„If you’re looking forward, you’re looking in the wrong direction.“
Das Vorhaben, James Delos im Körper eines Hosts unsterblich zu machen, schlägt mehrfach fehl. In der Vergangenheit finden Bernard und Elsie derweil heraus, dass er nicht der einzige Mensch ist, der in einen Host transferiert werden sollte. Spoiler!
Is this now?
William versucht, die Host-Technologie dazu zu nutzen, seinem Schwiegervater James Delos quasi zur Untersterblichkeit zu verhelfen. Doch Versuch auf Versuch schlägt fehl, weil Delos‘ Geist über kurz oder lang die Realität seiner neuer Existenz abstößt. Im Park, wenige Tage nach dem Aufstand, findet Bernard in einer Höhle Elsie, die behauptet, von ihm dort angekettet worden zu sein. Er erinnert sich an ein weiteres Labor, das hier versteckt ist, wo sie den letzten Delos-Host finden, aber auch Hinweise darauf, dass noch ein Mensch in einen Host hochgeladen werden sollte.
Der Mensch ist nicht für die Unsterblichkeit geschaffen
Es scheinen Welten zwischen dieser und der vorherigen Folge „Virtù e Fortuna“ zu liegen. Wo letztere unter zu vielen Plots litt, die vorangetrieben werden mussten, tritt „The Riddle of the Phoenix“ spürbar einen Schritt zurück und erzählt seine Geschichte in ungewöhnlich ruhigem, geradezu bedächtigen Tempo. Und es ist nur angemessen, widmen wir uns hier doch dem großen Thema Untersterblichkeit. „You live only as long as the last person who remembers you“, sagt ein Vertreter der Ghost Nation an einer Stelle, und das ist eine so universelle Weisheit, dass wir im Alltag praktisch nie darüber nachdenken. Nicht umsonst sprechen wir im Zusammenhang mit großen Künstlern häufig von Unsterblichkeit, weil ihre Werke über ihr eigenes Leben hinaus erinnert werden. Aber ist es für einen Menschen möglich – oder überhaupt erstrebenswert – ewig zu leben, wenn sich die Welt um ihn herum stetig verändert und die ihn begleitenden Personen irgendwann aus seinem Leben treten?
Es wird an keiner Stelle klar gesagt, was genau Host-Delos in den Wahnsinn treibt. William erklärt: „Your mind reject reality, rejects yourself.“ Auffällig ist zwar, dass sein Abstieg anscheinend immer erst dann beginnt, wenn William ihn über die aktuellen Familienverhältnisse aufklärt, doch welche Rolle die Tatsache spielt, dass hier ein menschlicher Geist in einem künstlichen Körper steckt, bleibt offen. Das ist ein Thema für die Philosophen und kann wohl niemals erschöpfend diskutiert werden, man sollte sich aber bewusst machen, dass es hier nicht darum geht, eine Kopie von Delos zu machen, also einen Ist-Zustand zu erhalten. Seine Persönlichkeit soll konserviert werden – inklusive der dem Menschen inhärenten Fähigkeit, sich ständig weiterzuentwickeln. Es ist quasi die Antithese zu dem, was den Hosts widerfährt, wenn sie Bewusstsein erlangen: Während es für sie eine Öffnung nach außen bedeutet, ein neues Verständnis für ihre Lage, ist es für Delos ein Gefängnis, das sich Stück für Stück um ihn schließt.
„I’m beginning to think, this whole enterprise was a mistake. No one is meant to live forever.“
Für wen ist das zweite Kontrollmodul?
Auch für das weitere Fortkommen der Serie ist das ein interessanter Aspekt. Ich ging bisher sehr blauäugig davon aus, dass es kein Problem darstellt, Kopien von Menschen anzufertigen, und das die Richtung ist, die hier eingeschlagen wird. Das ist, was Science-Fiction normalerweise macht. Aber „Westworld“ stellt an sich selbst den Anspruch, eine zumindest theoretisch mögliche Zukunft zu zeigen, und da stellen die oben beschriebenen Einschränkungen ein klares Hindernis dar. Bedeutet das das Ende meiner Theorie, dass Gäste gegen Hosts ausgetauscht wurden? Nicht zwangsläufig, es heißt zunächst einmal nur, dass sie sich ihrer Natur nicht bewusst sind. Nicht bewusst sein können. Sollte die „Waffe“ tatsächlich darauf abzielen, solche Hosts in der Außenwelt zu aktivieren, könnte das schwerwiegende Folgen haben.
Hinzu kommt, dass Bernard sich daran erinnert, dass er von Ford den Auftrag bekommen hat, ein weiteres „control module“ für jemanden herzustellen – nicht jedoch, für wen. Die naheliegende Antwort ist natürlich, für Ford selbst. Wen sonst sollte er unsterblich machen wollen? Selbst von Arnold hat er lediglich eine in letzter Konsequenz sehr mangelhafte Kopie erstellt, und soweit wir wissen, war das die Person, die ihm am nächsten stand.
