„You’ve been talking a lot about second chances. Well, my friend, welcome to the very end of the road not taken.“
Im All öffnet sich eine mysteriöse Anomalie, durch die eine Botschaft kommt, die sich explizit an Picard richtet. Spoiler!
The problem isn’t time, it’s you
Anderthalb Jahre sind seit den Geschehnissen in der Coppelius Station vergangen. Picard kümmert sich wieder um sein Weingut auf der Erde, während Soji und die anderen Androiden eine Kennenlern-Tour durch die Galaxis machen. Rios hat einen Posten bei der Sternenflotte bekommen und kommandiert die neue Stargazer, das erste Schiff, das Technologie aus dem Borg-Artefakt nutzt. Dabei stößt er auf eine gewaltige Anomalie, die nur eine Bitte überträgt: „Help us, Picard.“ Der Admiral wird zur Stargazer gebracht, woraufhin ein Schiff der Borg aus der Anomalie auftaucht und seine Königin für „Verhandlungen“ schickt.
Viele spannende Ansätze
Ist es seltsam, dass ich auch zum Start der zweiten Runde fürchtete, dass sich das Ganze als furchtbar herausstellen würde? Vielleicht, weil ich die erste Staffel „Star Trek: Picard“ trotz ihrer Fehler wirklich mochte, vielleicht, weil „Star Trek: Discovery“ gerade zum größten Schwachsinn mutiert. Doch „The Star Gazer“ ist zu großen Teilen sehr gelungen, die erste halbe Stunde vergeht wie im Flug und wirft viele interessante Fragen auf, die in dieser Staffel eine Rolle spielen werden. Nur könnte bitte, bitte endlich mal jemand den Serienmachern sagen, dass sie aufhören sollen, eine Szene vom Ende der Folge als „cold open“ zu nutzen?
„We often refer to space as the final frontier. But the older I get, the more I’ve come to believe that the true final frontier is time. In command, as in life, what we do in crisis often weighs upon us less heavily than what we wish we had done. What could have been. Time offers many opportunities but it rarely offers second chances.“
Alte Fehler und zweite Chancen
Das Wiedersehen mit Q war nach dem Trailer keine Überraschung mehr, und ich will ehrlich sein, er ist der einzige Grund, warum ich derzeit noch etwas verhalten bin. Q war niemals eine Lieblingsfigur von mir, tatsächlich fand ich ihn nach einer gewissen Zeit einfach nur noch nervig. Aber selbst ich will nicht das Potenzial seiner Rückkehr leugnen, zumal man sich hier offenbar auf zwei der besseren Storys stützen will. Das ist zum einen die Pilotfolge von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“, in der Picard damals stellvertretend für die Verbrechen der Menschheit vor Gericht gestellt wurde. Zum anderen scheint auch „Tapestry“ referenziert zu werden, eine Folge, in der Picard von Q die Chance bekam, einen vermeintlichen Fehler seiner Vergangenheit zu korrigieren, und dadurch erkennt, dass es gerade die Fehler sind, die ihn geformt haben.
Es geht um zweite Chancen, und das in mehr als einer Hinsicht. Denn nach der Zerstörung der Stargazer findet sich Picard am Ende der Folge offenbar in einem Paralleluniversum wieder, in dem einiges anders gelaufen ist. Nicht nur für ihn persönlich, sondern auch militärisch, wie die abweichenden Uniformen und Badges andeuten. Da Q erklärt, dass das eben erwähnte Gerichtsverfahren nie mit einem Urteil endete, vermute ich, dass es Picards Aufgabe sein wird, in die Vergangenheit dieses Universums zu springen. Womöglich soll er durch die Richtigstellung der Dinge beweisen, dass die Menschheit wirklich so lernfähig und gut ist, wie er damals behauptet hat.
Pflicht oder Liebe?
Wie schon gesagt, zweite Chancen tauchen in dieser Folge an vielerlei Stellen auf. Da ist beispielsweise Picards Liebesleben, das faktisch nie existent war, weil er sich immer mit seiner Pflicht gegenüber der Sternenflotte herausgeredet hat. Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob ich wirklich sehen will, wie sich Picard verliebt (auch wenn die Szene mit Laris vermuten lässt, dass es darauf hinauslaufen wird). Aber wir erhalten auch Einblicke in seine Kindheit, und vielleicht sind es ja gerade die Streitereien seiner Eltern, die ihn immer vor einer engen Bindung haben zurückschrecken lassen. Diese psychologische Komponente könnte wiederum ganz interessant sein.
