Die Schubladifizierung der Literatur, oder: Was ist denn New Adult jetzt schon wieder?!

„There is only one genre in fiction, the genre is called book.“ (Matt Haig)
Während meines Studiums war ich Stammgast in den Buchläden meiner Gegend. Es war eine meiner liebsten Beschäftigungen zwischen Seminaren, durch die Regale zu stöbern und Neues zu entdecken. Mittlerweile kaufe ich fast ausschließlich E-Books, was den Besuch von Geschäften überflüssig macht. Zum Glück! Denn als ich in der Weihnachtszeit dann doch mal eines aufsuchte, war ich heillos überfordert.

Früher hieß einfach alles „Roman“

Meine Vorliebe für Genre-Literatur wurde früh geweckt, denn mein Vater schmuggelte so wundervolle Titel wie „Der purpurne Planet“ oder „Spuren im Mondstaub“ in meinen Lesestapel, kaum dass ich lesen konnte. Denke ich an die Bücher meiner Kindheit, so tummeln sich da zwar auch die üblichen Klassiker von „Ronja Räubertochter“ bis „Krabat“, doch Science-Fiction (bzw. utopische Romane, wie wir sie damals nannten) war schon immer Teil meiner Lebenswelt.
Und doch, wenn ich heute daran zurückdenke, war phantastische Literatur eine absolute Randerscheinung. Ein Nischenthema. Nicht, dass mir das damals bewusst war, für mich waren das Romane wie andere auch. In der städtischen Bibliothek entstand über die Jahre sogar eine überschaubare Science-Fiction-Sammlung, aber in Wahrheit fand nicht einmal dort eine strikte Trennung statt. Das meiste fand ich weiterhin irgendwo zwischen den „normalen“ Romanen.

Das neue Schubladendenken

Ich denke, diese Vorgeschichte ist wichtig, um zu verstehen, warum mich die aktuelle Entwicklung so ratlos macht. Wann haben wir angefangen, alles in Schubladen und Unter-Schubladen zu stecken? Und vor allem: Zu welchem Zweck? Ich besuchte im Dezember also eine Thalia-Filiale, weil ich gerne Jasper Ffordes „Rot“ als Taschenbuch verschenken wollte.
Wer schon mal etwas von Fforde gelesen hat, weiß, der Mann ist schwer einzuordnen. Ein bisschen Science-Fiction, immer ein wenig Gesellschaftssatire, gelegentlich Fantasy, aber auch gerne mal Dystopie, und wenn’s fancy wird, sogar Steampunk. Nie habe ich mir mehr gewünscht, dass einfach weiterhin alle Bücher alphabetisch unter „Romane“ stehen.
Doch nein, ich fand zunächst das Regal „Young Adult Fantasy“, weil das nahe beim Eingang war, und merkte erst nach einer Weile, dass dort nur englischsprachige Bücher stehen. Ich flanierte also einmal durch die Etage an Subgenres vorbei, von denen ich nie zuvor etwas gehört hatte, bis ich anhand des Plans neben der Rolltreppe erfuhr, dass sich die Science-Fiction im zweiten Stock befindet.
Gut, dass Science-Fiction fast nur noch in Reihen geschrieben wird, ist auch so ein Problem. In sich geschlossene Einzelbücher schaffen es in den Buchläden meist gar nicht erst ins Regal. Aber wer legt eigentlich fest, welches Buch in welches der tausend Subgenres gehört? Young Adult Fiction, Romantasy, Romantic Fantasy, Dark Romance, New Adult – ist das ernst gemeint?!

Bloß nicht über den Tellerrand schauen

Ich verließ den Thalia an jenem Dezembernachmittag mit leeren Händen und der Erkenntnis, dass ich offenbar alt werde. Als noch alles unter Roman lief, was nicht Sachbuch ist, griff man vielleicht auch mal zu einem Titel, der nicht ins übliche Beuteschema passt. Heute soll (oder will?) sich der Leser offenbar ausschließlich in seiner gewählten Schublade bewegen. Den Jasper Fforde habe ich am Ende online bestellt, da war er übrigens unter „Romane & Erzählungen“ einsortiert.