„This world doesn’t belong to you, or the people who came before. It belongs to someone who has yet to come.“
Während Maeve ihre Flucht in Angriff nimmt und der Man in Black von Dolores endlich wissen will, wo das Zentrum des Labyrinths ist, stellt Robert dem Aufsichtsrat seine neue Storyline vor – und die beginnt mit einem Knall. Spoiler!
Der Man in Black gibt sich vor Dolores als ihr geliebter William zu erkennen und erzählt ihr, wie er zu dem Mann wurde, der er heute ist. Es kommt zum Kampf, in dessen Verlauf er Dolores tötet, die daraufhin bei Robert landet, der ihr die letzten noch offenen Fragen zu Arnold und seinem Tod beantwortet. Er hat nun nichts mehr zu verlieren, nachdem ihn der Aufsichtsrat abgewählt hat und in Rente schickt. Maeve unternimmt in der Zwischenzeit zusammen mit Hector und Armistice ihren lang geplanten Fluchtversuch.
Niemand ist sich bewusster als ich, dass diese Inhaltsangabe der Folge nicht gerecht wird und lediglich der Vollständigkeit halber dort steht. Denn was dieser Folge gelungen ist, das schaffen nur ganz wenige Serien, und es zeigt eben auch, dass es sich auszahlt, wenn man sich vorher damit auseinandersetzt, was man eigentlich erzählen möchte. Jede Folge baute auf der vorherigen auf, und bei aller Kritik an den verschiedenen gezeigten Zeitperioden, wir müssen wohl alle anerkennen, dass eine so komplexe Thematik wie die Bewusstwerdung von Robotern gar nicht anders erzählt werden kann. Es ist eben so, wie Bernard zu Maeve sagt: „Your memories are the first step to consciousness. How can you learn from your mistakes if you can’t remember them?“
Bevor ich zu den einzelnen Figuren komme, möchte ich dieses Mal aber noch etwas ausführlicher auf den Titel der Folge eingehen, da es sich lohnt, sich ein wenig mit der dahinterstehenden Theorie zu beschäftigen. Bei „The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind“ handelt es sich um das Hauptwerk des Psychologen Julian Jaynes, in dem er aufzuzeigen versucht, wie Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein entsteht. Es gibt dazu einen recht ausführlichen Artikel bei Wikipedia, dem ich nur jedem ans Herz legen kann, da die „bikamerale Psyche“ offenbar eine recht wichtige Rolle in „Westworld“ spielt. Wir sehen das, wenn Dolores am Ende schließlich bewusst wird, dass die Stimme in ihrem Kopf ihre eigene ist. Jaynes zufolge ist genau dieser Zusammenbruch zwischen ausführendem und befehlendem Geist die Voraussetzung für Bewusstsein. Dolores erkennt, dass es eben nicht Gott oder irgendeine höhere Macht ist, die ihr sagt, was sie tun soll, sondern dass sie selbst dazu in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen. Umso spannender, dass „Westworld“ dem Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ entgegensetzt und uns erzählt, dass es Arnolds Lieblingsbild war.
Wir erfahren durch Bernard, dass es im Laufe der Jahre eine Handvoll von Hosts gab, die diesen Punkt erreicht haben, dass aber die weitaus meisten darüber verrückt wurden. „Consciousness isn’t a journey upwards, but a journey inward. Not a pyramid, but a maze. Every choice could bring you closer to the center or send you spiraling to the edges to madness.“ So versucht es Arnold Dolores zu erklären, doch zu diesem Zeitpunkt versteht sie es noch nicht, genauso wenig wie der Man in Black versteht, dass das „maze“ eben kein physischer Ort ist, sondern als Metapher für die Bewusstwerdung der Hosts dient. Es ist ganz interessant, wenn man sich die Wege dieser beiden Figuren ansieht, da sie in gewisser Weise dasselbe Ziel hatten. Dolores gelingt es, über ihre Programmierung hinauszuwachsen und schließlich eigene Entscheidungen zu treffen. William jedoch hat die Suche nach dem „maze“ in den Wahnsinn getrieben, sie hat ihn weniger menschlich werden lassen.
Die Erklärung, was vor 35 Jahren passiert ist und in Arnolds Tod resultierte, war ehrlich gesagt eine Enttäuschung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wirklich daran glaubte, dass sein Tod verhindert, dass der Park jemals eröffnet wird, geschweige denn, dass die Hosts dadurch ihre Freiheit erlangen. Es war nur eine Ausrede dafür, aufzugeben. Er sagt es ja selbst, er sehnte sich danach, wieder mit seinem Sohn vereint zu sein. Im Grunde hat er die Hosts im Stich gelassen, hat sie Robert überlassen, von dem er wusste, dass er keinerlei Skrupel hat, sie auszunutzen. Roberts Motive in der Jetztzeit sind nicht so leicht zu durchschauen, zumal wir keine eindeutige Antwort darauf erhalten, ob die „reveries“ nun ein Überbleibsel von Arnolds Programmierung waren oder tatsächlich von ihm stammten.
