Musikgeschichten #13

Genesis
The Lamb lies down on Broadway
1974

Wie vermutlich der Großteil aller Menschen hielt ich Genesis sehr lange für eine Band, die Phil Collins gegründet hat, um uns alle mit kitschigen Schmusesongs zu quälen. Ich hab Genesis ehrlich gesagt nie wirklich für voll genommen. Das änderte sich schlagartig, als ich meine (zunächst heimliche) Liebe für Peter Gabriels Stimme entdeckte und im Zuge dessen natürlich alles hören wollte, was er je gemacht hat. Danke, Internet.

Tatsächlich fängt die Geschichte sogar ein klein wenig anders an, aber ihr werdet mich auslachen, wenn ich sie so erzähle, wie sie wirklich passiert ist. Als ich also Fan von Peter Gabriel wurde, las ich alles, was ich in die Finger kriegen konnte, und stieß so sehr schnell auf einige absurde Webseiten, weil Peter Gabriel selber ein sehr absurder Mensch ist. (Habt ihr nicht gewusst, oder?) Dort stolperte ich dann immer wieder über den Satz „blame it on Phil“ als Entschuldigung für praktisch alles, und über diesen Umweg erfuhr ich dann, dass Genesis eine Gründung von Peter Gabriel war, in der Phil Collins anfangs nur als Schlagzeuger fungierte. Bis Gabriel ausstieg, um solo zu arbeiten, was Collins auf komische Ideen brachte.

Wie gesagt, ich kannte bis dahin nur das Genesis von Phil Collins, und wenn man eines mit Gewissheit sagen kann, dann, dass das rein gar nichts mit der Band zu tun hat, die Peter Gabriel gegründet hat. Der Stil hat sich mit dem Machtwechsel vollständig gewandelt, Collins machte Genesis radiotauglich und kommerziell. Davor war die Band ein Paradiesvogel gewesen, eine Formation mit künstlerischem Anspruch, sehr experimentell und eigentlich nur einer kleinen Gruppe von Verrückten ein Begriff. Das wird heute nicht anders sein, denn hört man sich die frühen Alben an, so fällt vor allem eines auf: Sie sind schwer zugänglich. Nur wenige Songs gehen sofort ins Ohr, und darunter findet sich dann der eine, den eigentlich jeder kennt: „Carpet Crawlers“.

Und damit komme ich endlich zu „The Lamb lies down on Broadway“, Höhepunkt und Ende der Ära Gabriel bei Genesis. Offiziell gilt es als Konzeptalbum, doch schaut man sich das Spektakel an, das bei Konzerten inszeniert wurde, liegt man wohl nicht ganz falsch, wenn man es als Musical oder sogar Oper bezeichnet. Auch wenn man der Geschichte nicht aktiv folgt, strahlt das Album eine Geschlossenheit aus, die die Vorgänger nicht hatten, einen musikalischen roten Faden. Ich bin kein Experte in Sachen Genesis, ich kenne vielleicht drei Alben und mag eigentlich nur dieses, aber mir hat es irgendwie was gebracht, Gabriels Vorgeschichte zu kennen.

Übrigens, unter Genesis-Fans ist die Meinung wohl verpönt, weil sie Phil Collins nun mal verehren, aber ich persönlich mochte das Album „Calling all Stations“ sehr. Ray Wilson klang wieder mehr nach Peter Gabriel, und hätte man dem Versuch ein bisschen mehr Zeit gegeben, hätte daraus durchaus eine interessante Neuerfindung der Band werden können. (Wie gesagt, blame it on Phil!)