„What is a person but a collection of choices? Where do those choices come from? Do I have a choice? Were any of these choices ever truly mine to begin with?“
William und Emily sprechen sich aus, Dolores trifft auf die Ghost Nation, und Robert Ford gibt Maeve ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg. Spoiler!
You are, in your very essence, a lie
Während Emily darauf wartet, dass sie und ihr Vater vom Parkpersonal abgeholt werden, haben die beiden Zeit, sich alter Zeiten zu erinnern. Vor allem möchte Emily endlich erfahren, warum ihre Mutter damals an gerade diesem Abend Selbstmord begangen hat. Anderswo im Park treffen unterdessen Dolores und die Ghost Nation aufeinander, was in einer Schießerei endet, aus der Dolores siegreich hervorgeht, bevor sie ihren treuesten Anhänger Teddy endgültig verliert.
Philosophie für Fortgeschrittene und Davongelaufene
Ist „Westworld“ schlicht so genial, dass der normale menschliche Verstand vor der Serie kapituliert, oder sind hier am Ende doch nur Geheimnisse in Geheimnissen versteckt und von schönen Panoramaaufnahmen überpinselt? Es fällt immer schwerer, die eigentliche Aussage hinter der Serie zu greifen. War die erste Hälfte der Staffel noch sehr plotlastig und steckte voller teilweise unnötiger Wendungen und Finten, werden wir nun übermäßig philosophisch, ohne jedoch klar zu machen, worüber denn nun überhaupt. Geht es um Unsterblichkeit? Um das Wesen der Realität? Darum, wie Charakter geformt wird? Um alles zusammen? Nichts davon? Es könnte sich als gewaltiger Bumerang erweisen, dass sich die zweite Staffel offenbar sämtliche Antworten und Aha-Momente fürs Finale aufsparen will.
„No one else sees it, this thing in me. Even I didn’t see it at first. Then one day it was there. A stain I never noticed before, a tiny flip of darkness invisible to everyone, but I could see nothing else til finally, I realized the darkness wasn’t a mark from something I’d done or a regrettable decision I’d made. I was shedding my skin. The darkness is what was underneath. It was mine all along. And I decided how much of it I let into the world. I tried to do right. I was faithful, generous, kind; at least in this world. That has to count for something. I built a wall and tried to protect you and Emily. But you saw right through it, didn’t you. You’re the only one. And for that I am truly sorry. Because everything you feel is true. I don’t belong to you or this world. I belong to another world. I always have.“
William hat den Bezug zur Realität verloren
Nun also William. Der Man in Black. Eine Person, die beide Extreme verkörpert und die Reise als Held begann, nur um sie als Bösewicht abzuschließen. Oder vielmehr als gebrochene Seele, die sich weder der Echtheit der Welt um sich herum, noch der Natur des eigenen Wesens sicher ist. Mein Problem mit dem Charakter ist, dass vieles von dem, was wir in dieser Staffel über ihn erfahren haben, absolut redundant ist. Wir erfahren nichts Neues mehr über ihn, egal wie viele Flashbacks uns die Serie zeigt – er ist ein alter Bastard, der nach außen hin den irgendwie schüchternen Emporkömmling spielt, im Herzen aber ein Gamer ist, dessen Leidenschaft an Sucht grenzt. Der in letzter Instanz eine innigere Beziehung zu den Hosts im Park hat als zu seiner eigenen Familie.
Entsprechend wenig Erklärung liefern die Rückblicke, warum genau seine Frau sich nun eigentlich umgebracht hat. Sicher, die Kamera badet in jenem dramatischen Moment, als Juliet die Aufzeichnungen Fords über William sieht, aber mal ganz im Ernst, das soll alles gewesen sein, was sie kippen lässt? Wie ihr Alkoholproblem recht gut dokumentiert, war sie sich auch vorher schon im Klaren darüber, was für ein Arschloch sie geheiratet hat. Inwiefern haben die paar Bilder das jetzt noch deutlicher gemacht? Alles in allem ist der logische Zusammenhang all dessen absoluter Humbug.
Viel effektiver ist da die Beziehung zwischen William und Emily. Obwohl ich erstaunt war, dass der Bruch zwischen ihnen offenbar deutlich später passiert ist, als ich bislang angenommen hatte, bricht es einem doch das Herz, wie verzweifelt sie versucht, zum letzten Rest Menschlichkeit in ihm durchzudringen. Als Autorin gehört der Augenblick, wenn Kinder erkennen, dass ihre Eltern auch nur Menschen sind, zu den spannendsten überhaupt. Gleichzeitig verlieren wir nie den Glauben daran, dass die Eltern immer für einen da sein werden. Dass es biologisch unmöglich ist, dass sie einen nicht lieben. Das Problem mit William ist, dass er nicht erkennt, dass es darum geht, weil er sich im Ränkespiel von Robert Ford verloren hat und überall nur noch Fallen sieht. Die kalte Präzision, mit der er Emily erschießt – in der festen Überzeugung, dass sie gar nichts anderes als ein Host sein kann – ist der einzig aussagekräftige Moment dieser Folge.
