The Good, the Bad and the Ugly | Die Psychologie des Bösewichts

Monster, Dämonen, genmanipulierte Tiere, fehlgeleitete Zauberer, Gestaltwandler. Die Welt der Science-Fiction und Fantasy hat mittlerweile so ziemlich alles erlebt, was sich ein kreatives Hirn nur ausdenken kann. Vor allem aber hat sich der Fernsehzuschauer so sehr daran gewöhnt, mit immer neuen vermeintlich unbesiegbaren Gegnern konfrontiert zu werden, dass ihn eigentlich schon nichts mehr schrecken kann. Ein neuer ultimativer Bösewicht betritt die Bühne? Kennen wir doch schon, der Held wird ihn schon besiegen. Warum ziehen uns diese Prototypen dennoch magisch an?

Die Wenigsten von uns machen im Alltag die Bekanntschaft eines ultimativen Bösewichts, einer Nemesis gar. Realität, das ist etwas, das sich durch Komplexität auszeichnet, durch viele komplizierte Graustufen, in die das abgrundtief Böse nicht hineinpasst. Da ist die intrigante Nachbarin, die gleichzeitig eine liebende Ehefrau ist. Der fiese Vorgesetzte, der daheim mit seinen Kindern Monopoly spielt. Die Kommilitonin, die den Dozenten mit ihrem Charme um den Finger wickelt, während sie daheim den kranken Großvater pflegen muss. Der Mensch ist kein einseitiges Wesen, wir sind uns dessen nur allzu bewusst, dass es keine guten oder bösen Menschen gibt, dennoch beziehen zahlreiche phantastische Filme ihren Reiz aus genau dieser unrealistischen Schwarz-Weiß-Malerei.

In den ersten Lebensjahren denken wir in klar voneinander abgegrenzten Kategorien. Das ist auch dringend nötig, denn täglich strömen viel zu viele Informationen auf uns ein, und genau das macht das Phänomen erklärbar, warum uns Bösewichter wie auch Heldentypen so sehr anziehen. Wer erinnert sich nicht an seine Kindergarten- oder Grundschulzeit, als die bösen anderen Kinder mit Spielzeug auf einen eingekloppt haben oder einem die beste Freundin von heute auf morgen ohne Grund die kalte Schulter zeigte? In diesem Alter sind wir noch nicht in der Lage, das psychologisch zu deuten oder als Facette einer Persönlichkeit zu verstehen, wir urteilen unsere Mitmenschen ganz schlicht als gut oder böse ab. Das ist einfach, übersichtlich, beruhigend. Etwas, was wir später suchen, wenn uns bewusst wird, dass das Leben weitaus komplizierter ist als es im Kindergarten schien, und dass wir auch mit Menschen auskommen müssen, die wir nicht mögen. Science-Fiction ist so betrachtet nichts anderes als die Flucht in altbewährte Kindheitsschemata, in eine Zeit, als alles noch viel einfacher war.

Eines der besten Beispiele dafür ist „Star Wars“. Als ich die Filme mit etwa elf Jahren zum ersten Mal sah, war das genau die Zeit, als ich begann, mich damit auseinanderzusetzen, wie die Gesellschaft funktioniert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mich die Filme auch deshalb so sehr beeindruckten, weil sie mir vorgaukelten, was ich gerade zu vergessen lernte, dass es nämlich Helden und Bösewichter gäbe, die man leicht voneinander unterscheiden kann. Man kann George Lucas nicht gerade Subtilität unterstellen, was auch der Grund dafür sein mag, warum einem manche Stellen der Originaltrilogie heute ganz furchtbar banal vorkommen, aber er war immerhin konsequent. Darth Vader war nicht einfach nur ein weiterer beliebiger Bösewicht, er verkörperte das Böse geradezu, er ist so sehr von Hass zerfressen, dass er keine menschlichen Züge mehr hat. Vor allem aber trägt er Schwarz. Die Helden in „Star Wars“ tragen ausnahmslos Weiß, sie sind ordentlich gekleidet und haben einen anständigen Haarschnitt. Für Kinder ist das eine leicht verständliche Botschaft.

Faszinierend daran ist, dass „Star Wars“ von vielen geliebt wird, auch und gerade von Erwachsenen, denen man nicht unterstellen würde, dass sie noch daran glauben, dass es eindeutig gute und eindeutig böse Menschen gibt. Vielleicht ist es ein komisches Argument, ausgerechnet jetzt mit Realismus zu kommen, wir sprechen hier schließlich über Science-Fiction, aber ich denke, unser Verstand kann schon ganz gut auf sich selbst aufpassen. Wir sind in der Lage, die unglaublichsten Dinge als völlig normal hinzunehmen, wenn gewisse Regeln beachtet werden. Dann soll es eben den skrupellosen Erzfeind geben, und dann soll der Held eben ein Mann ohne Fehl und Tadel sein und umwerfend gut aussehen, aber bitte … bitte, wenn er jetzt auch noch das Mädchen kriegt, dann ist es vorbei. Han Solo ist es, der am Ende Leia küsst, Luke Skywalker ist einfach nur ein Held. Ihr versteht das Prinzip.

Schwarz-Weiß-Malerei finden wir bis heute in praktisch allen bedeutenden Werken der Science-Fiction und Fantasy, man denke an „Herr der Ringe“, „Matrix“ oder „Avatar“. Was tatsächlich selten geworden ist in der schnelllebigen Filmwelt, das sind differenzierte Charaktere. Differenzierte Bösewichte, um präzise zu sein, denn auch wenn sich das Kind in mir hin und wieder nach den einfachen Mustern von früher sehnt – es gibt doch eigentlich nichts Besseres als einen richtig guten Bösewicht!