Was den Rest der bekannten Figuren angeht, hängt der Haussegen wohl bei vielen schief. Raffi und Seven, zwischen denen sich im letzten Staffelfinale eine Beziehung schon andeutete, sind zwar zusammen, verbringen für Raffis Geschmack aber zu wenig Zeit miteinander. Ein anderer Reviewer formulierte so schön, sie stecken in der „Es ist kompliziert“-Phase. Jurati, die sich wider Erwarten doch für den Mord an Maddox verantworten musste, hat sich derweil von Rios getrennt. Ich wage aber die Prognose, dass das nicht von Dauer sein wird, zweite Chancen und so.
Rios: „What am I looking at?“
Lieutenant: „Spatial anomaly, captain. Minor tachyon levels but nothing critical. For the moment, it appears stable.“
Jurati: „The fabric of space-time rending does not really shout stability.“
Die neuen und verbesserten Borg
Bleiben noch die Borg, deren Part in der Story bisher am nebulösesten ist. Wo kam dieses Schiff her? Aus einer anderen Dimension? Aus derselben, in der Picard jetzt gelandet ist? Sie kannten ihn offensichtlich, und die Königin zitiert sogar das „look up“ seiner Mutter, was sich allerdings auch mit seiner früheren Assimilation erklären ließe. Wir wissen auch, dass die Borg in „unserer“ Dimension nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, während diese Borg ausgesprochen mächtig wirken. Und darf ich sagen, wie genial ich das Aussehen der Königin finde? Diese komplett verhüllte Gestalt ist so viel einschüchternder als die zusammengestückelte Frau, die wir sonst immer hatten.
An dieser Stelle möchte ich kurz meine TheorieTM vorstellen. (Ich weiß, schon nach der ersten Folge der Staffel, ich bin selber schockiert!) Die schlaglichtartigen Szenen bei der Rückblende zu Picards Mutter waren so aus dem Zusammenhang gerissen, dass ich sie anfangs gar nicht für voll nehmen wollte. Doch was, wenn dieser Rückblick gar nicht in unserer Dimension spielte, sondern in der, in der Picard jetzt ist? Was, wenn wir da sehen, wie seine Mutter von den Borg entführt wird? Wahrscheinlich wird sich am Ende eine andere Erklärung finden, weil diese einfach zu offensichtlich ist, aber mein erster Gedanke beim „look up“ der Königin war, dass sie Picards assimilierte Mutter ist. Das würde auch erklären, warum sie ganz gezielt nach ihm fragt.
So aufregend all diese Spekulationen auch sind, empfand ich diesen Plot dennoch als den schwächsten der Folge. Alles, was auf der Stargazer passiert, bevor sie in die Luft fliegt, ist das reinste Chaos. Die eine Hälfte der Crew steht sprichwörtlich mit offenem Mund da, während die andere Hälfte wild um sich schießt. Und warum löst eigentlich Picard die Selbststörung aus? Soweit ich das verstanden habe, ist er in rein formeller Funktion dort, quasi als Botschafter. Müsste also nicht eigentlich Rios als Captain des Schiffes den Befehl geben?
The Notes Gazer
• Elnor ist jetzt Kadett an der Sternenflotten-Akademie, allerdings weiß ich nicht recht, wie das in seine Charakterentwicklung passt.
• Rios darf auf der Brücke Zigarre rauchen?! Was ist nur aus der Sternenflotte geworden?
• Seven ist weiterhin bei den Fenris-Rangern und fliegt jetzt die La Sirena. Rios’ Hologramme hat sie zu einem einzigen vereint (Emmet), das ausschließlich Spanisch spricht und sie therapieren will. Mein Highlight der Folge.
3 ½ von 5 Bananen, die zu den Sternen aufblicken.
Ach ja, Q. Ist bei mir ja schon etwas her, aber ich fand die Figur streckenweise doch sehr amüsant. Vor allem wenn Q so richtig unter doppelten Dampf und in voller Fahrt voraus…, aber ja, mehr Liebe für Q. Und natürlich auch für die Borg. Die sind ja nun wieder da in alter beziehungsweise neuer Frische.😈
Beim Trailer zur zweiten Staffel, da hatte ich tatsächlich so etwas wie einen schwachen Moment wo ich mir dachte: Mensch, das wäre doch jetzt wirklich interessant.
