„Oh, look at us all, getting along like friendly diplomats, trying to bury the hatchet.“
Serena bekommt ihr pompöses Staatsbegräbnis für Fred. Esther soll derweil ihren ersten Posten bei den Putnams antreten. Spoiler!
We’ve shown the world our fist, it’s time to show them our humanity
Serena reist mit Tuello nach Gilead, um den Leichnam ihres Mannes zu überführen. Obwohl sich die Kommandanten zunächst querstellen, kann sie sie (nicht zuletzt durch die Fürsprache von Lawrence und Nick) davon überzeugen, ein Staatsbegräbnis zu veranstalten, das international im Fernsehen übertragen wird. Derweil geht der Alltag in Gilead seinen gewohnten Gang, und das heißt für Esther, dass sie ihren ersten Posten erhalten soll – bei den Putnams. Sie fühlt sich von Janine verraten, weil die meint, sie solle sich einfach an die Regeln halten, dann wäre alles gut. June beichtet Luke, dass Serena weiß, dass sie für den Tod von Fred verantwortlich ist.
Gilead und seine Frauen
„Ballet“ zeigt, dass andere Geschichten aktuell viel interessanter sind als die von June. Denn während die in einer Spirale aus Angst und Wut gefangen ist, kehrt Serena aus ihrer Bedeutungslosigkeit zurück nach Gilead, um sich als das Opfer schlechthin zu inszenieren. Ein spannender Zug auch deshalb, weil sie es gleichzeitig ablehnt, die Rolle einzunehmen, die Gilead eigentlich für sie vorsieht. Am eindrucksvollsten aber sind die Momente, die wir mit Esther und Janine verbringen, zwei Frauen, deren Vorstellungen von Rebellion nicht unterschiedlicher sein könnten.
„Perhaps it’s time that we show Gilead to the world. Now, I’ve been to Canada, I know what they think of us. If we are to be respected, I think we need to show them that we grieve just like they do. I think we need to make Fred’s funeral an international event, broadcast across the globe.“
Ein Exotikum hier, Normalität dort
Ich muss gestehen, ich durchschaue aktuell noch nicht, ob Serena nun plant, in Gilead zu bleiben oder nicht. In der vorherigen Folge klang es definitiv danach, hier allerdings wird mehrmals angedeutet, dass es sich nur um einen Besuch handelt. Dazu passt auch, dass Tuello sie begleitet, und eigentlich ist sie ja immer noch eine „Gefangene“ Kanadas, oder? Das hat mich ziemlich irritiert, gerade weil sie mit einer Selbstverständlichkeit dort auftritt, die einer Frau in Gilead schlicht nicht zusteht.
Tatsächlich ist das aber die bisher zutreffendste Beschreibung ihres Charakters. In Kanada ist sie fast so etwas wie das Aushängeschild Gileads, sie wähnt sich moralisch überlegen und verhält sich auch so. Dass Leute ihr zujubeln, ist für sie ganz selbstverständlich. Das ist der Vorteil der Einzigartigkeit, vielleicht auch bisschen die Faszination des Fremdartigen, denn innerhalb Gileads ist sie nur eine von vielen. Dort hatte sie niemals den Status, den sie in Kanada genießt, und musste für die moralische Überlegenheit wohlgemerkt der Männer so einiges erdulden.
Ein totalitäres Ballett
Was uns zum Herzstück der Folge bringt, dem visuellen Meisterwerk der Trauerprozession. Auf den ersten Blick mag es seltsam anmuten, dass die Szenen mit einer Ballettaufführung zusammengeschnitten sind, die June und Luke besuchen. Doch wenn man sich die Ikonographie genauer anschaut, ist auch die Prozession fast eine Art Ballett. Jeder hat seinen festen Platz, der Ablauf ist präzise durchgetaktet, jede Geste hat ihre Bedeutung.
Farben spielen dabei wie so oft in „The Handmaid’s Tale“ eine wichtige Rolle. Alles wirkt dunkler, ruhiger, selbst die Mägde tragen neben Rot auch Schwarz. Am auffälligsten aber ist Serena in ihrer schwarzen, fast theatralischen Robe, die in Kontrast zu Junes weißem Ausgehkleid gesetzt wird. Passenderweise erhält bei dieser Gelegenheit auch Serena durch geschickte Kameraplatzierung Flügel, wenngleich ich annehme, dass das eher widerspiegelt, wie sie sich selbst gerne sieht, weniger die Außenwelt.
Ich las übrigens die Überlegung, dass sich Nick und Lawrence vor allem deshalb so für diese Scharade einsetzen, weil sie insgeheim hoffen, dass die Welt sie durchschaut. Die totalitäre Bildsprache ist allzu offensichtlich und sollte eigentlich auch den Letzten wachrütteln. Doch wenn die fünf Staffeln eines bewiesen haben, dann, dass die Welt kein Interesse daran hat, sich mit Gilead anzulegen. Kanada ist das beste Beispiel dafür, denn obwohl man sich dort mit viel Herzblut um die Flüchtlinge kümmert, tun auch sie nichts gegen die Ursachen.
„You know, I really didn’t like you when we first met … And I was right the first time.“
Esther will sich nicht mit dem Status Quo abfinden
Die bei weitem interessanteste Figur ist für mich derzeit Esther, die Junes Feldzug aus einer ganz anderen Perspektive weiterführt. Als June von Gilead vereinnahmt wurde, hat sie etwas Konkretes verloren, was sie betrauern konnte. Esther hatte diesen Luxus nicht, denn sie wurde in diese Welt hineingeboren. Doch obwohl sie nie etwas anderes gekannt hat, spürt sie instinktiv, dass das nicht alles sein kann. Der Status als Ehefrau hat sie nicht davor bewahrt, missbraucht zu werden, was auch den großen Unterschied zwischen Serena und nachfolgenden Generationen von Frauen in Gilead unterstreicht.
Janine ist für Esther keine Hilfe. Sicher, auch June hat bisweilen den Kopf eingezogen, bis der Sturm vorüber war und sie ihren nächsten Schritt planen konnte. Janines Rat aber lautet im Wesentlichen nur: Pass dich an. Ein Danach scheint es für sie nicht zu geben, kein Ziel außer Überleben. Und ich kann verstehen, wieso Esther am Ende so handelt, wieso sie so wütend auf Janine ist, dass sie nicht nur sich selbst, sondern eben auch sie vergiftet. Ich fürchte nur, dass es für sie keinen einfachen Ausweg geben wird, dass alles, was jetzt kommt, nur noch schlimmer wird.
Blessed be the fruit
• Ich weiß, ich bin komplett darüber hinweggegangen, dass June und Luke ihre Tochter Hannah bei der Fernsehübertragung sehen. Zweifellos von Serena extra so eingefädelt. Ich gehe aber davon aus, dass das Thema der nächsten Folge sein wird, also verzeiht die Auslassung.
• Vielleicht auch nicht unwichtig: June vergräbt die Pistole aus der letzten Folge im Garten.
• Tuello bietet Nick an, als Doppelagent für sie zu arbeiten, um zur Belohnung Nichole sehen zu dürfen. Er lehnt (vorerst?) ab.
• Mein Lieblingssatz kam diese Woche übrigens von Lawrence, als Serena ihn fragt, wie er die anderen Kommandanten von einem Staatsbegräbnis überzeugt hat: „By not being a woman.“
3 ½ von 5 vergifteten Schokoladen-Bananen.