„So, what’s a genetically enhanced girl supposed to do when she wakes up from a long sleep? Point to one of those little specks of light out there, pack her bag, and go make a life for herself?“
Bashir hilft der genetisch veränderten Sarina, ihrer Katatonie zu entkommen – und verliebt sich in sie. Spoiler!
Who wants to be normal anyway?
Bashir erhält unerwartet Besuch von seinen genetisch modifizierten Freunden aus dem Institut. Sie wollen, dass er der katatonischen Sarina mit dem Verfahren hilft, an dem er seit einer Weile arbeitet. Tatsächlich gelingt der Eingriff und Sarina erwacht endlich aus ihrer Starre. Es zeigt sich schnell, dass das die Dynamik der Gruppe erheblich stört, weshalb Sarina überlegt, was sie nun tun soll. Bashir bittet sie, auf Deep Space Nine zu bleiben, weil er sich längst Hals über Kopf in sie verliebt hat. Doch für Sarina geht das viel zu schnell, so dass sie sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückzieht.
Eine schlecht gealterte Episode
Ja, seien wir ehrlich, „Chrysalis“ erzählt in Grundzügen die gleiche Geschichte wie damals „Melora“: Bashir „rettet“ eine Frau, die daraufhin seinen Avancen nachgibt, weil sie meint, ihm was zu schulden. Was echt unfassbar sexistisch ist, selbst für die 1990er. Aber ich will mit der Folge nicht allzu hart ins Gericht gehen, sie macht vieles richtig und entlässt Sarina am Ende unbeschadet aus dieser „Beziehung“. Auf Bashir wirft das alles ein weniger gutes Licht.
„I don’t even understand what love is. I don’t understand anything. What am I supposed to do or to feel? Tell me. I want to make you happy. I owe you everything.“
Die unschuldige Kindfrau und ihr Retter
„Chrysalis“ bezeichnet im Englischen einen verpuppten Schmetterling, also im Grunde ein Wesen in Transformation. Es ist ein treffendes Bild für Sarina, die ihr ganzes Leben lang im eigenen Geist gefangen war und endlich mit der Außenwelt in Kontakt treten kann. Wir wissen, auch wenn sie sich nicht mitteilen konnte, hat sie alles mitbekommen, was um sie herum geschehen ist. Dennoch fehlen ihr natürlich wichtige Erfahrungen, weshalb sie permanent den Eindruck eines staunenden Kindes vermittelt.
Es ist wohl müßig, darüber zu referieren, dass diese Unschuld Männer seit jeher anzieht. Dabei nehme ich es Bashir sogar ab, dass ihn vor allem Sarinas Begeisterung für die banalsten Alltäglichkeiten anzieht, also nicht nur sein Beschützerinstinkt darauf anspringt. Dennoch ist allzu offensichtlich, dass er ihre Situation ausnutzt, diese Mischung aus kindlicher Naivität und purer Dankbarkeit. Und ich sage euch, ich nehme es den Autoren heute noch übel, dass sie Bashir so charakterisieren. Insbesondere als Arzt hätte ihm klar sein müssen, dass er Sarina überfordert und das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen missbraucht.
Rückzug in alte Verhaltensweisen
Um aber zu Sarina selbst zurückzukommen, fand ich es recht aufschlussreich, dass sie ihren katatonischen Zustand offenbar auch als Rückzugsmöglichkeit begreift. Wenn sie zum Beispiel das erste Mal nach erfolgreicher Behandlung zu Jack, Lauren und Patrick zurückkehrt, merkt sie recht schnell, dass sie die über Jahre des Zusammenlebens entstandene Gruppendynamik völlig durcheinander bringt. Um es den anderen leichter zu machen, verfällt sie deshalb in ihre alte, sprich stumme Rolle.
Noch extremer ist das, als sie sich von Bashir in die Ecke gedrängt fühlt, der gedankenlos bereits vom gemeinsamen Urlaub auf Risa fantasiert. Sie zieht sich wieder in ihre eigene Gedankenwelt zurück, bis selbst Bashir glaubt, sie hätte einen Rückfall erlitten. In ihren Augen ist das einfacher, als die eigenen Wünsche zu artikulieren. Oder eben die Bedürfnisse eines anderen zu befriedigen, ohne überhaupt die eigenen zu verstehen.
