„This is serious. This is end of the world stuff.“
Als Pike eine Möglichkeit sieht, sein schreckliches Schicksal abzuwenden, besucht ihn sein Ich aus der Zukunft. Spoiler!
Causality is complex
Die Enterprise besucht einige Außenposten am Rande der Neutralen Zone, um dringend benötigte Technik abzuliefern. Als sich herausstellt, dass der Sohn des Commanders einer der Kadetten ist, bei deren Rettung Pike in sieben Jahren schwer verwundet wird, will er dem Jungen einen Brief schreiben, um sein Schicksal abzuwenden. Doch da taucht eine ältere Version von Pike aus der Zukunft auf, um ihm mithilfe eines Zeitkristalls der Klingonen zu zeigen, welche Konsequenzen das für die ganze Galaxis haben wird. Kurz darauf findet sich Pike mitten in einem Angriff der Romulaner wieder und muss entscheiden, ob er zurückschlägt oder eine diplomatische Lösung sucht.
Eine Charakterstudie, die Vorwissen verlangt
Was wäre, wenn … Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich „A Quality of Mercy“ bewerten soll. Hätte ich im Anschluss daran nicht noch die Classic-Folge „Balance of Terror“ geschaut, die quasi die „unveränderte“ Version dieser Geschichte erzählt, fiele mein Urteil deutlich schlechter aus. Darf eine Folge wirklich so stark von einer anderen abhängen? Noch dazu, wenn sie aus eine anderen Serie ist? Und vor allem: Taugt das wirklich als Staffelfinale?
Pike: „I thought we were trying to avoid a terrible future.“
Spock: „We are trying to discover why this future is – in the estimation of your older self – worse.“
Pike: „So the only way to discover the terrible future is to live it.“
Zwei Herangehensweisen
In jedem Fall würde man es sich zu leicht machen, die Geschichte darauf zu reduzieren, dass Kirk recht hatte und Pike falsch lag. Denn in gewisser Weise lagen sie beide richtig, was die Tatsache beweist, dass die Worte des romulanischen Captains in beiden Versionen dieselben sind: Unter anderen Umständen hätten sie Freunde werden können. Gerade deshalb ist es so interessant, beide Folgen nebeneinander zu betrachten und die Parallelen, aber auch Abweichungen zu sehen.
Sowohl Pike als auch Kirk mussten die Situation einschätzen, ohne Anweisungen von der Sternenflotte einholen zu können. Für Pike heißt das, es auf diplomatischem Wege zu versuchen, womit er Erfolg gehabt hätte, wenn es nur nach dem romulanischen Captain gegangen wäre. Denn der sieht in einem ewigen Krieg ohne Ziel genauso wenig Sinn. Das Problem ist, dass die Entscheidung niemals bei ihm lag und Pike es versäumt, das in seine Strategie miteinzubeziehen.
Kirk ist in „Balance of Terror“ besser in der Lage, die Gesamtsituation zu beurteilen. Mir kam sogar der Gedanke, dass es gerade sein Mangel an Erfahrung ist, die ihn eher auf den Rat von Spock hören lässt, als der erklärt, die Romulaner würden es als Schwäche betrachten, wenn sie sie ziehen lassen. Pike hingegen glaubt, selbst genug Erfahrung zu haben – und ist gleichzeitig weniger risikofreudig. Und seien wir ehrlich, auch Kirk hat einfach nur eine ganze Menge Glück, dass sich seine Strategie am Ende auszahlt.
Der Weg ist das Ziel
Natürlich ist das alles nur ein Nebenschauplatz, denn die Krise dient vor allem dazu, Pike die Auswirkungen seines Versuchs zu zeigen, das Schicksal auszutricksen. „A Quality of Mercy“ kann in der Hinsicht fast als sinnbildlich für die ganze Serie verstanden werden: Auch sie kann nicht vom bereits festgelegten Pfad abweichen, ohne den Kanon durcheinanderzubringen. Vielleicht lautet die eigentliche Botschaft, dass man das Ende akzeptieren, den Weg dahin aber trotzdem mit Leben füllen kann.
