Das Semantiquariat | Worte zum Sonntag

Mademoiselle chante le Blues
Ich gebe zu, ich habe gewisse Hemmungen, mich als Feministin zu bezeichnen. Nicht etwa, weil ich soziale und gesetzliche Gleichheit nicht auch ganz fantastisch fände, sondern weil jene Frauen, die sich in der Öffentlichkeit als Feministinnen darstellen, nichts tun, um das Leben von Frauen tatsächlich zu verbessern. Worin sie gut sind, sind Wortklaubereien. Über das unsägliche -innen, das jeden Wortfluss zuverlässig in einen tropfenden Wasserhahn verwandelt, kann ich mich, wenn ich in Stimmung bin, stundenlang echauffieren. Heute aber möchte ich den Verlust eines der schönsten Worte der französischen Sprache betrauern: die Mademoiselle.

Ehrlich gesagt hielt ich die Meldung zunächst für einen Scherz. Ab sofort gibt es in offiziellen Formularen in Frankreich nur noch die Optionen „Madame“ und „Monsieur“. Begründung: Die Bezeichnung „Mademoiselle“ für eine unverheiratete Frau sei diskriminierend. In Deutschland wird dieser Schritt natürlich gefeiert, schließlich darf man hierzulande schon seit über 40 Jahren nicht mehr „Fräulein“ sagen. Für mich unverständlich, denn spricht mich jemand mit Frau Soundso an, denke ich immer, meine Mutter sei gemeint. Tatsächlich hielt ich „Fräulein“ immer für ein ausgesprochen hübsches Wort, das eher Wertschätzung ausdrückt, nicht umsonst wird es häufig fast unbewusst in der Ansprache durch ein „junge Frau“ ersetzt.

Im Falle der „Mademoiselle“ haben die Feministinnen zudem aber auch einen eklatanten Mangel an Geschichtswissen bewiesen. Weil die Kirche einst was gegen Frauen auf der Bühne hatte und sie als Konsequenz häufig exkommunizierte, setzten viele Schauspielerinnen damals demonstrativ ein „Mademoiselle“ vor ihren Namen. Sie kokettierten damit, dass sie nicht mehr in der Kirche heiraten konnten, indem sie sich selbst zu ewig unverheirateten Damen erklärten. So gesehen war „Mademoiselle“ keine Beleidigung oder Diskriminierung, sondern Zeichen des Protests gegen ein von Männern dominiertes System. Coco Chanel mochte es zum Beispiel überhaupt nicht, wenn man sie „Madame“ nannte, und noch heute verbitten sich viele französische Schauspielerinnen diese Anrede.

Am Ende ist das alles nur eine Frage des persönlichen Selbstwertgefühls. Wer sich gekränkt fühlt, weil er als „Fräulein“ bezeichnet wird, definiert sich offenbar selbst über seinen Familienstand. Überhaupt ist die ganze Angelegenheit mehr als undurchsichtig, denn wenn das Wort doch angeblich so diskriminierend ist, wieso durfte man dann vor ein paar Jahren noch ungestraft vom „Fräuleinwunder“ sprechen, wenn es um junge Autorinnen ging? Ist es nicht viel eher beleidigend, dass man jungen Frauen generell die Fähigkeit abspricht, ein gutes Buch zu schreiben? Am Ende sind eben alles nur Worte.