Hatching Notes
• Was ich mich schon gefragt habe, bevor das Thema Einwillgung (neudeutsch „consent“) in der Folge komplett implodiert ist: Wer hat eigentlich den Eingriff erlaubt? Sarina war es sicher nicht.
• Und was für ein Klischee, erst sieht Sarina fast wie eine Leiche aus (blass, dunkle Augenringe), doch kaum ist sie „geheilt“, ist sie dezent geschminkt und attraktiv.
• Entschuldigt, die Gesangseinlage kam ja bei vielen toll an, aber ich fand die bescheuert.
• Das Beste ist, als Sarina sich freut, weil von Bashirs Freunden niemand unvermittelt in Tränen ausbricht, und er nur meint: „They only do that at staff meetings.“
2 ½ von 5 Bananen, die dumme Fragen stellen.
Das Beitragsbild und die Bananen-Bewertung sind super! xD
„Star Trek“ wird von uns leidenschaftlichen Trekkies so oft als die ideale Zukunft verstanden, eben, weil dieser Gedanke Teil des Vorstellungsbild ist, das Roddenberry ursprünglich hatte und verfolgen wollte. Es sind so sehr viele Sachen in Episoden und Filmen, wo man überlegen muss…. really!?
Die Consent-Frage bei Sarina ist eine davon.
Ich erspinne mir drei Ansätze:
(1) Die Angehörigen gaben ihr OK. Tja.
(2) Aber man kann genauso gut eine Brücke bauen zu einem der Kernkritikpunkte des Fandoms gegen die dritte „Picard“-Staffel: die darin dargestellte Föderation/Sternenflotte passe ethisch-moralisch nicht mit den Absichten von Roddenberry zusammen… Hashtag „Kriegsverbrechen“. Da denke ich mir so: vielleicht vergessen wir einfach mal die blendenden, die schönen Worte von Roddenberry (darüber, was „Star Trek“ sei) und beäugen tatsächliche „Star Trek“-Drehbücher! Die Natur des Menschen und die Natur der Sternenflotte haben sehr wohl dunkle Fassetten. Sie werden ja gezeigt, nur oft nicht as solche identifiziert. Wie man darauf reagiert und dass man darauf reagieren sollte… wäre schön, wenn sich das „Star Trek“ ab und zu mit auf die Fahre schreiben würde… aber dann wird’s als „nicht mehr ‚Star Trek'“ verschrien. Will sagen: Ein Punkt der Story hätte sein können, wie, abgehoben es doch ist, dass sich Bashir einfach so ein paar neurodiverse Personen zu Studienzwecken ranschiffen lassen kann.
(3) Dritte Möglichkeit: es passierte gar nicht ‚einfach so‘. All die Loopholes und Regulierungen, die Bashir kennt, um sich zu schützen, um sein eigenes Geheimnis zu wahren, hat er nutzen können, um die Sache anzuleiern. Überleg ich mir so.
Einen Roman, der das erklärt, würde ich gerne lesen.
Da rennst du bei mir offene Türen ein, ich bin ein Fan moralischer Grauzonen und liebe es, wenn Geschichten den Finger so richtig tief in die Wunde legen. Frühes „Star Trek“ konnte das besser, aber gerade „DS9“ hat ja einige Episoden, in denen Figuren fragwürdige Dinge tun – und das auch thematisiert wird.
Die besten Folgen sind die, die eben kein Happyend mit Schleife drum präsentieren, sondern einen fassungslos und nachdenklich zurücklassen. Das fehlt heute oftmals, liegt aber vielleicht auch daran, dass man es immer allen recht machen will oder Angst hat, irgendwo anzuecken.
Jedenfalls, rückblickend schade, dass man aus den Themen dieser Folge nichts gemacht hat. Die Liebesgeschichte hätte’s nicht gebraucht.