Zeit ist natürlich das, wovon wir alle am wenigsten haben. Heißt es. Wir hetzen durch die Vierzigstundenwoche, ärgern uns über jede Minute, die wir zu viel an der Supermarktkasse anstehen müssen, und schieben die E-Mail der besten Freundin, die schon seit zwei Wochen auf Beantwortung wartet, ein weiteres Mal vor uns her. Und dann ist da wieder so ein Sonntag, an dem wir um sechs aufwachen und nicht mehr einschlafen können, weil unser Gehirn gar nicht mehr anders kann als all die Dinge durchzugehen, die wir an dem einen Tag in der Woche erledigen wollen, an dem wir Zeit haben. Dann wälzen wir uns vielleicht noch eine Stunde unruhig hin und her und stehen schließlich doch auf, nur um nach dem Frühstück festzustellen, dass uns jeglicher Antrieb fehlt und wir vielleicht doch lieber ein paar Stunden vorm Fernseher verbringen. Nächstes Wochenende ist schließlich wieder Wochenende, sagte einst der große Weise Homer Simpson, und vielleicht klappt es ja dann.
Manchmal sehne ich mich nach meiner Kindheit, als Zeit noch ein abstraktes Konzept war, mit dem sich nur die Erwachsenen beschäftigen mussten. Woher kommt das, dass der Mangel an Zeit exponentiell zur vielbeschworenen Arbeitserleichterung zu steigen scheint? Sollten nicht längst Roboter für uns arbeiten? Hat uns die Science-Fiction angelogen? Das Schizophrene an der Zeit ist, dass sie uns umso schneller durch die Finger rinnt, je mehr wir uns bemühen, sie bis zur letzten Minute auszukosten. Da führen wir gewissenhaft Kalender, um immer mehr in unseren Tag zu quetschen, geraten aber sofort ins Rudern, wenn die Bahn fünf Minuten Verspätung hat. Klar ist es befriedigend, Aufgaben abzuhaken, aber kann das wirklich Sinn und Zweck eines Menschenlebens sein? Du willst noch leben irgendwann, doch wenn nicht heute, wann denn dann, sangen Wolfsheim vor fast zwanzig Jahren. Damals ein Hit, gelernt haben wir daraus nichts.
Manchmal allerdings, wenn man sich nicht unter Druck setzt und einfach nur den Moment genießt, scheint er sich bis ins Unendliche zu dehnen. Stephen Hawking hätte dazu bestimmt einiges zu sagen gehabt. Und auch wenn es angesichts ellenlanger To-do-Listen, Staubflocken auf dem Regal oder der neuesten Hitserie bei Netflix häufig schwerfällt: Nichts ist erholsamer, als einfach nur auf dem Balkon zu sitzen und den Hummeln dabei zuzuschauen, wie sie ihre Köpfe in Blüten stecken. Denn Zeit ist am Ende das Wertvollste, was wir besitzen.