„So, no shields, no weapons, what do we do? Throw luggage at them?“
Die Enterprise gerät in den Hinterhalt einer Spezies, deren Begegnung niemand je überlebt hat – außer La’an. Spoiler!
They waited for us to be vulnerable
Die Enterprise trifft beim Planeten Finibus III ein, findet die Kolonie jedoch verlassen und völlig verwüstet vor. Als sie kurz darauf einen Frachter entdecken, mit dem ein Teil der Kolonisten fliehen konnte, erkennt La’an, wer die Angreifer waren: die Gorn. Schlimmer noch, sie sind direkt in eine Falle gelaufen und werden nun selbst angegriffen. Da sie im offenen Kampf keine Chance haben, ziehen sie sich in eine Gaswolke nahe eines Schwarzen Lochs zurück. Da das Schiff beschädigt ist, fehlt es auf der Krankenstation am nötigen Equipment, während Hemmer und Uhura im Frachtraum eingeschlossen sind. Da tauchen plötzlich noch mehr Gorn-Schiffe auf.
High Noon im Weltall
„Memento mori“ gelingt das Kunststück, selbst einen Katastrophenfilm-Muffel wie mich fünfzig Minuten lang zu fesseln. (Und das beim zweiten Schauen sogar noch mehr als beim ersten.) Das liegt zum einen an der bedrückenden Atmosphäre der schwer beschädigten Enterprise, zum anderen an der Bedrohung durch einen zu diesem Zeitpunkt gesichtslosen Feind. Vor allem aber kommt der Ensemble-Gedanke der Serie hier erstmals voll zum Tragen, denn jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass sie am Ende überleben.
„We are prey. When they hunt, they are unrelenting. The truth is plenty of people have seen the Gorn. They just don’t live long enough to talk about it.“
Ein bekannter unbekannter Feind
Lasst uns mit einem kleinen Exkurs über die Gorn beginnen. Einer der Gründe, warum Prequels nicht sonderlich beliebt sind, ist, dass man nur Dinge zeigen kann, die ohnehin schon bekannt sind. Und dass der Zuschauer mehr weiß als die Protagonisten. Im Grunde trifft das auch auf die Gorn zu. Der behäbige Kampf zwischen Captain Kirk und einem Gorn in „Arena“ ist einer der ikonischsten Momente von „Star Trek“, über den sich Fans schon lustig gemacht haben, bevor Memes überhaupt erfunden wurden. Danach allerdings spielte die Spezies außerhalb von Romanen und Comics keine größere Rolle mehr und wurde nur hier und da mal erwähnt.
„Star Trek: Strange new Worlds“ nutzt das auf die bestmögliche Weise. Laut Kanon hatte vor Kirk niemand jemals einen Gorn zu Gesicht bekommen, und genau dieser Umstand macht sie jetzt umso bedrohlicher. Selbst die Crew der Enterprise kennt nur die Gerüchte und wäre noch um einiges schlechter dran gewesen, wenn La’an nicht die Klicklaute wiedererkannt hätte, mit denen die Gorn kommunizieren. Daraus bezieht die Folge letzten Endes ihre Spannung: Sie wissen nicht, wie der Feind denkt, sie können nur schlussfolgern. Dass sie überleben, verdanken sie somit auch einer großen Portion Glück.
Wisse, dass du sterben wirst
Der lateinische Begriff des „memento mori“ ist möglicherweise nicht so bekannt, ich als Kunsthistorikerin durfte mich in meinem Studium jedoch ausführlich damit befassen. Er bedeutet „sei dir der Sterblichkeit bewusst“, hat aber nichts mit Todessehnsucht zu tun. Ganz im Gegenteil geht es dabei darum, jeden Augenblick wertzuschätzen – in dem Wissen, dass wir eines Tages sterben werden. Der Gedanke findet sich oft in Geschichten über Unsterblichkeit wieder, weil das Leben erst durch seine Endlichkeit Bedeutung erhält.
