Der deutschen Ausstrahlungspolitik zum Trotz war es mir möglich, mir das Staffelfinale von „Elementary“ zu Gemüte zu führen, und das gleich in Filmlänge (und zur Abwechslung im englischen Original). So wappnet euch denn für eine haarscharfe Analyse der „Frau“ und seid diesmal ganz besonders gewarnt vor Spoilern!
Sherlock und Watson finden Irene Adler, doch sie ist nicht die Frau, die Sherlock kannte. Sie wurde eingesperrt, ihr Wille gebrochen. Sherlock beschließt, sich ausschließlich um sie zu kümmern und den Fall Moriarty Watson zu überlassen, die seiner Meinung nach mittlerweile mehr als fähig ist. Mehrere Spuren führen ins Nichts, doch die Nachforschungen schrecken einen von Moriartys Männern auf, der daraufhin versucht, Sherlock zu töten. Der vermutet inzwischen, dass Irene mit Moriarty zusammenarbeitet, und weigert sich deshalb, mit ihr abzuhauen. Irene sieht keine andere Möglichkeit mehr und eröffnet Sherlock, dass sie selbst Moriarty ist und ihn eigentlich nur studieren wollte.
Das war es also, das mit Spannung erwartete Finale, und ich muss sagen, ich weiß nicht, wie ich es bewerten soll. Ich habe die zwei Folgen im Zusammenschnitt in Filmlänge gesehen, und das Problem ist, dass es am Ende doch zwei Folgen waren und man den Schnitt ziemlich deutlich gemerkt hat. Während also die erste Stunde eigentlich kein Krimi war, sondern exzellent gespieltes Charakterdrama mit gänzlich anderem Tempo als sonst in der Serie (und ich regelrecht am Bildschirm geklebt habe), kehrte die zweite Hälfte ins übliche Schema zurück und ließ mich eher gelangweilt zurück.
Ich denke, was man „Elementary“ zugutehalten muss, ist die Tatsache, dass sie versucht haben, in Sachen Irene und Moriarty einen komplett neuen Weg zu gehen. Und es ist ein origineller. Denn aus den Flashbacks wird eines ja deutlich: Was als Studium von Holmes in seiner natürlichen Umgebung begann, ist am Ende Liebe geworden. Irene ist zwar Moriarty geblieben, aber ein Teil von ihr war bereit, diese zweite Identität aufrecht zu erhalten, um bei ihm zu sein. Selbst als es Irene schon nicht mehr gab, wollte sie noch mit ihm wegrennen und irgendwo zusammen glücklich werden. Und das ist insofern eine spannende Wendung, weil Sherlock in bisher allen Verfilmungen eine intensive Beziehung zu Moriarty hatte. Moriarty ist immer mehr als der Bösewicht, die beiden sind, wie die BBC es recht schön gezeigt hat, zwei Seiten derselben Münze. Einen Schritt weiter zu gehen und daraus Liebe zu machen, ist mutig und auf jeden Fall gelungen.
Wen man gar nicht genug loben kann, ist Natalie Dormer. Sie hat sich als perfektes Casting herausgestellt, weil sie eine Figur spielt, die wiederum drei verschiedene Personen spielt, und das mit einer Leichtigkeit, die verblüfft. Die Irene in den Flashbacks ist eine starke, unabhängige Frau, die sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst ist und sich nicht scheut, gleich beim ersten Treffen offensiv mit Sherlock zu flirten. Und mehr will sie auch gar nicht, es ist Sherlocks Hartnäckigkeit zu verdanken, dass aus einem Sex-Marathon, wie er es nennt, eine Beziehung wird. Dann ist da die scheinbar entführte Irene, die völlig apathisch ist, leise und klammernd. Es gibt diese famose Szene, in der sie fernsieht, während Sherlock im Türrahmen steht und sie beobachtet, als versuche er, diese Frau mit der in Einklang zu bringen, die er kannte. Schließlich Moriarty, eine skrupellose Mörderin, die Sherlock nur kennenlernen wollte, weil er einige ihrer Plots durchkreuzt hat. Diese Persönlichkeit zeigt sich am besten in dem Gespräch mit Watson, als sie wissen will, was Sherlock bloß an ihr findet, dass er mit ihr zusammenarbeitet. Das ist keine Eifersucht, die wäre Irene vorbehalten, das ist fachliche Neugier, denn auch sie erkennt, dass Sherlock ein ebenbürtiger Gegner ist. (Ich sollte hinzufügen, dass auch Jonny Lee Miller in den gemeinsamen Szenen großartig ist, das ist nun mal britisches Schauspielen, das ist im Vergleich zum amerikanischen ziemlich intensiv.)
Wie gesagt, der Fall war uninteressant, und ich werde auch nicht darauf eingehen. Die Moriarty/Irene-Geschichte war ein kleines Meisterwerk, wenngleich mangelhaft ausgeführt. Zudem weiß ich nicht, was ich davon halten soll, dass Watson Moriarty am Ende entschlüsselt und sie deshalb gefasst werden kann. Das geht in meinen Augen irgendwie nicht, Sherlocks Nemesis darf nicht im Gefängnis sitzen.
The Notes. Ich fand es interessant, dass Sherlock es sogar attraktiv findet, dass Irene eine leicht kriminelle Ader besitzt und ein Gemälde „gestohlen“ hat. Noch immer frage ich mich, wie Moriarty Irenes Abgang bewerkstelligt hat. Die Blutlache war ziemlich groß, und ich nehme stark an, dass sie damals per DNS bestätigt haben, dass es ihr Blut war. Das fehlende Muttermal war ein amüsanter Einfall, aber doch etwas konstruiert, um Irene zu überführen. Ich mag, dass der Titel der zweiten Folge sowohl auf Sherlocks Heroinsucht anspielt als auch auf die Tatsache, dass Watson zur Heldin wird. Ausgerechnet Moriarty sagt „my dear Watson“, war das nicht typischerweise ein Sherlock zugeschriebener Satz? Oh, und er benennt eine neue Bienenzüchtung nach Watson.
Was nun die Serie an sich angeht, bin ich unentschlossen. Die Staffel war ein einziges Auf und Ab, und letzten Endes waren die Reviews auch mehr der Tatsache geschuldet, dass es um Sherlock Holmes geht, nicht dem Krimigenre, mit dem ich ganz offensichtlich auf Kriegsfuß stehe. Ich werde der zweiten Staffel auf jeden Fall eine Chance geben, aber meine Reviews hiermit beenden, denn Morde und Raubüberfälle zu analysieren, liegt mir einfach nicht. Aber ich möchte versöhnlich enden, „Elementary“ ist keine schlechte Serie, sie hat sich von ihren Vorbildern freigeschwommen. Dennoch wird erst die nächste Staffel zeigen, ob es nicht ein Fehler war, den Moriarty-Plot so früh aufzulösen, denn nun ist die Gefahr groß, ein reines Procedural zu werden.
4 ½ von 5 Bananen, die eigentlich Moriarty sind.
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