„The Vulcan is experiencing time as a fluid rather than a linear construct. Conventional logic has not helped him interpret such an experience.“
Auf Talos IV erfährt Michael endlich, was mit Spock geschehen ist, während Sektion 31 alles daran setzt, die beiden zu finden. Spoiler!
How is it I can remember tomorrow?
Michael und Spock erreichen Talos IV, wo sie von Vina empfangen werden, die sie zu den Talosianern bringt. Die sind auch bereit, Michael Einblick in Spocks Geist zu gewähren und ihm zu helfen, verlangen als Gegenleistung aber ihre Erinnerung an den Streit, der sie und Spock einst entzweite. Die Discovery soll derweil die Trümmer der modifizierten Sonde untersuchen, während Sektion 31 dafür sorgt, dass jedes andere Schiff der Sternenflotte nach Spock und Michael sucht.
Hommage und Weiterführung in einem
„If Memory serves“ gelingt etwas äußerst Bemerkenswertes: Die Folge ist eine Hommage an die allererste jemals produzierte „Star Trek“-Episode und schafft es zugleich, mit dem ursprünglichen Material etwas Eigenes zu kreieren. Letzten Endes ist das zwar immer noch ein ziemlich schwacher Grund dafür, die ganze Serie in der Vergangenheit dieses Universums anzusiedeln, aber es ist schön zu sehen, dass die Autoren nun immerhin versuchen, etwas daraus zu machen.
Besonders hervorzuheben ist dabei die originelle Art und Weise, in der Optik und sogar Sound von „The Cage“ eingebunden wurden, ohne dadurch den Retro-Aspekt übermäßig zu betonen. So haben die Talosianer ein Update ihres Make-ups erfahren, sind aber immer noch eindeutig als solche zu erkennen, während ihr Planet den ursprünglichen Matte Paintings nachempfunden wurde, nun aber weniger künstlich aussieht. Auch die singenden Blumen wurden leicht verändert übernommen und tragen durch ihren ganz speziellen Klang stark zur Atmosphäre der Folge bei.
Spock: „Is there a valuable question in your arsenal?“
Michael: „Yes. Do you actually think the beard is working?“
Von Emotion und Logik gleichermaßen im Stich gelassen
Wie schon „The Sounds of Thunder“ profitiert auch „If Memory serves“ von einer längeren Laufzeit, die es erlaubt, gerade emotionalen Szenen mehr Raum zu geben. Auf diese Weise bekommen wir ein recht gutes Gefühl für die geschwisterliche Beziehung zwischen Michael und Spock. Und es ist vom ersten Augenblick an offensichtlich, dass zwischen den beiden trotz aller Animositäten noch eine tiefe Vertrautheit herrscht.
Dazu erhalten wir endlich eine Antwort auf die Frage, was genau sie eigentlich entzweit hat. An diesem Punkt der Erzählung war das keine große Überraschung mehr, dennoch erfüllt die Szene ihren Zweck, indem sie zeigt, wie verletzend die Worte waren, die Michael ihrem kleinen Bruder damals an den Kopf geworfen hat. Gemessen daran, welch großen Einfluss Michael auf die menschliche Seite von Spock hatte, nimmt es kaum Wunder, dass ihn das so sehr traumatisiert hat, dass er sich anschließend ganz der Logik gewidmet hat. Auch wenn er mittlerweile längst wissen dürfte, wieso sie das getan hat, hat ihn die Furcht, dass seine menschliche Seite eine Schwäche ist, nie ganz verlassen.
Und ja, all das macht ansatzweise verständlich, warum ihn die Begegnung mit dem Roten Engel derart aus der Bahn geworfen hat. Ein Erlebnis dieser Größenordnung wäre auch emotional erschütternd, es aber rein logisch betrachten zu wollen, muss einen zwangsläufig um den Verstand bringen. Mein einziger Kritikpunkt hier ist, dass ich nicht ganz verstanden habe, wie die Talosianer Spock eigentlich geholfen haben. Gesehen haben wir ja nur, dass sie seine Erinnerung mit Michael geteilt haben.