Einiges daran war mir persönlich trotzdem zu plump. Wie zum Beispiel kommt Pike auf die absurde Idee, dass es keine Opfer geben wird, wenn er die besagten Kadetten daran hindert, der Sternenflotte beizutreten? Wären dann nicht einfach andere Kadetten an deren Stelle? Und wurde die Zeitlinie nicht bereits dadurch verändert, dass Pike einen Blick in eine mögliche Zukunft geworfen hat? Ich meine, er weiß nun immerhin sechs Jahre vor der Zeit, wie die Romulaner aussehen. Was, wenn er diese Information weitergibt?
„I believe I might owe you a debt of gratitude, Captain. Although, for precisely what, I do not know.“
Eine Freundschaft fürs Leben
Neben all dem ist „A Quality of Mercy“ aber auch ein Zeugnis für die Freundschaft von Pike und Spock. Genauso, wie Spock in „Spock Amok“ nicht zögert, dem Captain zu sagen, dass er den Körper mit T’Pring getauscht hat, vertraut sich Pike sofort Spock an, nachdem er in der Zukunft gelandet ist. Und es ist auch nicht so sehr das Wissen, dass seine Handlungen einen Krieg mit den Romulanern auslösen können, die ihn sein Schicksal demütig akzeptieren lassen. Sondern die Tatsache, dass er es nur auf Kosten seines besten Freundes abwenden kann. Eines Mannes noch dazu, der – wie er von seinem älteren Ich erfährt – eine weitaus wichtigere Rolle in der Geschichte zu spielen hat. (Das erklärt rückwirkend auch Spocks kompromisslose Loyalität gegenüber Pike in „The Menagerie“. Er wusste, er schuldet ihm alles.)
Die beste erste Staffel aller Zeiten
Ich bleibe skeptisch, ob es sinnvoll war, die erste Staffel von „Star Trek: Strange new Worlds“ mit einer Folge zu beenden, die für sich betrachtet bestenfalls durchschnittlich ist. (Nach dem ersten Sehen war ich ehrlich enttäuscht.) Insgesamt aber besteht wohl kein Zweifel, dass dies die beste erste Staffel ist, die jemals eine „Star Trek“-Serie hingelegt hat. Aus den zehn Folgen gibt es nicht eine einzige, von der ich sagen würde, dass ich sie nie wieder sehen will. Ganz im Gegenteil, einige waren so gut, dass ich sie selbst nach dem zweiten Mal sofort noch mal hätte gucken können.
Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir natürlich die bereits erwähnte Folge „Spock Amok“ sowie „Children of the Comet“ mit seiner Offenheit für Unerklärliches. Selbst die in meinen Augen schwächste Folge „The Serene Squall“ ist im Vergleich zu Episoden anderer moderner „Star Trek“-Serien immer noch ein Heidenspaß. Ich denke, das ist auch das, was die Serie vor allem auszeichnet: Sie bringt den Spaß am Weltraum zurück, an der Erforschung fremder Welten. Nach Jahren, in denen es immer nur um Drama und die Rettung des Universums ging, ist das unglaublich erfrischend.
Gleichzeitig bleibt erneut festzuhalten, dass zehn Folgen viel zu wenig sind. Es ist fast ein Wunder, dass es „Star Trek: Strange new Worlds“ trotzdem gelungen ist, gute Geschichten zu erzählen und die Figuren so weit zu entwickeln, dass wir das Gefühl haben, sie zu kennen. Ausnahmen bestätigen die Regel, denn mit der Meinung, dass Una Chin-Riley viel zu kurz kam, stehe ich nicht allein. Der Cliffhanger könnte aber darauf hindeuten, dass ihre Rolle in der nächsten Staffel größer wird. Dennoch, keiner verlangt wie früher fünfundzwanzig Folgen, aber wäre ein Mittelweg denn wirklich so schwer?
A Quality of Notes
• Entschuldigt, dass ich den neuen Kirk in dieser Review praktisch ignoriert habe, doch so richtig bin ich mit Paul Wesley auch noch nicht warm geworden.
• Wir hören Scotty zumindest mal kurz, aber ich gehe stark davon aus, dass in der zweiten Staffel erst noch jemand Unbekanntes neuer Chefingenieur der Enterprise wird.
• Die entscheidende Frage bezüglich Una lautet wohl: Wer hat sich verplappert? Dass sie Illyrian ist, wissen ja nur eine Handvoll Leute.
3 von 5 Bananen, die keinen Tee wollen.