„When was the last time you took a look at your creation and what it has been learning about its subjects? It was self-knowledge that drew you to the park in the first place. Be careful what you wish for. For a self-portrait, you may find it’s not very flattering.“
Väter und Töchter
Und weil „Westworld“ natürlich versucht, sein Thema der Woche über sämtliche Kanäle zu spielen, erfahren wir in „Vanishing Point“ auch, dass Robert Ford in Maeve die Tochter sieht, die er nie hatte. Hu? Also, ich muss gestehen, das kam ziemlich überraschend, denn ich hatte in der ersten Staffel nicht gerade den Eindruck, dass er sie in irgendeiner Weise bevorzugt hat. Aber gut, lassen wir das mal so stehen, im größeren Zusammenhang ist das durchaus stimmig. Wo Arnold einen Narren an Dolores gefressen hatte, seiner unschuldigen Farmerstochter, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, konnte sich ein Mann wie Ford zweifellos mehr mit der abgeklärten und gewitzten Maeve identifizieren. Bittere Ironie ist allerdings, dass Ford seiner Ziehtochter die Kraft (und wohl auch das nötige Handwerkszeug) gibt, damit sie sich befreien und weiterleben kann, während William seine echte Tochter mal eben über den Haufen schießt.
Was Ford dieser Tage sonst so im Schilde führt, ist schwerer zu ermitteln. Als sich Bernard schließlich doch gegen ihn auflehnt, unternimmt er einen bestenfalls als schwach zu bezeichnenden Versuch, ihn davon abzuhalten, ihn aus seinem Kopf zu löschen. Aber war das am Ende vielleicht sogar der Plan? Der letzte Stoß, den Bernard brauchte, um unabhängig zu handeln? Ohnehin halte ich es für fraglich, dass er ihn wirklich gelöscht hat. Wieso sollte Ford so einen Aufwand betreiben, seinen Geist zu bewahren, wenn er eigentlich nur will, dass sich Bernard gegen ihn wendet? Ich vermute, er ist lediglich tiefer ins Bernards Kopf abgetaucht oder existiert jetzt in Maeve weiter.
„I tried to chart a path for you to force you to escape, but I was wrong. I should have just opened a door. You’ve come so far, and there’s so much of your story left to tell.“
Ein Sieg mit Folgen
Bei Dolores schließt sich derweil der Kreis, denn als sie gegen die Ghost Nation kämpft, erschießt sie auch jenen Krieger, dessen Erinnerung Karl Strand und Co. schon in der ersten Folge der Staffel gesehen haben. Der Kampf selbst kam mir ein bisschen uninspiriert vor, zumal für mich nicht eindeutig daraus hervorging, ob die Ghost Nation nun besiegt wurde oder sich einfach einen anderen Weg sucht. Denn nachdem die letzte Folge den Fokus so sehr auf sie gelegt hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass ihre Geschichte damit bereits auserzählt ist.
Und dann wäre da natürlich noch Teddy. Vermutlich sollte seine Entscheidung, lieber Selbstmord zu begehen als mit seiner veränderten Persönlichkeit weiterzuleben, einen ähnlichen Schockeffekt haben wie Emilys Tod, ist dann aber doch nur ein leiser Nachklang. Teddy hatte von Anfang an zu wenig Zeit, um uns als Charakter ans Herz zu wachsen oder eine sinnige Wandlung durchzumachen, und im Grunde bleibt nur mehr die Erkenntnis, dass die Figur völlig verschenkt wurde. Zumal ich nicht glaube, dass das jetzt noch irgendetwas an Dolores‘ Plan ändert.
These violent Delights have violent Ends
• Ach ja, Charlotte Hale sehen wir auch kurz. Sie nutzt den Code von Maeve, um Clementine zum Killerkommando gegen Hosts zu machen. Ach, Clementine, dein Schicksal ist auch eine Schmach.
• Die Daten der Gäste werden über die Hüte gesammelt?! Das ist eindeutig die albernste Idee, die die Serie bisher hatte. Tragen überhaupt alle Gäste einen?
• Es gibt ja schon länger diese Theorie, dass William selbst ein Host ist, was er nunmehr auch selbst zu glauben scheint. Aber wenn ihr mich fragt, würde das seinen gesamten Arc bis hierher ad absurdum führen und ergäbe an viel zu vielen Enden keinen Sinn.
3 von 5 Bananen ohne Vatergefühle.