Eine alte Lücke wird endlich aufgefüllt
Ein weiterer interessanter Aspekt der Folge ist, dass sie uns beinahe en passant weitere Einblicke in Pikes Persönlichkeit gewährt. „The Cage“ liegt zu diesem Zeitpunkt etwa drei Jahre zurück, doch bei seiner Begegnung mit Vina wird mehr als deutlich, dass Pike mitnichten über die Erlebnisse auf Talos IV hinweg ist. Das eigentlich Interessante aber ist, dass „If Memory serves“ nicht nur „The Cage“ konsequent forterzählt, sondern auch ein bisher fehlendes Bindeglied zur TOS-Doppelfolge „The Menagerie“ darstellt. Dass Spock später seine Karriere aufs Spiel setzen wird, um dem an den Rollstuhl gefesselten Pike einen erfüllten Lebensabend bei seiner großen Liebe Vina zu ermöglichen, ergibt nun wesentlich mehr Sinn.
Stamets: „I think what you’re dealing with is a form of neutralizing shock.“
Culber: „It’s not that simple, Paul.“
Stamets: „It’s not a matter of identity, because we know who you are.“
Culber: „Or maybe that’s just who I was.“
Eine unüberwindbare Kluft
Ein weiterer bedeutender Plot der Folge ist Culbers zunehmende Frustration darüber, dass von ihm erwartet wird, sein altes Leben einfach fortzusetzen. Es ist ganz spannend, dass jeder davon ausgeht, dass er Tyler hasst, doch die Prügelei führt uns vor Augen, dass er in ihm etwas ganz anderes als seinen Mörder sieht. Culbers Verwirrung spiegelt sich in der Zerrissenheit von Tyler/Voq perfekt wider, und er fühlt vielleicht sogar einen Hauch von Neid, weil Tyler scheinbar gut damit zurechtkommt, dass er nicht genau weiß, wer er eigentlich ist.
Die größten Auswirkungen hat Culbers Wiedergeburt aber auf seine Beziehung zu Stamets, und auch das ist wundervoll erzählt. Denn natürlich legt sich Stamets ins Zeug. Er hatte die Liebe seines Lebens bereits aufgegeben und hat nun eine zweite Chance erhalten, die er um keinen Preis versauen will. Aber genauso verständlich ist, dass Culber sich davon eingeengt, ja bedroht fühlt, denn er kennt sich selbst nicht mehr. Ich glaube durchaus, dass die Beziehung noch eine Chance hat, aber Stamets muss verstehen, dass es keine bloße Fortsetzung des Gewesenen sein kann. Vielleicht wird er Culber noch einmal ganz neu erobern müssen.
Ein Krieg zwischen Maschinen und Menschen?
An dieser Stelle wird es mal wieder Zeit für ein paar Überlegungen und Theorien, also haltet euch fest! Von Spock erfahren wir in dieser Folge, dass der Rote Engel definitiv menschlich ist. Auf der anderen Seite haben wir Airiam 2.5, die letzte Woche von irgendetwas „übernommen“ wurde, was sie nun dazu bringt, das Schiff zu sabotieren und es Tyler in die Schuhe zu schieben. (Wir sind uns einig, dass das auf ihr Konto geht, oder?)
Gut, wir wissen mittlerweile auch, dass Control, von dem Leland immer spricht, eine Künstliche Intelligenz ist, die die Handlungen von Sektion 31 lenkt (und damit im Grunde die der Föderation). Was wäre, wenn diese KI in ferner Zukunft die Oberhand gewinnt und der Rote Engel als einer der letzten überlebenden Menschen (Spock spricht von „loneliness“ und „desperation“) jetzt versucht, das zu verhindern, indem er die Vergangenheit verändert? Michael scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen, denn bei zwei Gelegenheiten hat der Rote Engel bereits ihren Tod verhindert. (Das ist auch im Hinblick auf den Kanon interessant, denn es würde erklären, warum Spock in TOS niemals von einer Schwester gesprochen hat. Eigentlich sollte sie bereits als Kind sterben, womit sämtliche Handlungen in „Star Trek: Discovery“ einer völlig neuen Zeitlinie entsprächen.)
If Notes serve
• Schön, dass sie beim „was bisher geschah“ am Anfang „The Cage“ rekapituliert haben, denn machen wir uns nichts vor: Die Wenigsten haben die Folge noch mal geschaut.
• Eigentlich war das immer klar, doch jetzt ist es auch offiziell: Spock hat niemanden getötet. Verdient hätten sie’s allerdings, warum haben die dem armen Mann zwar einen Stift, aber kein Papier gegeben?!
• Faszinierende Wendung: Die Discovery ist nun offiziell auf der Flucht.
• Auch großartig, wie Pike am Ende der Folge zu einer seiner pathetischen Reden ansetzen will und Detmer nur fragt: „Course heading, Sir?“
5 von 5 nicht linearen Bananen.