„It’s impossible. But don’t let that stop you.“
Loki springt unkontrolliert durch die Zeit und versucht, Mobius und die anderen wieder zusammenzubringen, um die Zeitlinien zu retten. Spoiler!
There’s nowhere left to go
Nach der Explosion des Temporal Loom findet sich Loki in einer verlassenen TVA wieder. Gerade, als sich alles in Spaghetti verwandelt, beginnt er wieder durch die Zeit zu springen. Dabei landet er genau an den Orten, wo seine Freunde nach dem Reset der Zeitlinie gestrandet sind, doch die erinnern sich weder an ihn noch an die TVA. Erst der erfolglose Science-Fiction-Autor A.D. Doug alias Ouroboros glaubt ihm und möchte helfen. Seine Theorie: Mit der gemeinsamen temporalen Aura aller, die bei der Explosion anwesend waren, könnte Loki in der Lage sein, zu exakt diesem Punkt in Raum und Zeit zurückzukehren.
Science-Fiction als Metapher
Vielleicht liegt es an meiner eigenen Liebe für das Genre Science-Fiction, aber als ich den Titel der Folge las, wusste ich einfach, dass sie gut wird. Sci-Fi handelt zwar oft von Aliens, fremden Welten oder epischen Raumschlachten, doch im Kern ist sie nur eine Metapher, um aktuelle gesellschaftliche Probleme zu thematisieren oder die Psychologie der Protagonisten zu ergründen. „Loki“ geht dieses Charakteristikum frontal an und stellt unseren Titelhelden vor die entscheidende Frage, ob das alles wirklich ein Science-Problem ist oder nicht vielmehr ein Fiction-Problem.
Loki: „Wait. You’re a writer?“
A.D. Doug: „Yes. Science fiction.“
Loki: „I’m doomed.“
Lokis Bedürfnis, dazuzugehören
In gewisser Weise holt sich Loki mit „Science/Fiction“ endlich seine Serie zurück. Nachdem es sich in den vorherigen Folgen oft so anfühlte, als sei er nur eine Nebenfigur, die der Handlung hinterherläuft, nimmt er sein Schicksal nun wieder in die eigene Hand. Vielleicht ist es eine Vorahnung seiner zukünftigen Rolle, vielleicht auch nur ein ironischer Einfall der Autoren, doch als die Explosion des Temporal Loom eine Art zeitlichen Reset auslöst, ist Loki der Einzige, der in der TVA zurückbleibt. He who remains, versteht ihr?
Doch noch ist er nicht soweit, vorerst klammert er sich noch an die Vorstellung, dass er einfach nur die „Gang“ wieder zusammenbringen muss, damit alles gut wird. Es ist ein erstaunlich liebevoller Blick auf Lokis Charakter, wenn ihn Sylvie durch ständiges Nachfragen dazu bringt, zuzugeben, dass er all das nur tut, weil er seine Freunde wiederhaben will. Weil er nicht allein sein will. Man kann das egoistisch nennen (Sylvie tut es), aber ist am Ende die Liebe für andere nicht das edelste Motiv überhaupt?
Eine klassische Heldenreise
Doug/Ouroboros bringt frühzeitig die Unterscheidung zwischen Science und Fiction ins Spiel. Das „was“ und „wie“ gegenüber dem „warum“. Für Loki steht fest, dass es sich um ein Science-Problem handelt. Das hat wahrscheinlich vor allem mit seinen Erlebnissen in der TVA zu tun, denn als wahrhaftiger Gott sollte er wohl eher in Richtung Fiction tendieren. Vielleicht hilft es ihm in dem Moment aber auch einfach, ein klares Ziel vor Augen zu haben (eben das „was“ und „wie“) – wie eine mathematische Gleichung, die nur eine Lösung hat.
Erst, als die Welt um ihn herum zusammenbricht, obwohl er scheinbar alles richtig gemacht hat, erkennt Loki, dass es doch ein Fiction-Problem ist. Es ist wichtig, festzuhalten, dass das Zusammenbringen seiner Freunde mitnichten ein nutzloser Umweg war. Denn in klassischer Science-Fiction-Manier macht es der fantastische Part überhaupt erst möglich, den emotionalen Kern freizulegen. Lokis Reise führt ihn an genau diesen Punkt, wo er sein „time slipping“ zu kontrollieren lernt und feststellt: „It’s not about where, when, or why. It’s about who. I can rewrite the story.“
Loki: „Doesn’t sound like science.“
A. D. Doug: „No, but it does sound like fiction.“
Das echte Leben?