StarTrek vor allem TheNextGeneration und auch DeepSpaceNine ist und war etwas was ich immer mochte. Aber wie gesagt, meine Fernseh, Film und Serienzeit die ist nun doch schon so lange vorbei und ich kann und will da auch gar nicht mehr zurück. Und mich durch Wikis zu lesen immer mit dem Bewusstsein das da der Faden lange schon gerissen ist? Aber nichtsdestotrotz. Ich freue mich da immer wieder über deine Reviews. Neues aus dem (Startrek) Universum.😁
Bah, weiche von mir, ist kann Q absolut nicht ab! (Freu dich auf meine Schimpftirade morgen.) Aber für die Borg bin ich grundsätzlich zu haben, wenn die Story stimmt. 😁
Es ist übrigens interessant, dass du meinst, dass du nach so langer Zeit wahrscheinlich den Anschluss verloren hast. Denn tatsächlich habe ich speziell jetzt bei „Picard“ den Eindruck, dass da so vieles aus den anderen Serien referenziert wird, dass es Nicht-Trekkies schwer fallen dürfte, der Handlung zu folgen. Offenbar hat man den Versuch, neue Zuschauer aufzutun, mittlerweile gänzlich aufgegeben. (Als Fan freu ich mich natürlich über die vielen Easter Eggs, obwohl ich längst nicht alle entdecke. Aber es ist auch schade, dass das jetzt gewissermaßen „geschlossene Gesellschaft“ ist.)
Also, ich wusste lange nicht, wohin die Folge wollte. Zuerst läuft sie ja relativ gemächlich an und erforscht eher Picards Seelen- und Liebesleben (Guinan! Sie hat eine Bar namens „10“!) und seine Rolle als Akademie-Mäzen, wobei sein neues kybernetisches Innenleben überraschenderweise kaum erwähnt wird.
Die anderen Hauptfiguren haben sich auch verändert, Rios ist jetzt Captain – um deine Verwunderung um seine Zigarre vielleicht zu entkräften: Er hat sie gar nicht angezündet. Er spielt nur mit seinem Feuerzeug, vielleicht um die Nerven zu beruhigen. Aber im Grunde stimme ich dir zu, er führt ein ungewohnt lockeres Regiment, und auch die betrunkene Jurati kann sich einfach mal so in den Sessel des ersten Offiziers fläzen. Das hätt’s bei Picard nicht gegeben.
Was das mit der Selbstzerstörung angeht: Ganz nachzuvollziehen ist das in dem Chaos nicht, aber meine erste Erklärung wäre, dass eigentlich die Freigabe des Capitäns *und* des ersten Offizier für die Selbstzerstörung nötig sind, oder sogar zusätzlich die des Chefingenieurs? Vielleicht ist dagegen die Freigabe eines Admirals alleine schon ausreichend.
Dass die Borgkönigin irgendwie mit den Geschehnissen in Picards Vergangenheit zu tun hat, glaube ich auch.
Dass sie seine Mutter sein könnte, kommt mir derzeit noch etwas weit hergeholt vor. Würde sie dann nicht eher „Hilf uns, Jean-Luc“ übermittelt haben? Und das „Sieh hinauf“ klingt zwar erstmal nach ihr, könnte aber auch ein Zitat aus der Rede sein, die Picard kurz zuvor gehalten hat.
Falls sie es aber wirklich ist – wieso hat sie ihn nicht viel früher, zu Locutus‘ Zeiten, kontaktiert?
Aber ehrlich, das neue Borgschiff ist megalcool! Das ist die technische Evolution, die mit in Star Wars immer gefehlt hat.
Im Grunde glaub ich auch, dass viel zu offensichtlich ist, dass wir denken SOLLEN, dass unter der Rüstung der Borg-Königin Picards Mutter steckt. Trotzdem gehen mir alle zu sehr schnell über die Rückblende hinweg. Was genau haben wir da gesehen? Picards Mutter wurde irgendwie mit den Beinen voran durch eine Tür gezogen. Wurde sie entführt? Von wem? Das ist meines Wissens keine Geschichte, die wir schon kennen.
PS: Dass niemand die Selbstzerstörung bestätigen muss, kam mir auch seltsam vor. Insofern hast du vielleicht recht, Picards Rang ermöglicht es ihm wohl, sie ohne zeitraubende Rückfragen zu aktivieren.