Auch von Maeves Geschichte fehlen uns noch einige entscheidende Puzzleteile, nachdem wir nun wissen, dass ihr gesamter Fluchtplan programmiert war und eben nicht auf eigenen Entscheidungen basierte. Das erklärt zwar rückwirkend, wieso sie immer völlig ungehindert im Park herumspazieren konnte, ohne dass es irgendjemandem verdächtig vorkam, doch heißt das im Umkehrschluss, sie hat kein Bewusstsein erlangt? Ich sage doch. Gewiss, ihre Story war vorgeschrieben, mutmaßlich von Robert, der bei seinem Abtritt maximalen Schaden anrichten wollte, aber ich denke, ohne es zu wissen, hat ihr am Ende Felix den entscheidenden Stoß gegeben. Er gibt ihr beim Abschied diesen Zettel mit dem Aufenthaltsort ihrer „Tochter“, doch Maeve sagt, es spielt keine Rolle mehr. Aber da sind die Erinnerungen, dieselben, die laut Bernard der Schlüssel zur Bewusstwerdung sind, und so ist es meines Erachtens ihre ureigene Entscheidung, die Bahn wieder zu verlassen und nach dem Mädchen zu suchen.
Obwohl wir (noch?) keine Antwort darauf erhalten, wo sich der Park befindet, erfahren wir hier ganz am Rande dann immerhin aber, dass er mehr als nur einen gibt. Bei ihrer Flucht führt Felix Maeve, Hector und Armistice hinter die Kulissen von „Samuraiworld“, komplett mit eigenem Logo. Es ist kaum vorstellbar, wie gewaltig dieses Unternehmen sein muss, und fürs erste bleibt es auch unserer Fantasie überlassen, wie viele Themenparks es wirklich gibt (und ob Robert für alle verantwortlich war). Vor allem aber eröffnet das eine völlig neue Dimension, denn die Hosts sind damit wohl eindeutig in der Überzahl, wenn sie sich nur erst einmal organisieren.
These violent delights have violent ends. Das vermaledeite Foto, mit dem alles angefangen hat, ist William tatsächlich einfach nur aus der Tasche gefallen, als er auf der Suche nach Dolores war. Was ist eigentlich mit Logan passiert, nachdem ihn William nackig auf einem Pferd festgebunden ausgesetzt hat? War es nicht großartig zu sehen, wie viel Spaß Armistice und Hector an den Maschinengewehren haben? Keine Spur von Stubbs oder Elsie. Die ganze Wyatt-Storyline finde ich nach wie vor verwirrend, denn die muss ja echt uralt sein, wenn Arnold sie benutzen konnte, um Dolores alle Hosts töten zu lassen. PS: Unbedingt bis nach dem Abspann dranbleiben!
Normalerweise nutze ich das Finale dazu, noch ein paar abschließende Worte über die Staffel zu verlieren, doch um ehrlich zu sein, sie fehlen mir. Ich habe den Film „Westworld“ irgendwann als Teenager gesehen und fand ihn damals nicht so wahnsinnig toll. Erst in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch „Battlestar Galactica“ oder auch herausragende Filme wie „Ex Machina“, bin ich an die Thematik herangeführt worden. „Westworld“ geht sogar noch einen Schritt weiter, denn die Serie fragt nicht, können Roboter Bewusstsein erlangen? Das wird vorausgesetzt, die Frage lautet, wie gehen wir als Menschen damit um? Alle diejenigen, die sich über holprige Erzählweisen oder komplizierte Erzählebenen beklagen, sollten sich vielleicht einmal klar machen, wie komplex die Thematik ist, und mit welcher Eleganz sich „Westworld“ ihr in nur zehn Folgen angenähert hat. Sicher wurde bisher nur an der Oberfläche gekratzt, doch das war zu erwarten, und Denkansätze hat die Serie mehr als genug geliefert. Meine Erwartungen jedenfalls wurden bei weitem übertroffen, und ich kann gar nicht genug betonen, wie sehr ich mich auf die zweite Staffel und weitere Herausforderungen für mein Gehirn freue.
5 von 5 Bananen mit Zwei-Kammer-Geist.