Interview with the Vampire | I could not prevent it (2×07)

„It’s not a trial. It’s a stoning.“

Santiago inszeniert am Theater eine öffentliche Gerichtsverhandlung gegen Louis und Claudia – mit Lestat als Ankläger. Spoiler!

It’s their turn to hurt

Louis erzählt Daniel vom Gerichtsverfahren des Covens gegen ihn und Claudia – verpackt als öffentliches Theaterstück mit festgeschriebenem Skript. Der Ankläger: Lestat de Lioncourt. Er erzählt dem Publikum die Geschichte ihrer Beziehung, nicht unbedingt aus seiner Sicht, obgleich er immer wieder vom Drehbuch abweicht und echte Gefühle zeigt. Als sie zu Claudias Verwandlung in einen Vampir kommen, gesteht Louis Daniel, dass er ihm auch bei diesem Interview eine geschönte Version davon geschildert hat. Als die „Verhandlung“ zu ihrem Ende kommt, steht das Urteil bereits fest, die Strafe aber soll das Publikum wählen.

Ein Highlight in jeder Hinsicht

Ach, nur das vielleicht beste Gerichtsdrama, das ich je im Leben gesehen habe? Im Ernst, diese Folge ist dicht dran an der absoluten Perfektion, genau deswegen schaue und reviewe ich Serien. Nichtsdestotrotz bin ich fast ein wenig überwältigt und entschuldige mich im Voraus dafür, dass ich wahrscheinlich viel zu viel und das auch noch inkohärent schreiben werde. „I could not prevent it“ hat so wahnsinnig viel Fleisch auf den Knochen, dass ich sicher nicht auf alles eingehen kann, selbst wenn ich wollte.

Daniel: „Sacks come off. You’re characters in a play.“
Louis: „Props. Props in a play.“

Wer hat wirklich die Kontrolle?

Ich glaube, die zentrale Frage hinter allem lautet: Wer zieht hier eigentlich die Strippen? Die Folge will uns zweifellos glauben machen, dass es Santiago ist, der sich hier auch ganz offiziell als Anführer des Covens bezeichnet. Doch scheint ihm die Sache nicht mehrmals fast zu entgleiten? Also ist es Lestat, der – ganz die theatralische Diva – die Bühne nutzt, um Rache zu üben? Auch das ist denkbar, er bestimmt zu einem großen Teil das Narrativ und widerspricht immer wieder der vom Skript vorgegebenen Darstellung. Aber scheint nicht auch er einigermaßen hilflos, als es zur Urteilsverkündung kommt?

Ich muss gestehen, es fällt mir schwer, Armand hinter allem zu sehen, weil er sich erfolgreich selbst als Opfer inszeniert. Nur wissen wir inzwischen, dass wir Louis’ Erinnerungen nicht in allem trauen können und uns hier folglich ganz auf Armands Aussage verlassen müssen. Aber wie glaubwürdig ist es, dass sich ein so alter und mächtiger Vampir von Artgenossen übertölpeln lässt, die ihm klar unterlegen sind? Irgendwas ist da noch, irgendeine wichtige Information, die uns vorenthalten wird. Ich bin auch keineswegs überzeugt, dass wirklich er es war, der Louis’ Todesurteil verhindert hat.

Eine weitere Variante der Ereignisse

Was mich zu Lestat und einigen der bitteren Wahrheiten bringt, die seine Aussage ans Licht fördert. Zugegeben, bei vielem ist anzunehmen, dass es absichtlich verdreht wurde, um Louis’ Schuld zu untermauern. Ich bin mir der Ironie durchaus bewusst, dass ich seit langem nach Lestats Version schreie und wir stattdessen nun die von Santiago (beziehungsweise Autor Sam) kriegen. Aber ob nun Lestat Louis verführt hat oder umgekehrt, spielt im Kontext der Ereignisse eigentlich keine Rolle.

Entscheidender ist, wie stark Lestats Schilderung von Claudias Verwandlung von dem abweicht, was Louis erzählt hat. Nicht im Ergebnis, das ist wichtig festzuhalten, es ist und bleibt Lestat, der sie verwandelt. Doch was Louis unterschlagen hat, ist, dass Lestat ihn eindringlich davor gewarnt hat, ein Kind zum Vampir zu machen. Er wollte das nicht, und das, was er sagt, klingt auch beileibe nicht so zynisch wie in Louis’ Version, sondern erstaunlich vernünftig. Am Ende wird Lestat schwach, weil Louis ihn regelrecht anbettelt und verspricht, dass er ihn nie wieder verlassen wird.

