„Since there were dramatic portents before the Event occurred – snow flurries, power surges, green sunsets, electrical storms, a full moon, dogs howling for now reason – perhaps scientists should reframe the question from how it happened to why it happened.“
Folge dem weißen Kaninchen
Vor 55 Jahren fand in Großbritannien aus ungeklärten Gründen ein sogenanntes „Antropomorphising Event“ statt, bei dem einzelne Hasen, Füchse und weitere Tiere menschenähnlich wurden. Da die Hasen aufgrund ihrer raschen Vermehrung mittlerweile zu einer großen Population angewachsen sind, sorgen sich viele Menschen darum, bald zur Minderheit zu werden. Die Regierung plant deshalb einen Zwangsumzug aller anthropomorphen Hasen in den eigens dafür errichteten „MegaWarren“ in Wales. Mittendrin: Peter Knox, ein „Spotter“, der die seltene Gabe besitzt, Hasen voneinander zu unterscheiden. Als seine alte Uni-Bekanntschaft Connie samt Ehemann nebenan einzieht, will die Nachbarschaft die Hasen schnellstmöglich wieder loswerden. Peter aber verliebt sich Hals über Kopf in Connie.
Mehr Agenda als Story
Jasper Fforde ist normalerweise ein Garant für ausgeklügelte Alternativwelten, aberwitzige Abenteuer und clevere Wortspielereien. Am bekanntesten dürfte wohl seine „Thursday Next“-Reihe sein, in der sich Realität und Literatur vermischen und spezielle Agenten für Ordnung in den Büchern sorgen. Aber er erzählt auch von Welten, in denen Menschen nur bestimmte Farben sehen können („Shades of Grey“), Winterschlaf machen („Early Riser“) oder Zauberer zuerst Formulare ausfüllen müssen, bevor sie irgendwas zaubern dürfen („The last Dragonslayer“).
Kein Wunder also, dass ich mir von „The Constant Rabbit“ ähnlichen Lesespaß erhoffte. Leider scheint Fforde diesmal jedoch eine Agenda vor die eigentliche Story gestellt zu haben, und das macht das Ganze dann doch etwas zäh. Denn machen wir uns nichts vor, hier geht es um Rassismus und Ausgrenzung. Die Hasen werden, obgleich immer noch eine Minderheit, wegen ihres Lebensstils und ihres radikalen Vegetarismus argwöhnisch betrachtet, von vielen sogar offen gehasst. Selbst die, die meinen, dass sie Hasen gegenüber freundlich eingestellt sind, tun nichts gegen die Missstände und tragen somit zu deren Zementierung bei. Das alles ist so offensichtlich, dass es kaum noch als literarische Interpretation bezeichnet werden kann. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer (Wortspiel beabsichtigt), denn statt in eine Parallelwelt entführt zu werden, die mir subtil vor Augen führt, was in unserer eigenen Gesellschaft schief läuft, und mich zum selbstständigen Nachdenken anregt, versucht sich Fforde am betreuten Denken. Und als intelligenter Leser kam ich mir da offen gesagt veräppelt vor.
Unter der Agenda leidet am Ende auch das, worin Jasper Fforde eigentlich ein Meister ist: die lebendige Ausgestaltung dieser Welt. Die Kultur der Hasen ist bis auf wenige Schlagwörter und grob umrissene Konzepte nicht wirklich greifbar. Immer wieder ist die Rede vom „venerable bunty“, einer Art religiöser Anführerin, doch bis auf vereinzelte Hinweise erfahren wir eigentlich nie, was sie auszeichnet oder wie sie in das Glaubenssystem der Hasen hineinpasst. Auch darum, dass sich die männlichen Hasen ständig wegen der Weibchen duellieren, wird großes Aufhebens gemacht. Am Ende aber wird das nie weiter erforscht, sondern dient nur als Gag am Rande, weil deshalb alle Hasen eine gewisse Anzahl von Schusslöchern in den Ohren haben. Und lasst mich gar nicht erst vom „Event“ anfangen, um das so ein Mysterium gemacht wird, obwohl es am Ende … eigentlich keine Rolle spielt?
Es ist wirklich schwer, „The Constant Rabbit“ zu bewerten. Dem direkten Vergleich mit anderen Romanen Ffordes hält das Buch nicht stand, dazu ist es zu beliebig. Irgendwo im letzten Drittel habe ich sogar komplett das Interesse verloren und es für mehrere Wochen beiseite gelegt. Für sich stehend mag es aber durchaus seine Berechtigung haben, wenn man mit der alles andere als subtilen Rassismus-Parabel klarkommt. Ich persönlich verbuche den Roman unter Enttäuschung und hoffe, dass sich der Autor bei der langersehnten Fortsetzung von „Shades of Grey“ auf seine Stärken besinnt.
2 und 5 Bananen, die sich duellieren wollen.