„Ich weiß nicht, was Ehre ist, aber ich verspreche Euch, dass ich Euch erst wieder küssen werde, wenn Ihr mich darum bittet.“
Gelegentlich überkommt mich das Bedürfnis, mir irgendeinen Film meiner Jugend bei Netflix anzusehen. Das ist ein bisschen wie russisches Roulette, denn das kann genauso in purer Nostalgie wie in zwei Stunden Fremdschämen enden. Kürzlich pickte ich mir „Der Erste Ritter“ heraus, eine recht eigenwillige Interpretation der Artus-Sage aus dem Jahre 1995 – und oh mei, habe ich dazu eine Meinung!
Die Parodie einer Liebesgeschichte
Also, worum geht es? Guinevere, die ebenso hübsche wie junge Herrin von Lyonesse, ist auf dem Weg nach Camelot. Dort soll sie den deutlich in die Jahre gekommenen König Artus heiraten. Doch ihr Tross wird von Prinz Malagant angegriffen, einem abtrünnigen Ritter der Tafelrunde. Lancelot, der ziellos durchs Land zieht und sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schwert verdient, rettet Guinevere und verliebt sich in sie. Als er später selbst nach Camelot kommt, nimmt er dort an einem Wettbewerb teil. Artus ist beeindruckt von Lancelots Geschick, und als er dann auch noch die kurz darauf von Malagant entführte Guinevere im Alleingang rettet, bietet er ihm einen Platz in der Tafelrunde an.
So weit so gut, hier kippt das Ganze dann in einer Weise, dass man den Film auch als Sitcom hätte inszenieren können. Es wird ein bisschen gekämpft, Lancelot siegt, dann erkennt er, dass er nicht in Guineveres Nähe bleiben kann. Also verabschiedet er sich, doch Guinevere wirft sich ihm an den Hals, und Lancelot küsst sie, als wolle er sie auffressen. (Die Szene ist verstörend und kein bisschen sexy.) Und was passiert? Natürlich, in genau diesem Augenblick kommt Artus ins Zimmer und erwischt sie. Also klagt er sie beide öffentlich der Verrats an, aber dann greift plötzlich Malagant an und es wird zur Abwechslung mal wieder gekämpft. Artus wird tödlich verletzt, und nachdem Lancelot Camelot erfolgreich verteidigt hat, überlässt er ihm Königreich und Ehefrau. Happyend.
Wahr gewordene Männerfantasien
Dieser Film ist auf so vielen Ebenen schlecht, dass ich seitenlang darüber referieren könnte. Aber es soll hier um die Liebeshandlung gehen, die, wenn mich nicht alles täuscht, sogar den Hauptplot darstellt, aber einfach nur cringy ist. (Die Sache mit der Zielgruppe ist die, dass die Kampfszenen so behäbig sind und die Liebesgeschichte derart schnulzig, dass mutmaßlich alle Geschlechter traumatisiert werden. Was im Grunde nur fair ist.)
An sich bräuchte ich gar nichts Substanzielles zu dieser Dreiecksbeziehung sagen, es reicht bereits ein Blick aufs Alter der Darsteller. Julia Ormond, die Guinevere spielt, war bei Veröffentlichung des Films 30 Jahre alt. Ihr zukünftiger Ehemann Artus wird von Sean Connery verkörpert, der damals 65 Jahre alt war und auch optisch ihr Opa sein könnte. Allerdings sollte auch das glattrasierte Gesicht und der verträumte Schlafzimmerblick von Richard Gere alias Lancelot nicht darüber hinwegtäuschen, dass er mit 46 Jahren ein gutes Stück älter als das Objekt seiner Begierde war. Ich kann mich täuschen, aber für mein Empfinden werden hier rein männliche Vorstellungen bedient, was einem vermeintlichen Frauenfilm eher wenig zuträglich ist.
Nein heißt nein
Letzten Endes fehlt mir der Überblick über Filme der 1990er, um beurteilen zu können, ob „Der Erste Ritter“ ein Ausreißer oder ein Symptom jener Zeit war. Denn Fakt ist, hier wird ein Frauen- bzw. Männerbild gezeichnet, das auch damals schon überholt war. Vielleicht wollte man einen „authentischen“ Eindruck des Mittelalters vermitteln. Wohin der Hase läuft, merkt man jedenfalls schon in der ersten halben Stunde. Da beschließt Guinevere, Artus’ Heiratsantrag aus der Ferne anzunehmen, und wird auf der Reise nach Camelot zur Maid in Not.
