von Gilead sicher lieber Ehefrauen als Mägde wären. Und das ist das Problem: Sie idealisieren da etwas, ohne sich über die praktische Umsetzung Gedanken zu machen.
• Großartig: June hat sich ein YouTube-Tutorial angeschaut, um ihre Waffe zu reinigen.
• Auch aufschlussreich: Serena trägt nur für das Fotoshooting die Kleider einer „Ehefrau“ und ansonsten einen Business-Anzug.
• Müssen wir Mrs. Wheeler kennen? Ich war etwas irritiert, weil Serenas Ankunft bei ihr so erzählt war, als wüssten wir schon, wer sie ist.
3 von 5 Bananen, die gegen die Bauvorschriften verstoßen.