Es ist dennoch ein seltsamer Titel für eine „Star Trek“-Folge, in der es ja eigentlich um den Kampf ums Überleben geht. Aber vielleicht ist es gerade das, dieses Gefühl, etwas zu verlieren zu haben. Pike sagt an einer Stelle zu La’an, dass die Crew jetzt nicht ihre unverblümte Ehrlichkeit braucht, sondern vor allem Hoffnung. Und in gewisser Weise repräsentieren die Gorn damit das Gegenteil von „memento mori“, denn sie opfern ihr Leben anscheinend leichtfertig für einen Jagderfolg.
Spock: „If we leave the brown dwarf, they will see us. If we go deeper, it could destroy the ship.“
Pike: „Good thinking, Mr. Spock. We need to go deeper into the brown dwarf.“
Spock: „That is not what I suggested.“
Zwei ungewöhnliche Duos
Hemmers Interpretation von „memento mori“ lautet übrigens: Du kannst erst sterben, wenn du deinen Lebenszweck erfüllt hat. Was irgendwie nach der ultimativen Ausrede fürs Prokrastinieren klingt. Die Szenen zwischen ihm und Uhura sind für den Plot letztendlich nicht entscheidend, dienen aber dazu, Hemmer endlich etwas mehr Profil zu geben. Kaum überraschend ist er kein so egomanischer Zyniker, wie es den Anschein hat, doch wer weiß, was er mit dieser Mauer zu schützen versucht.
Und wo wir gerade bei Mauern sind, gibt es auch noch eine kurze Geistesverschmelzung zwischen Spock und La’an, als sie sich zu erinnern versucht, was genau damals bei den Gorn passiert ist. Es zeigt sich, dass sich ihr Bruder geopfert hat, damit sie entkommt. Das triggert offenbar Spocks eigene Erinnerungen, denn La’an erfährt dabei, dass er eine Schwester hatte, die sich für ihn geopfert hat. Ehrlich, dass gerade die zwei etwas gemeinsam haben, ist ein unerwarteter Kniff, den ich vielleicht spannender finde als beabsichtigt war. Schließlich sagt La’an doch auch etwas in der Art von „Gefühle helfen nicht, also hab ich keine“.
Dying Notes
• Nur so ein Gedanke, aber dass wirklich jeder an Bord so einen Gedenkbutton hat, also schon jemanden im Dienst der Sternenflotte verloren hat, würde mich nachdenklich stimmen.
• Wenn die von „archäologischer Medizin“ sprechen und dann Nadel und Faden rausholen, kommt einem das schon ein bisschen primitiv vor, oder?
• Okay, es ist offiziell: Pike ist mein Lieblingscaptain. Seine ruhige und überlegte Art angesichts der Krise ist bemerkenswert und hält die Folge zusammen.
3 ½ von 5 am Schwarzen Loch entlang surfenden Bananen.
Interessant, wie viele Deutungen von „memento mori“ es gibt.
Ich kenne die, dass das Sklaven zu ihren siegreich heimgekehrten Herren sagten, während die beim Triumphzug bejubelt wurden. Dabei hatte das die Bedeutung von „Bleib auf dem Teppich, du bist auch nur ein Mensch und musst einmal sterben wie wir alle“. Es war ein Aufruf zur Demut im Augenblick des Sieges.
Die Bedeutung gefiel mir immer am besten.
Oho, Pike wurde dein Liebling? Hmmm, wenn ich irgendwann doch mal Lust habe, mir Paramount+ mal als Channel bei Amazon dazu zu buchen, guck ich definitiv mal rein.
Kommt vielleicht tatsächlich auf den Kontext an, ich habe „memento mori“ ja nur aus kunsthistorischer Sicht kennengelernt. Das sind diese Gemälde, wo Totenschädel auf dem Tisch liegen.
Und Pike, ja, der ist eine interessante Mischung aus Picard und Kirk. Einerseits sehr diplomatisch, andererseits ein Anpacker. Die Rolle ist Anson Mount auf den Leib geschrieben, das muss man einfach neidlos anerkennen.