„In my reviews, I feel it’s good to make it clear that I’m not proposing objective truth, but subjective reactions; a review should reflect the immediate experience.“ (Roger Ebert)
Es mag nur eine persönliche Eigenart sein, doch ich bin seit jeher fasziniert davon, wie unterschiedlich Menschen ein und dieselbe Aufgabe angehen. Schon im Studium habe ich stets neugierig beobachtet, ob meine Kommilitonen Texte mit Marker bearbeiten, Karteikarten schreiben oder in Vorlesungen Notizen machen. Falls ihr also wider Erwarten genauso interessiert seid, dann erwartet euch heute ein echtes Schmankerl, denn ich erzähle im Detail, wie ich meine Reviews schreibe.
Der erste, unmittelbare Eindruck
Setzen wir uns also gemeinsam vor den Fernseher und starten den Streamingdienst unserer Wahl. Ich glaube, so ziemlich alle Serien, zu denen ich aktuell noch Folgenbesprechungen schreibe, schaue ich im englischen Original. Das hat keinen tieferen Sinn und ist bei Sci-Fi-Serien mit viel Technobabbel sogar eher kontraproduktiv, aber da die Synchro heute meist sehr schnell arbeiten muss, gehen Wortwitze da leider oft unter.
Ansonsten steckt an diesem Punkt noch kein großes Hexenwerk dahinter. Ich schaue die Folge mit einem Klemmbrett auf dem Schoß, auf dem ich mir wild Notizen mache. Ja, ich wünschte, ich könnte behaupten, das habe System, aber ich schreibe Plotpunkte, Überlegungen, Fragen und Zitate tatsächlich einfach nur unsortiert runter. (Das macht das Schreiben später auch viel spannender.)
Die Arbeit vor der Arbeit
Den lästigsten Part der ganzen Chose schiebe ich wahlweise einige Stunden bis einen ganzen Tag auf: die Recherche. Das umfasst alles, was ich irgendwie für meine Review benötigen könnte, angefangen bei den Namen von Figuren, Planeten oder Schiffen, über interessante Trivia und Produktionsinfos bis hin zu Zitaten.
Jetzt versteht ihr vielleicht auch, warum ich selbst komplexe Serien lieber im Original schaue – Transkripte gibt es selten in deutscher Übersetzung. Und ich brauche nicht nur Zitate zum Auflockern meiner Kritiken, gelegentlich muss ich auch einfach Dinge nachlesen, die mir beim Schauen nicht ganz klar geworden sind.
Was das Lesen anderer Reviews angeht, verfolge ich keine klare Linie. Es gibt Folgen, bei denen es mir wichtig ist, zuerst meine eigenen Gedanken festzuhalten, bevor mich andere Kritiker vielleicht beeinflussen. Zuweilen ist es aber ganz interessant oder sogar hilfreich für den Denkprozess, zu schauen, worauf andere ihren Schwerpunkt legen.
Intermezzo: Der Schnelldurchlauf
An dieser Stelle denkt ihr euch vielleicht: Hm, das ist ja alles gut und schön, Jes, aber für den Schnelldurchlauf veranstaltest du doch sicher nicht solchen Aufwand, oder? Nein, natürlich nicht. Serien, zu denen ich nur eine Kurzreview schreibe, schaue ich in erster Linie zu meinem persönlichen Vergnügen und entscheide mich daher oft (aber nicht immer) für die deutsche Synchronfassung.
Ich habe einen Notizblock neben dem Sofa liegen, auf dem ich gelegentlich Zitate festhalte, mehr aber auch nicht. Auch Recherche betreibe ich nur, wenn mir die Schreibweise von Namen unklar ist. Und meistens fasse ich den Inhalt schon nach etwa der Hälfte der Staffel zusammen, um versehentlichen Spoilern im Text vorzubeugen. Die Kritik schreibe ich hingegen erst, wenn ich alles gesehen habe.
Ich habe einen Notizblock neben dem Sofa liegen, auf dem ich gelegentlich Zitate festhalte, mehr aber auch nicht. Auch Recherche betreibe ich nur, wenn mir die Schreibweise von Namen unklar ist. Und meistens fasse ich den Inhalt schon nach etwa der Hälfte der Staffel zusammen, um versehentlichen Spoilern im Text vorzubeugen. Die Kritik schreibe ich hingegen erst, wenn ich alles gesehen habe.
