„This has all happened before. And it will happen again.“
Fragte man mich nach den meiner Meinung nach einflussreichsten Science-Fiction-Serien aller Zeiten, stünde „Battlestar Galactica“ ziemlich weit oben. 2003 als Neuauflage der reichlich trashigen Kinoreihe „Kampfstern Galactica“ aus den 1980ern gestartet, war ich mit der deutschen Ausstrahlung etwa zwei Jahre später von Anfang an dabei. Trotz anfänglicher Vorurteile war „Battlestar Galactica“ dann für lange Zeit meine erklärte Lieblingsserie. Gut fünfzehn Jahre später habe ich sie nun erstmals wieder im Ganzen geschaut – und gemerkt, was mir in dem Genre schon seit langem fehlt.
Kosmischer Exodus
Die Rahmenhandlung der Serie ist schnell umrissen. Die Bewohner der Zwölf Kolonien von Kobol haben selbstdenkende Maschinen gebaut, die sich gegen ihre Schöpfer erhoben. Nach dem Krieg gegen die sogenannten Cylons ist es inzwischen jedoch ruhig um sie geworden. Und so wollen die Menschen vierzig Jahre nach dem letzten Kontakt das älteste Kampfschiff, die Galactica, zu einem Museum machen. Als die Cylons einen überraschenden Nuklearschlag ausführen, wird die Galactica plötzlich zur letzten Hoffnung für die Menschheit. Zusammen mit einer Zivilflotte machen sich die knapp 50.000 Überlebenden auf die Suche nach einer neuen Heimat: der Erde. Denn dort soll es laut religiöser Schriften eine dreizehnte Kolonie geben.
Das Interessante an der Geschichte ist, dass wir sie aus unterschiedlichen Perspektiven erleben. Im Vordergrund steht natürlich die Galactica und mit ihr das Militär, das die Flotte vor weiteren Angriffen schützt. Die Zivilisten wiederum sorgen unter anderem dafür, dass Treibstoff produziert und Lebensmittel verarbeitet werden. Sie halten den Laden im wahrsten Sinne des Wortes am Laufen, werden von den großen Entscheidungen aber ausgeschlossen, was hier und da auch für Unmut sorgt.
Die Präsidentin erhält ihren Posten, weil sie die einzige Überlebende des Parlaments ist, und muss ihre Rolle erst noch finden. Gerade zu Beginn kommt es dadurch oft zu Missstimmung zwischen ihr und dem Admiral des Kampfsterns. Denn, und das ist durchaus nicht unwichtig: „Battlestar Galactica“ zeigt keine Militärdiktatur. Sicher, es gibt taktische Entscheidungen, bei denen die Präsidentin letztendlich wenig mitreden kann. Das letzte Wort hat in der Regel aber sie, denn für sie geht es um das Wohl der gesamten Menschheit. Das wichtigste Symbol ihrer Regentschaft ist nicht umsonst ein Whiteboard mit der aktuellen Zahl der Überlebenden.
Adama: „What do you hear, Starbuck?“
Starbuck: „Nothing but the rain.“
Eine Serie über Charaktere
Soweit der bloße Inhalt der Serie, die im Verlauf von einer Miniserie, vier Staffeln und zwei Fernsehfilmen natürlich weitaus mehr Facetten offenbart. Es wäre eine grobe Fehleinschätzung, anzunehmen, dass es in „Battlestar Galactica“ um den Krieg gegen die Cylons geht. Es geht um nichts Geringeres als das Menschsein. Die Crew wächst zusammen, muss aber auch lernen, mit Verlusten, zunehmender Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit umzugehen. Gleichzeitig geht das Leben natürlich auch irgendwie weiter; Leute verlieben sich, es werden Kinder geboren, Leute trennen sich.
„Battlestar Galactica“ ist im besten Sinne Science-Fiction für Erwachsene. Denn es gibt zwar auch hier die schneidigen jungen Piloten, die gerne mal nur im Handtuch bekleidet durch die Unisex-Waschräume spazieren, aber anders als in heutigen Genreproduktionen stehen sie nicht im Vordergrund. Mittelpunkt und Ruhepol des Ganzen ist der gestandene Admiral Adama, gespielt von Charakterkopf Edward James Olmos. Es ist vor allem seine Präsenz, die der Serie die Ernsthaftigkeit eines Dramas verleiht. Er ist ein Kriegsveteran und strahlt väterliche Autorität aus, muss aber professionelle Distanz wahren – auch wenn ihm das zunehmend schwer fällt. Die Präsidentin auf der anderen Seite wird von Mary McDonnell dargestellt und bringt ebenfalls eine gewisse Lebenserfahrung mit. Vor allem später in der Serie von ihrer Krebserkrankung gezeichnet, ist sie jemand, der einerseits sehr rational handelt und andererseits stark im Religiösen verwurzelt ist. Gerade diese Widersprüche sind es, die die Figuren real und greifbar machen.