Unabhängig davon ist „Science/Fiction“ aber auch eine Was-wäre-wenn-Geschichte. Was wäre, wenn Mobius, Ouroboros und die anderen niemals von der TVA rekrutiert worden wären? Wenig überraschend stellt sich Mobius als Jet-Ski-Verkäufer heraus, interessanter ist das Jahr, in dem wir ihn treffen: 2022, also nach dem Snap von Thanos. Das könnte erklären, warum seine Frau „long gone“ ist. Die Tatsache, dass er zwei Söhne hat, wirft jedoch die Frage auf, ob Loki ihm wirklich einen Gefallen täte, wenn er den Status Quo wiederherstellt.
Casey ist der Bankräuber Frank Morris, dem die Flucht aus Alcatraz gelingt, was wohl eher ein Gimmick ist und nicht wirklich zu dem Charakter passt. B-15 begegnen wir als Kinderärztin in New York im Jahr 2012, was interessanterweise dasselbe Jahr ist, in dem Loki in „The Avengers“ die Chitauri-Invasion auslöst. Und Ouroboros ist wie gesagt ein Science-Fiction-Autor mit einem Ph. D. in Physik, was ihn offener für die Idee des Zeitreisens macht, ihm aber auch ein wissenschaftliches Verständnis der Problematik gibt.
Warum sowohl Loki als auch Sylvie nicht von dem Reset betroffen sind, ist mir dagegen nicht ganz klar. Oder wieso Loki in der TVA endet, während Sylvie offenbar einfach gemütlich in das von ihr gewählte Leben als Burgerbraterin zurückkehren kann. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich das Gefühl habe, die Autoren wussten in dieser Staffel nichts mit Sylvie anzufangen. Ihre Motivation ändert sich je nach Drehbuchlage, und ihre intensive Beziehung zu Loki in der ersten Staffel wurde einfach ausgeblendet.
Was genau passiert mit den Zeitlinien?
Zwei inhaltliche Dinge würde ich zum Schluss gerne noch ansprechen. Einen grundlegenden Punkt der Erzählung habe ich nämlich noch nicht verstanden: Wieso zersetzen sich die Zeitlinien, nachdem der Temporal Loom zerstört wurde? Ich kann tatsächlich nachvollziehen, wieso Sylvie glaubte, dass die Zeit nach der Zerstörung der TVA jetzt einfach wieder ihren natürlichen Gang geht. Es muss doch eine Zeit vor der TVA gegeben haben, und damals ist auch nichts zu Spaghetti geworden?
Das andere ist eher eine vage Bestätigung meiner Theorie von letzter Woche, als ich schrieb, dass vermutlich alles, was gerade passiert, immer noch auf einen Plan von „He who remains“ zurückgeht. Angesichts dessen, dass weder er noch Victor in dieser Folge vorkamen, ist es doch sehr verdächtig, dass im „previously on“ eine Szene der ersten Staffel enthalten ist, in der „He who remains“ sagt: „Every step you took to get here, I paved the road.“
Science/Notes
• „Loki“ ist eine der wenigen Serien, bei denen es sich lohnt, auch immer den Abspann zu schauen, weil ständig neue Details eingestreut werden. Diesmal wurde auch die Title Card angepasst, so dass nach und nach die Buchstaben verschwinden.
• Wann ist Loki, wenn er am Anfang der Folge durch die leergefegte TVA läuft? Ist das vor oder nach der Explosion? Eine Durchsage verkündet mehrmals „Fail Safe Mode initiated“.
• Die Werkstatt von A. D. Doug sieht verdächtig nach Ouroboros’ Keller in der TVA aus.
• Sylvies entgeisterter Blick, als Loki vor ihren Augen durch die Zeit gerissen wird, ist Gold wert.
• Oh, und natürlich das hier.
5 von 5 fiktionalen Bananen.