Auftritt Lancelot. Der präsentiert sich zunächst als ehrenwerter Retter. Auch, als er gegenüber einem der Angreifer andeutet, dass sie sich Guinevere ja teilen könnten, tut er das scheinbar nur, um ihn abzulenken. Doch als der besiegt ist, fordert er genau diese Art von Belohnung von Guinevere ein! Die lehnt höflich, aber bestimmt ab, doch Lancelot lässt nicht locker und pflanzt ihr ungefragt einen dicken Schmatzer auf den Mund. Mehr noch, er bedrängt sie, dass sie es doch auch will, er könne das in ihren Augen sehen. Ich meine, hallo?! Ist das die romantische Liebe, die uns hier verkauft werden soll?
Der Rest der Geschichte ist leider nicht besser. Lancelot stalkt Guinevere regelrecht, obwohl sie ihm mehrmals und eindeutig zu verstehen gibt, dass sie kein Interesse hat. Bis er schließlich abhauen will und sie es sich in einem Anflug von Stockholm-Syndrom anders überlegt. Ganz zu schweigen davon, dass Guinevere am Schluss wie eine Trophäe vom sterbenden Artus an Lancelot weitergereicht wird. Danke für dieses anschauliche Beispiel, wie eine Liebeshandlung nicht erzählt werden sollte.
Den Film hab ich nie gesehen (mag Richard Gere nicht), aber der besagte Kuss kam mal vor Ewigkeiten in der Werbung. Ich hab den auch als super unangenehm in Erinnerung. Wer dreht sowas und findet es gut? Die arme Schauspielerin, wie viele Takes musste sie durchstehen?
Dass am Ende der störende Ehemann so praktisch stirbt, ist ein Kniff, den ich ausgesprochen hasse. Wenn die beiden den Ehemann schon betrügen müssen, dann sollten sie auch dazu stehen und mit den Konsequenzen leben! Aber bevor man sie zu den Bösewichten macht, entledigt man sich lieber des störenden fünften Rads. Und alles löst sich in tränenreichem Wohlgefallen auf.
>_<
Wobei ich übrigens Connery in jedem Alter Gere vorziehen würde.
Ich glaube, die einzige Rolle, in der ich Richard Gere wirklich mochte, war „Ein Offizier und Gentleman“, obwohl ich insgeheim fürchte, der Film würde bei genauerer Betrachtung auch nicht wesentlich besser abschneiden. Aber er ist für mich kein Grund, einen Film NICHT zu schauen. (War er zumindest bisher nicht, jetzt … ich weiß nicht.)
Ich hab generell eine starke Abneigung gegenüber Dreiecksgeschichten, denn du kannst die Story drehen und wenden, wie du willst, eine Person wird immer verletzt. Ein Happyend ist also schon von vornherein ausgeschlossen. Wäre eigentlich auch mal ein gutes Thema für die „Liebeshandlungen“, dazu muss ich aber erst mal ein paar Beispiele sammeln.
Bei Dreiecksgeschichten nervt mich immer, dass der Autor fast immer ein Lieblingspaar hat, mit einem „Bösewicht“ als Eindringling.
Meistens ist das der ältere Ehemann, der der armen Ehefrau so unrecht tut, dass ihre Flucht in die Arme eines anderen völlig verständlich ist. (Nicht.)
Bei Outlander und Effi Briest z.B. ist er zu steif und versteht die Bedürfnisse seiner jungen Frau nicht.
Die Autorin wollen so dem Leser die Untreue schmackhaft machen, aber ich war immer auf der Seite des Betrogenen. Man kann auch Schluss machen, wenn es nicht mehr läuft, *bevor* man zweigleisig fährt.
Für „fiese“ Frauen, die ihren armen Ehemann von seiner einzig wahren Liebe fernhalten, gilt das übrigens genauso.
„Die Autorin wollen so …“
Sorry, „die Autoren“ sollte das heißen. Liebesromane werden ja nicht nur von Frauen geschrieben.
Klingt das nur für mich so, als wäre das ein tolles Thema für eine Kooperation? 😃 (Ist echt sooo lange her.) Weiß nicht, entweder suchen wir uns Beispiele, die wir beide kennen, oder jeder steuert selbst eine Handvoll bei. Vielleicht lässt sich auch noch ein bisschen psychologischer Rahmen recherchieren, wer weiß. Muss ja auch kein Schnellschuss sein, wir können das ja einfach mal im Hinterkopf behalten bei den Sachen, die wir in den nächsten Monaten schauen (oder lesen).