“My characters surprise me constantly. My characters are like my friends – I can give them advice, but they don’t have to take it. If your characters are real, then they surprise you, just like real people.” (Laurell K. Hamilton)
Die Aussage, dass die Figuren einer Geschichte ein Eigenleben haben, geht uns Autoren zuweilen sehr leicht über die Lippen. Doch was bedeutet das eigentlich? Und muss man sich als Leser deswegen Sorgen machen?
Bei mir treten neue Figuren recht unspektakulär ins Leben. Am Anfang steht meistens nicht mehr als ein Name und eine Funktion, d.h. ich habe bereits einen Plot und plane ziemlich pragmatisch Figuren, die dazu passen und in der Lage sind, die Handlung nicht nur zu tragen, sondern auch voranzutreiben. Soweit die Theorie, manchmal erweist sich eine solche Figur aber auch als zu schwach oder – was fast noch schlimmer ist – als zu stark. Das Gleichgewicht zwischen Figur und Plot ist überraschend fragil, wenn man es recht bedenkt. Setzt in Gedanken in euren Lieblingsroman mal eine beliebige andere Figur aus einem Buch ein und ihr werdet merken, wie fatal sich das auswirkt.
Hier sind wir aber tatsächlich an einem kritischen Punkt angelangt, den vermutlich kein Autor so richtig erklären kann. Figurenentwicklung ist keine Wissenschaft, die nach festen Regeln funktioniert und immer zum Erfolg führt. Es ist bei weitem nicht damit getan, Charaktereigenschaften anzuhäufen und ihnen einen wohlklingenden Namen zu geben. Die Figur selbst scheint zu entscheiden, ob und wie sie leben möchte. Bei mir entwickeln sich viele Figuren im Verlauf der Handlung häufig in eine gänzlich andere Richtung als geplant. Und einen guten Autoren macht es aus, dass er lieber die Handlung anpasst als einem Charakter Verhaltensweisen aufzuzwingen, die nicht zu ihm passen. Figuren haben Geheimnisse, entwickeln seltsame Marotten oder schließen ungewöhnliche Freundschaften. Eben ganz so wie echte Menschen.
Ich denke, ein Leser merkt sehr genau, wie eng die Beziehung eines Autors zu seinen Figuren ist, und das ist es letztendlich, was eine gute Story ausmacht. Selbst Figuren, die in einer Geschichte keine wichtige Rolle spielen, sind einer Evolution unterworfen und erleben alles mit, manchmal vielleicht aus einer ganz anderen Perspektive als die Helden. Es kann also ganz spannend sein, ihnen auch mal zuzuhören.
Aktueller Stand: Kapitel 6
Gesamtlänge: 114 Normseiten (+ 11 Seiten)