„The common conceit that the human species has evolved over the last several centuries is ludicrous. What gains we have made have come at the cost of our own core identities. Man has lost touch with his true power.“
Sisko und O’Brien finden eine Kolonie, die sich an ein Leben ohne Technik gewöhnen musste. Spoiler!
No one follows me, they follow their own hearts
Auf der Suche nach Siedlungsmöglichkeiten im Gamma-Quadranten stoßen Sisko und O’Brien auf einem abgelegenen Planeten auf eine kleine Gemeinde. Kaum auf die Oberfläche gebeamt, fällt jedoch sämtliche Technik aus, der Kontakt zum Shuttle bricht ab. Die Bewohner nehmen sie freundlich auf, bestehen aber darauf, dass sie sich anpassen und nicht länger nach einer Möglichkeit suchen, das Dämpfungsfeld zu umgehen, das ihre Technik blockiert.
Back to the roots
Es ist kein neues Thema, um das sich „Paradise“ dreht: Bedeutet technischer Fortschritt automatisch menschlichen Rückschritt? Verlieren wir die uns innewohnenden Kräfte und Fähigkeiten, wenn wir uns nur noch auf Technik verlassen?
In gewisser Weise ist diese Folge heute um einiges interessanter als noch vor zwanzig Jahren, denn der Siegeszug von Smartphones hat dazu geführt, dass sich die Menschen in der Tat viel zu sehr auf die Technik verlassen. Unser Orientierungssinn verkümmert dank GPS, wir können uns selbst einfachste Informationen nicht mehr merken, weil wir jederzeit bei Wikipedia nachschlagen können, und wir verlieren zunehmend die Fähigkeit zu echter Kommunikation.
Freilich ist die Sache weitaus komplexer, denn ohne Technik gäbe es auch keinen Fortschritt, und wie schnell uns das zum Verhängnis werden kann, beweist allein die Tatsache, dass in der Kolonie Leute an einem Insektenstich (!) sterben. Technik unhinterfragt zu verteufeln, ist also exakt der falsche Ansatz, und ich denke, das macht die Folge sehr deutlich.
Sisko: „She says we have become fat and lazy and dull.“
O’Brien: „My wife told me something along those lines just last week.“
Der Zwang zu Gemeinschaft
„Paradise“ zeigt aber auch, wie schnell sich Sozialromantik in Sozialtyrannei verwandeln kann. Alixus mag die richtigen Absichten haben, aber sie lässt den Leuten keine Wahl. Schlimmer noch, sie bestraft diejenigen, die sich den willkürlich von ihr aufgestellten Regeln widersetzen.
Es ist ganz interessant, dass das den Kolonisten erst bewusst wird, als mit Sisko und O’Brien zwei Außenstehende in ihren Alltag eindringen. Während sie selbst in diese Situation hineingewachsen sind und einige Veränderungen deshalb gar nicht bewusst wahrgenommen haben, treffen die beiden Offiziere auf ein bereits etabliertes System – und hinterfragen es.
„Look at yourselves! Look at what you’ve become. What you’ve achieved here, has redefined your potential: the potential of man. Just as I knew it would. You are the living proof.“
Stockholm-Syndrom
Dass sich am Ende alle Kolonisten dazu entschließen, auf dem Planeten zu bleiben, ist in meinen Augen jedoch die eigentliche Utopie der Geschichte. Zugegeben, sie sind zusammengewachsen und haben nun die Möglichkeit, ihre Gemeinschaft nach eigenen Wünschen zu gestalten (und eventuell sogar wieder Technik zu nutzen), aber hatte denn keiner dieser Leute vorher ein Zuhause? Einen Ort oder geliebte Menschen, zu denen sie zurückkehren möchten? Vielsagend war indes der letzte Blick auf die Kinder, denn sie hätten womöglich ganz gerne ihren Horizont erweitert …
Notes Paradise
• Sehr süß, wie Dax auf Kiras Frage, ob sie eine bessere Idee habe, antwortet: „I’m the Science Officer. It’s my job to have a better idea.
• Ich glaube, die Ironie, dass Alexis Technik nutzt, um Technik zu verbannen, entgeht vielen.
3 ½ von 5 Bananen in der Schwitzkiste.
Jetzt war ich vom Titel und deiner Bewertungsskala irgendwie neugierig auf die Schwitzkiste … ?
Die fand ich einfach lustig. Ich meine, da muss man auch erst mal drauf kommen, Leute zu bestrafen, indem man sie in eine enge Kiste sperrt und die dann in die pralle Sonne stellt.
Ah so. Du hattest das im Review nicht mehr erwähnt und die Folge selbst kenn ich nicht.
Wohl gesprochen. Danke Jes.
Ich denke Technik und Fortschritt, sind für jeden Einzelnen höchst individuell. Im Grunde befürwortet man ja immer nur das, worin man sich selbst auch wieder findet. Die Frage ist ja immer, wie weit kann man gehen, wo ist halt zu machen, wann bringt es der Menschheit mehr Schaden als Nutzen. Oder ist unsere Gemeinschaft wirklich nur die Summe aller einzelnen selbstherrlichen Egos. Jeder glaubt es richtig zu machen und niemand will den anderen etwas böses, oder?
Ich schätze, solange man noch dazu in der Lage ist, sein eigenes Verhalten (und seine eigenen Abhängigkeiten) zu hinterfragen, ist Hopfen und Malz nicht gänzlich verloren.
Erst kürzlich hatte ich in dem Zusammenhang ein aufschlussreiches Erlebnis. Ich kam mit einem Kollegen irgendwie auf Smartphones zu sprechen, und ich erklärte ihm daraufhin, ich hätte keine Flatrate, weil ich unterwegs zwar erreichbar sein möchte, aber nicht rund um die Uhr Internet brauche. Er war daraufhin ganz entsetzt, das ginge doch gar nicht, man muss doch den Bahnfahrplan checken und im Supermarkt Rezepte googeln usw. Seltsam, dachte ich da, vor zehn Jahren ging das noch nicht – und wir kamen trotzdem gut zurecht.
‚Zurechtkommen‘ ist das eine, ‚drauf verzichten wollen‘ das andere. Ich kenne einige, die keinen Fernseher haben und kein Smartphone. Klar kommt man ohne zurecht. Mein Leben hat beides trotzdem bereichert, und ich will es nicht mehr missen. Wenn es zur Krücke wird, um das defizitäre Leben zu ertragen, DANN wirds bedenklich. Ansonsten mag ich Technik auch im Alltag sehr. (Ich sag nur Staubsaugerroboter …)
Vielleicht war „zurechtkommen“ auch einfach das falsche Wort. Ich habe ja nicht das Gefühl, dass mir was fehlt oder ich auf etwas verzichte. Aber bei manchen Menschen kann ich mich mittlerweile des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass sie ohne ihr Handy nicht mehr lebensfähig wären, und das finde ich tatsächlich bedenklich. Die verpassen ihr ganzes Leben. (Und das sage ich ganz bewusst als jemand, der selbst technikbegeistert ist und es toll findet, wenn dadurch der Alltag erleichtert wird.)