ZSSD/Interim | Review: Lockwood & Co.

„I don’t know what kind of so-called agency this is, but as far as I can see, it’s about as prestigious as a couple of pathetic schoolboys playing agents before their parents get home.“

Worum geht es?

Vor fünfzig Jahren erschütterte ein Ereignis die Welt, das es Menschen unmöglich machte, die Existenz von Geistern als bloßen Aberglauben abzutun. Plötzlich waren sie sehr real, wenngleich auch nur von Minderjährigen wirklich sicht-, spür- oder hörbar. Heimgesuchte Häuser wurden plötzlich zu Todesfallen, denn eine Berührung der Geister reichte aus, um Menschen das Leben zu nehmen.
Nachdem sich die erste Verwirrung und Panik legte, ging man dazu über, sie zu kategorisieren: Typ 1: harmlose und leicht zu bekämpfende Geister, Typ 2: aggressivere und schwerer zu bekämpfende Geister – und dann gab es noch den ominösen Typ 3, mit dem man angeblich sogar kommunizieren konnte. Diese These wurde jedoch nur ein einziges Mal bestätigt; von keiner geringeren als der Vorreiterin der Geisterjäger, Marissa Fittes, die auch viele Jahre später noch als Idol angesehen und verehrt wird.
Einmal vorspulen in die Gegenwart der Serie, in der der Teenager Lucy Carlyle ihre Fähigkeit, Geister zu hören, für eine Agentur einsetzt. Regelrecht dorthin verkauft von ihrer eigenen Mutter, bemüht sie sich, bei jedem Einsatz ihre Angst zu überwinden. Bis einer davon aus dem Ruder läuft, ihr gesamtes Team getötet wird und ihre beste Freundin Norrie dabei durch den Angriff der Geister in eine Art Dauerkoma fällt.
Desillusioniert über den von offizieller Seite vertuschten Zwischenfall, verlässt sie ihre alte Agentur, um sich den gemeinsamen Wunsch von ihr und Norrie zu erfüllen und in London mindestens so berühmt zu werden wie die von ihr idealisierte Marissa Fittes.

Doch ohne offizielle Empfehlung oder Erlaubnis ihrer Mutter kann sie nur in einer kleinen, unorthodoxen Agentur Fuß fassen: Lockwood & Co., einem Zwei-Mann-Team aus dem selbstherrlichen, reichen Bürschchen Anthony Lockwood und dem soziophoben George Karim, der für die Geister-Recherchen und das Kochen zuständig ist.
Lucy ist erst wenig begeistert von den eigenwilligen Mitbewohnern, genießen sie doch wenig Ansehen in der Geisterjäger-Community. Zusätzlich geplagt von Selbstzweifeln und ihrem stärker werdenden Talent, Geister zu hören und sehen, muss sie ihre Nische finden – und nebenbei aggressive Erscheinungen im Zaum halten. Und natürlich ihre aufkeimenden Gefühle für Lockwood einordnen, was als Teenager sowieso nicht leicht ist.

Wie ist es?

Ich würde hier kein Review lassen, wäre ich nicht wirklich angetan von der Serie. Dazu muss ich erwähnen, dass ich generell kein Fan von Teenager-Serien bin, und daher Stranger Things und Locke & Key noch keine Beachtung geschenkt habe. Vielleicht hatte ich deshalb noch ein „Interesse-Eckchen“ für das inzwischen gut gefüllte Seriengenre frei und konnte Lockwood & Co. eine Chance gegeben. Vielleicht aber auch, weil ich schon die Bartimäus-Trilogie von Lockwood-Autor Jonathan Stroud wirklich gerne mochte. Gelesen habe ich die Buchvorlage zur Serie (noch) nicht, und war daher sehr unvoreingenommen. Die Änderung von George Cubbins zu George Karim – vermutlich der vergleichsweise recht milde Versuch, die Vorlage zu diversifizieren – ist mir deshalb nicht aufgefallen.
Was mir wirklich gefallen hat, war die Art der Darstellung der Teenager. Sie leben in einer Welt, in der sie sehr schnell erwachsen werden müssen, da nur sie die Fähigkeit haben, Geister zu sehen. Die grauenvolle Aufgabe des Jagens und Exorzierens obliegt daher ihnen, wenngleich nicht selten mit tödlichem Ausgang. Ebenso wird thematisiert, wie einst ambitionierte Geisterjäger damit umgehen müssen, ihre Fähigkeit mit zunehmendem Alter zu verlieren – zu wissen, dass sie von Geistern umgeben sind, aber nichts mehr dagegen tun zu können.
Die Jugendlichen werden sehr erwachsen portraitiert, doch die verwirrende erste Liebe bleibt trotz der wenig romantischen Alltagssituation eben auch nicht aus. Das Team von Lockwood & Co. kämpft also nicht nur mit Geistern, sondern auch mit ihren ganz persönlichen Dämonen. Das, und die immer inniger werdende Freundschaft der Drei ist wirklich schön mitanzusehen, ohne ins allzu Teenie-Mäßige abzudriften. Ähnliche Serien, wie zum Beispiel Fate – The Winx Saga, schaffen diesen Spagat weitaus weniger gekonnt.

Was kommt danach?

Das Schicksal einer zweiten Staffel liegt wie so oft in Netflix‘ Händen. Man kann hoffen, dass hohe Bewertungen (89-94% Zustimmung auf Rotten Tomatoes zum Zeitpunkt dieses Reviews) zu ihren Gunsten wirken, aber wirklich sicher sein kann man sich bekannterweise nie. Ich würde es vehement begrüßen.
Und in der Zwischenzeit gebe ich der fünfteiligen Jugendbuchreihe mal eine Chance.

(Nachtrag vom 12.05.2023: Netflix hat die Serie inzwischen abgebrochen.)