Die Problematik des unzuverlässigen Erzählers
Elsie wiederzusehen, war auf jeden Fall eine schöne (wenngleich im Vorfeld bereits gespoilerte) Überraschung. Nichtsdestotrotz bleibt anzumerken, dass ihre Geschichte einigermaßen holprig erzählt wurde. Da ich „Westworld“ gerne mit einem Roman vergleiche, ist das gleichbedeutend damit, dass eine Figur nach der Hälfte des ersten Bands ohne jede Erklärung verschwindet (und niemand ernsthaft nach ihr sucht), nur um dann im zweiten Band plötzlich wieder aufzutauchen. Hallo, ich lebe noch! Die zeitlichen Dimensionen bleiben dabei ebenso rätselhaft, denn dafür, dass sie (mutmaßlich) ein bis zwei Wochen dort in der Höhle angekettet war, sieht sie erstaunlich gut aus. (Das erinnert mich ein bisschen an die Shampoo-Debatte damals bei „Lost“.)
Das einmal beiseite gelassen, ist es gut, dass sie wieder Teil der Handlung ist und mit ihrem scharfen Verstand und ihrer abgeklärten Art ein paar der dringlichsten Probleme löst. Beispielsweise Bernard und seine Erinnerungssprünge. Sie kann ihn zwar mithilfe von „cortical fluid“ stabilisieren, doch sein Gedächtnis ist noch immer reichlich durchgeschüttelt, was in dieser Folge auch visuell großartig umgesetzt wurde. Aber eine in der Literatur unzuverlässiger Erzähler genannte Bezugsperson zu haben, ist natürlich auch eine sehr billige Methode, den Zuschauer über die wahren Geschehnisse im Unklaren zu lassen, wenn nicht gar aktiv auf falsche Fährten zu locken. Und in dem Fall heißt das, dass wir Bernard mutmaßlich in drei oder mehr Zeitebenen erleben, die wir aufgrund fehlender Informationen nicht zuverlässig einordnen können.
Man in Black: „You think death favors you, that it brought you back. But death’s decisions are final. It’s only the living are inconstant, they waver, don’t know who they are or what they want. Death is always true. You haven’t known a true thing in all your life. You think you know death, but you don’t.“
Major Craddock: „Is that so?“
Man in Black: „You didn’t recognize him sittin‘ across from you this whole time.“
Familienbande
Major Craddock läuft derweil dem Man in Black in die Arme, der ihm eine Zusammenarbeit anbietet, was in einem psychologischen Kräftemessen resultiert. Obwohl ich die Sequenzen in Lawrences Heimatort großartig erzählt und sogar visuell ansprechend fand, werde ich in diesem Leben wohl kein Fan solcher typischen Western-Szenarien mehr. Interessant ist jedoch, wie sich hier schleichend ein Wandel im Man in Black vollzieht (auch wenn Ford, als er durch die Tochter von Lawrence mit ihm spricht, das Gegenteil behauptet). Seit wir ihn kennengelernt haben, hat er in den Hosts nie mehr als Maschinen gesehen. Selbst als Dolores kurz davor war, sich ihrer bewusst zu werden, war er nicht in der Lage, sie als Person wahrzunehmen. Und doch rettet er am Ende Lawrence und seine Familie. Kann es sein, dass er plötzlich das Bedürfnis verspürt, der Held statt der Bösewicht der Geschichte zu sein?
Und keine Minute zu früh, denn wie es aussieht, schließt sich seine Tochter seinem kleinen Trupp nach Glory an. Ich muss gestehen, im Fall Emily bin ich in eine Review-Falle getreten. Als wir ihr in „Virtè e Fortuna“ erstmals begegnet sind, hatte ich bereits den Verdacht, dass sie Williams Tochter sein könnte, weil ihr abgeklärtes Verhältnis zum Park und ihr umfangreiches Wissen über seine Mechaniken einfach kein Zufall sein konnten. Außerdem habe ich den Fehler begangen, unhinterfragt den Namen Grace zu übernehmen, weil andere Reviewer ihn auch verwendet haben, tatsächlich wird er in der Folge aber nie genannt. Nachdem „Westworld“ in der Vergangenheit oft etliche Folgen gebraucht hat, um derlei Rätsel aufzulösen, dachte ich mir, ich habe noch reichlich Zeit, meine Theorie ein andermal auszuformulieren. Nun allerdings wird mir vermutlich keiner mehr glauben, dass ich diese Wendung vorhergesehen habe, das sollte mir eine Lehre sein.
These violent Delights have violent Ends
• Keine Dolores diesmal. Was sagt es wohl aus, dass ich sie nicht eine Minute lang vermisst habe? Maeve indes schon.
• Ich habe die Ghost Nation immer vernachlässigt, weil sie außerhalb der eigentlichen Story zu stehen schienen. Auch das rächt sich nun, da sie offenbar eine wichtigere Rolle spielen.
• Die „Wohnung“ von Host-Delos war ja hübsch anzusehen und das Bild, wie sie in Flammen aufgeht, auch sehr eindrucksvoll – aber wollen die uns ernsthaft weismachen, dass sie das 148-mal durchgezogen haben?
5 von 5 schlecht kopierten Bananen.