Weitere Abweichungen gibt es bei dem großen Kampf, an dessen Ende Lestat Louis aus zwei Kilometer Höhe fallen ließ. Auch hier, nicht im Ergebnis, und Lestat zeigt aufrichtige Reue, dass er damals die Kontrolle verloren hat. Aber: Im Gegensatz zu Louis’ Erzählung musste Lestat ebenfalls ganz schön einstecken und bat mehrmals darum, dass er sich beruhigt. Ob Louis allerdings wirklich gedroht hat, ihn zu töten, und das mit diesem manischen Lachen, nun, das darf zumindest bezweifelt werden.

„I did it to hurt him. And it did hurt him. And afterwards he was a broken thing. I know, I saw, because I am the one who broke him! I couldn’t persuade him to return my affections. I couldn’t force him to love me and so I broke him. What is worse than that? Crushing what you cannot own?“

Claudias tragisches Ende

Abseits des Beziehungsdramas um Louis und Lestat ist Claudia einmal mehr das fünfte Rad am Wagen. „You didn’t come here for me“ resigniert sie schließlich, nachdem sie das ganze Verfahren über vergeblich versucht hat, etwas zu ihrer Verteidigung vorzubringen. Sie ist wahrscheinlich die tragischste Figur in dem ganzen Spiel, Madeleine ist ja wenigstens so weggetreten, dass sie das meiste nicht mitbekommt. Aber Claudia war immer nur Verfügungsmasse für andere, erst ein (wie Daniel sie einmal nannte) Pflaster für eine gescheiterte Ehe, dann eine Last für Louis’ neue Beziehung.

Madeleine ist die Einzige, die Claudia jemals um ihrer selbst willen geliebt hat, und man kann ihre Charakterstärke nur bewundern. Sie hätte einfach Santiagos Angebot annehmen können, Claudia gibt ihr sogar zu verstehen, dass sie es tun soll, um wenigstens sich selbst zu retten. Aber Madeleine wollte die Ewigkeit immer nur für Claudia, und so ist es für sie nur konsequent, mit ihr in den Tod zu gehen. Keine Worte können das Bild beschreiben, als Claudia sie in einer Umkehr der Rollen wie eine Mutter umarmt, als sie zuerst im Sonnenlicht stirbt.

Der stärkste Moment der Folge aber ist, als Claudia beginnt, das Lied zu singen, für das das Publikum sie einst geliebt hat. Und in ihrem letzten Augenblick dreht sie sich zu Lestat, schaut ihm direkt in die Augen, bis auch sie zu Staub zerfällt. Lestats Gesichtsausdruck spiegelt in diesem Moment so viele Gefühle wider, wahrscheinlich wird ihm erst jetzt bewusst, was er getan hat. Dass er sein eigenes Kind geopfert hat. Und wofür?

Armands Rolle bleibt unklar

Und nun? Auch wenn die Serie mittlerweile in vielen Punkten von der Romanvorlage abweicht, ist der generelle Kurs doch immer der gleiche geblieben. Außerdem wissen wir durch Daniels unvorsichtige Frage bereits von dem Brand im Theater, an den sich Louis nicht zu erinnern schien. Durch Eingreifen von Armand (offiziell, ich selbst bleibe skeptisch!) wurde Louis nicht sofort getötet, sondern in einen mit Steinen gefüllten Sarg gesteckt, damit er elendig verhungert.

Armands Schicksal wurde übrigens explizit ausgespart. Laut ihm war er selbst Opfer, zwar nicht angeklagt, aber jedenfalls nicht in der Position, Louis zu befreien. Was also ist passiert? Die werden ihn nach dieser Inszenierung ja nicht einfach haben gehen lassen, insbesondere Santiago scheint mir nicht der Typ zu sein, der seine Feinde am Leben lässt. Die Vermutung liegt nahe, dass Lestat hier noch irgendwo eine Rolle spielt.

I could not prevent the Notes

• Die Inszenierung in dieser Folge ist einfach meisterhaft. Wie Louis aufgeregt widerspricht „that’s not how it happened“ und dann zum Interview geschnitten wird, wo er ganz ruhig gesteht „it is how it happened“ … meisterhaft, es gibt kein besseres Wort.
• Interessantes Detail, dass Santiago, kurz bevor Claudia und Madeleine sterben, zum Publikum sagt: „What you are about to see is fake. Remember that when you leave here today.“ Exakt das Gegenteil von dem, was er sonst immer vor jeder Vorstellung gesagt hat.
• Und falls ich es noch extra sagen muss: Delainey Hayles hat jegliche Erwartungen weit übertroffen. Sie war eine tolle Wahl für die Rolle von Claudia.
• Jetzt, wo wir gesehen haben, wie sie die Steine in Louis’ Sarg schütten, finde ich seinen Zen-Garten in Dubai schon ein bisschen masochistisch.

5 von 5 Bananen, die ihre Zeugenaussage improvisieren.

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