Die erste Rohfassung
Anders als beim literarischen Schreiben bin ich beim Reviewen absolut kein Planer. Das heißt, ich überlege mir im Vorfeld nicht, wie ich meinen Text aufbaue, sondern schreibe einfach drauf los. Vermutlich mache ich das einfach schon lange genug, um ein Gespür dafür entwickelt zu haben, vielleicht haben mich aber auch all die Erörterungen damals im Deutschunterricht darauf vorbereitet. (Leistungskurs, Note 1, danke auch.)
Dass ich meine Gedankengänge mittlerweile fast schon automatisch auf Absätze von fünf bis sechs Zeilen bringe, ist ebenfalls reine Übungssache. Ich schreibe seit mehr als zehn Jahren Reviews für diesen Blog und habe das Format derart verinnerlicht, dass ich darüber wirklich nicht mehr nachdenken muss. Und: Zu diesem Zeitpunkt muss noch nicht jedes Wort perfekt sitzen, viel wichtiger ist, dass ich zu Papier bringe, was ich sagen will.
Die Pause ist fast das Wichtigste
An dieser Stelle lege ich meinen Text grundsätzlich erst mal beiseite und schlafe mindestens eine Nacht darüber. Optional schaue ich mir die entsprechende Serienfolge in der Zwischenzeit noch ein zweites Mal an, aber auch hier gibt es kein festes Vorgehen. Klar, Folgen, die ich nicht mochte, schaue ich eher nicht noch mal, aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass ich alle guten Folgen zweimal gucke. Manchmal hängt es schlicht von der Frage ab, ob ich die Zeit dafür aufbringe.
Aber, und das muss ich selbst anerkennen, es wäre sinnvoll, das zur Regel zu machen. Denn beim ersten Schauen bin ich oftmals so sehr mit dem Schreiben meiner Notizen beschäftigt, dass ich nur mit halbem Auge hinsehe. Bei mehr als einer Gelegenheit sind mir bei der Zweitsichtung Details aufgefallen, die mir zuvor völlig entgangen waren. Weil ich mich nun ganz auf die Handlung, das Setting und die Schauspieler konzentrieren kann, ohne jede Kleinigkeit aufschreiben zu müssen.
The End?
Wir nähern uns dem großen Finale. Ich gönne mir bewusst den Luxus, nicht aktuell zu sein, weil es mir mehr darum geht, dass ihr zu Ende gedachte Kritiken zu lesen kriegt. Dadurch kann ich meine Reviews auch mal ein bis zwei Tage liegen lassen, bevor ich mich an den Feinschliff wage. Und der besteht im Wesentlichen darin, dass ich den Text mit nunmehr frischem Blick noch mal durchlese, Tippfehler korrigiere, bessere Formulierungen finde und die finalen Überschriften für die Absätze festlege.
Doch halt, ist das wirklich das Ende? Nein, denn mein Verzicht auf Aktualität hat den Vorteil, dass ich manchmal ganze Staffeln vorbereiten kann, bevor auch nur eine einzige Review online geht! Und das heißt, dass ich Wochen bis Monate später erneut darauf zurückkomme, wenn ich den Text im Blog einpflege – und dabei noch mal lese. Was ich dabei teilweise noch an krummen Sätzen rausfische, würdet ihr nicht glauben. Wer allerdings dann noch Fehler findet, darf sie wirklich aus ganzem Herzen behalten.
21
Krass, wie viel Planung und Mühe in deine Reviews einfließen. Da schäme ich mich ja fast dafür, wie ich reviewe. Ich brauche für ein Review im Schnitt 30-45 Minuten.
Klar, bei den vielstündigen Spielen schreibe ich natürlich nichts mit, sondern lasse das Spiel nur im Ganzen auf mich wirken und fasse dann meinen Eindruck in Worte. Ab und zu lasse ich es dann etwas liegen und überfliege es später noch mal, aber meistens lade ich es einfach so hoch, sobald ich fertig bin.
Irgendwie hat sich dieses Brainstorming-Artige für mich bewährt. Zumindest für die paar Male, die ich bisher gereviewt habe. Wenn man eine ganze Serie beurteilt, kommt man um Notizen dann aber wohl echt nicht mehr rum.
Wie gesagt, da ist jeder anders. Ein paar meiner „Strange new Worlds“-Reviews konnte ich im Sommer ja auch bei TrekZone veröffentlichen, und da bin ich mit meiner Methode recht schnell an meine Grenzen gestoßen, weil die natürlich ein Interesse daran haben, möglichst schnell und aktuell zu sein. Dadurch nahm das schon fast den Charakter einer Pflichtarbeit an, während mir die oben beschriebene Methode durch und durch Spaß macht. Es liegt wohl einfach in meiner Natur, gedanklich eine Weile auf einem Thema „herumzukauen“.