Wollte man der Serie wie einem Produkt einen USP, also ein einzigartiges Verkaufsargument attestieren, so wäre es genau das: die Figurenzeichnung. Science-Fiction verliert sich allzu oft in abenteuerlichen Plots und hochtrabenden Metaphern, wenn einen nicht gerade die schlechten Alienkostüme ablenken. In „Battlestar Galactica“ dagegen sind die Figuren Dreh- und Angelpunkt von allem. Der kriecherische Wissenschaftler ebenso wie die verkorkste Starpilotin, der alkoholabhängige XO wie auch der völlig überarbeitete Chief auf dem Flugdeck. Wir lernen sie mit der Zeit alle gut kennen und verstehen. Und sie sind es auch, die die Geschichte vorantreiben statt von ihr vor sich her getrieben zu werden. In der nur dreizehn Folgen umfassenden ersten Staffel wird nicht nur die Grundidee mitsamt Mythologie, eigener Religion und politischem System vorgestellt. Wir lernen auch die etwa zehn Leute aus dem Hauptcast kennen, und zwar so, dass wir hinterher nicht nur ihre Namen wissen, sondern auch eine ungefähre Vorstellung von ihrem Charakter haben. Etwas, was „Star Trek: Discovery“ ehrlicherweise auch nach drei Staffeln nicht geschafft hat.
„When we fought the Cylons, we did it to save ourselves from extinction. But why are we as a people worth saving? We still commit murder because of greed, spite, jealousy. And we still visit all of our sins upon our children. We refuse to accept the responsibility for anything that we’ve done.“
Der Vorteil von Zeit
Tatsache ist, dass ich erst jetzt das Gefühl habe, „Battlestar Galactica“ so gesehen zu haben, wie es gedacht war. Und damit meine ich nur bedingt, dass ich sofort zur englischen Originalfassung sprang. Bei Erstausstrahlung habe ich die Serie noch im wöchentlichen Rhythmus verfolgt, mit monatelangen Pausen zwischen den Staffeln. In erzählerischer Hinsicht war „Galactica“ seiner Zeit jedoch weit voraus, da sie unendlich gewinnt, wenn man sie am Stück schauen kann, wie es heute beim Streaming üblich ist. Ich habe zwar zwischen den Staffeln auch jedes Mal einige Wochen pausiert, um die Eindrücke sacken zu lassen. Doch insgesamt habe ich das Gefühl, wesentlich mehr Nuancen mitbekommen zu haben, weil ich eben nicht schon wieder vergessen hatte, was zwei oder drei Jahre vorher passiert ist. Viele Zusammenhänge haben sich mir erst jetzt wirklich erschlossen.
Ein besonderes Schmankerl der DVD-Box war dabei, dass die Scheiben zu jeder Folge zwischen zwei und zehn Minuten geschnittener Szenen enthalten. Manchmal sind das nur Sequenzen, die ursprünglich länger waren, andere geben den Geschichten mehr Tiefe oder einen etwas anderen Dreh. Begleitend dazu kann der Fan Videoblogs, Webisodes und diverse Behind-the-Scenes-Videos schauen, die die Story, die Drehtechnik oder auch die Musik vertiefen. (Ach, allein über die Musik von Bear McCreary könnte ich stundenlang referieren. Bis heute einer der stimmigsten Soundtracks, die ich kenne.)
Letzten Endes ist das aber nur ein Sahnehäubchen für echte Fans. Die Serie ist selbsterklärend in einer Weise, die ich heute schmerzlich vermisse. Sie nimmt ihre Zuschauer ernst und lässt sie ihre Schlüsse selber ziehen, es gibt keine klare Unterscheidung zwischen Gut und Böse (denn, Spoiler, die Cylons sind nicht alle böse), und Figuren tun aus ehrenwerten Gründen die schlimmsten Dinge. Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass „Battlestar Galactica“ in einer komfortablen Position war, die die meisten Serien heute nicht mehr haben, weil sie bereits nach einer oder zwei Staffeln abgesetzt werden. Ron Moore und seine Autoren konnten ihre Geschichte so erzählen, wie sie es wollten, die Serie hat einen klaren Anfang, einen echten Mittelteil und einen runden Abschluss. Dass mit der Auflösung nicht alle einverstanden waren, steht auf einem anderen Blatt, ich für meinen Teil fand sie perfekt.
Denn: Es ist alles schon einmal geschehen.