Interview with the Vampire | … After the Phantoms of your former Self (1×02)

„Embrace what you are! You are a killer, Louis!“

Louis berichtet von seinen ersten Jahren nach der Verwandlung in einen Vampir und seinen Problemen mit dem Töten. Spoiler!

Did you eat the baby?

Bei einem mehrgängigen Essen erzählt Louis Daniel, wie es ihm nach der Verwandlung in einen Vampir erging. Das Töten bereitet Louis von Anfang an Probleme – sehr zum Leidwesen von Lestat, der ein versierter Jäger ist und es genießt, mit seiner Beute zu spielen. Vor allem aber bringt es Louis nicht übers Herz, sein menschliches Leben hinter sich zu lassen. Auch Jahre nach der Verwandlung hält er den Kontakt zu seiner Familie, der die Veränderung in ihm jedoch keineswegs entgeht. Mehr und mehr erkennt Louis Lestats grausame Natur, schafft es aber nicht, sich von ihm zu emanzipieren.

Rat mal, wer zum Essen kommt

„… After the Phantoms of your former Self“ hat einen äußerst interessanten Aufbau, der uns womöglich mehr über Louis verrät als alles, was er in dieser Folge sagt. Wieso hat er ausgerechnet ein Dinner gewählt, um Daniel vom Töten zu erzählen? Es entsteht eine vielsagende Dissonanz zwischen dem Louis der Vergangenheit, der es verabscheut, töten zu müssen, um zu überleben, und dem Louis der Gegenwart, der vor Daniel demonstrativ zuerst eine Schüssel voll Konservenblut als Vorsuppe löffelt, danach einen Sandfuchs aussaugt und anschließend noch ein paar Schlückchen von einem Bediensteten trinkt.

Louis: „Colored, white, Creole, French. Queer, half queer, mostly queer … what is it?“
Lestat: „Non-discriminating.“

Es geht immer um Sex

Am Ende ist das zentrale Element aller Vampirgeschichten das Blut und all die damit verbundenen Assoziationen. Das Aussaugen eines Menschen kann als die ultimative Intimität verstanden werden, eine kaum verhohlene Metapher für Sex. Das war immer schon Teil des Mythos, Anne Rice hat es einfach nur als Erste laut ausgesprochen. Wie unterschiedlich Lestat und Louis damit umgehen, sagt also nicht nur etwas darüber aus, wie grausam oder eben mitfühlend sie sind, sondern ist auch Zeugnis ihrer Sexualität.

Lestat nimmt sich einfach, was er will, er kennt keine Grenzen und fühlt sich wohl in seiner Haut. Für Louis hingegen war Sex stets mit Sünde und Versteckspiel verbunden, die spielerische Offenheit Lestats muss ihm also zwangsläufig anstößig erscheinen. Die Veränderungen, die sein Körper nach der Verwandlung in einen Vampir durchläuft, sind auch ein Spiegel dessen, wie sich sein Verhältnis zu seiner eigenen Sexualität verändert. Die Dinnerszene in der Gegenwart ist somit eher eine Aussage über Sex als über Essen.

Keine Beziehung auf Augenhöhe

Nichtsdestotrotz steht natürlich auch Lestats barbarische Natur zur Debatte. Er gibt sich wenig Mühe, seiner neuen Schöpfung einen sanften Start zu ermöglichen, vielmehr scheint es ihm geradezu diebische Freude zu bereiten, Louis in die Irre laufen zu sehen. Die Szene, als er ihn in seinen Sarg einlädt und mit einem Augenzwinkern bemerkt „it’s okay, you can be on top“? Kein bisschen sexy, sondern eine klare Ansage zu den Machtverhältnissen in dieser Beziehung.

Ich schrieb es schon beim letzten Mal, das wirklich Faszinierende an Lestat ist sein völliger Mangel an Menschlichkeit. In einem Nebensatz spricht er von „two centuries“, die er schon über die Erde wandelt (im Buch ist er definitiv jünger, denn da kümmert er sich noch um seinen siebzigjährigen Vater), und das wirft natürlich die Frage auf, ob diese Art Entrückung nicht unvermeidlich ist. „… After the Phantoms of your former Self“ macht viel Aufhebens darum, dass Louis seine familiären Wurzeln nicht kappen will, was vermutlich der eine wichtige Unterschied zwischen ihm und Lestat ist.

Ist Louis nur Mittel zum Zweck? Lestat spricht offen über die Einsamkeit, die das Leben als Vampir mit sich bringt. „A void stretching out for decades at a time.“ Es ist vielleicht seine einzige Angst, und eine überraschend menschliche noch dazu, wenn man es recht bedenkt. Aber warum Louis? Ist es wirklich Liebe, die sie zusammengeführt hat? Kann Lestat überhaupt lieben? Oder ist es nicht vielmehr so, dass er sich gezielt jemanden gesucht hat, bei dem er glaubte, die Oberhand zu behalten?

„He had a way about him those first years, Lestat. Preternaturally charming, occasionally thoughtful. He was my murderer, my mentor, my lover and my maker – all of those things at once.“

Allzu menschliche Sehnsüchte

Im Grunde hat sich Louis da in etwas hineinziehen lassen, was er eigentlich nie wollte. Ich meine, schon die Art und Weise, wie er zum Vampir wurde – Lestat hat ihn doch mehr oder weniger hypnotisiert, bis er einwilligte. (Man könnte hierzu wahrscheinlich einen ganzen Artikel über die Pervertierung informierter Zustimmung schreiben.) Und das merkt man seinem Verhalten auch an, denn von den neuen Essgewohnheiten einmal abgesehen tut er alles, um an sein altes Leben anzuknüpfen.

Es ist ja nicht nur, dass er den Kontakt zu seiner Familie hält, er verfolgt auch dieselben geschäftlichen Ziele wie als Mensch. Da ist keine Aufbruchsstimmung, keine Neugier, kein Staunen über die neue Welt, die sich ihm eröffnet. Das ist nicht Louis’ Schuld, Lestat ist einfach ein wirklich schlechter Lehrer, aber es definiert doch schon recht früh seinen Charakter und entspricht auch genau dem Bild, das er in der Gegenwart abgibt.

… After the Phantoms of your former Notes

• Ich hab noch gar nicht auf die geniale Titlecard der Serie hingewiesen: Die Skylines der zwei Handlungsorte Dubai und New Orleans vertikal gespiegelt, wodurch die Gebäude zu Zähnen werden.
• Louis fragt, wie viele von ihnen es gibt, und Lestat antwortet „maybe a hundred“. Sind es wirklich nur so wenige? (Damit weichen sie von der Mehrzahl der Serien und Filme ab, wo es oft regelrechte Massen von Vampiren gibt, die allerdings meist auch nicht lange leben.)
• Auch lustig, wie Lestat vorführt, dass jeder menschliche Gedanke auf genau drei Wünsche reduziert werden kann: „I want food“, „I want sex“ und „I want to go home“. Für mich ist es meist das letztere.
• Und ich möchte betonen, wie genial ich die Kontaktlinsen finde, die die Darsteller tragen. Die verleihen ihnen tatsächlich eine schwer zu fassende Außerweltlichkeit.

4 von 5 Bananen, die oben liegen dürfen.

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