Die aktuell frühlingshaften Temperaturen sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Meteorologisch gesehen haben wir in Deutschland noch immer Winter. Das heißt allerdings nicht, dass man auf dem Balkon nicht schon einiges tun kann.
Wettermäßig waren die letzten Wochen ein einziges Auf und Ab, fast könnte man meinen, darin spiegele sich die mentale Gesundheit vieler Lockdown-geplagter Menschen wider. Es gab sonnige Tage, verregnete Tage, schneereiche Tage, windige Tage – letzten Endes wohl ein typisch deutscher Winter.
Im Hinblick auf meine Pläne für den Balkon war die neuerliche Verlängerung des Lockdowns ein Schlag ins Gesicht. Viel hatte ich darauf gesetzt, im Februar pünktlich zum Start der Saison ins Gartencenter und den Baumarkt gehen zu können, um alles Nötige zu kaufen. Stattdessen begann erneut die zeitintensive Suche im Internet, nach dem richtigen Saatgut, passenden Behältnissen und sogar Substrat. Denn mit der damals noch sehr wagen Aussicht auf Öffnungen im März konnte ich nicht länger warten.
Alles beginnt mit einem Saatkorn
Ich fing also mit dem Saatgut an, um abschätzen zu können, wie viele Gefäße ich am Ende brauche. Nach einigen nicht sehr hilfreichen Listen stieg ich allerdings bald auf eine Tabelle um, um die Pflanzen nach dem Monat sortieren zu können, in dem sie ausgesät werden müssen. Parallel zur Suche in Onlineshops notierte ich dann jeweils die bevorzugte Sorte sowie Art der Aussaat und Hinweise zu guten bzw. schlechten Nachbarn.
Wenn ihr euch übrigens ein Bild davon machen wollt, wie zeitaufwendig das war, habe ich eine Anekdote am Rande. Zuerst suchte ich mir mein Saatgut nämlich bei einem bekannten Gartencenter zusammen und merkte erst bei etwa der Hälfte der Liste, dass dort für Saatgut eine Mindestbestellmenge von jeweils 2 gilt. Was nicht nur die Kosten extrem in die Höhe getrieben hätte, sondern auch mehr gewesen wäre, als ich für einen Balkon jemals brauchen werde. Ich fing also beim nächsten Onlineshop wieder bei Null an. Im Nachhinein bin ich dennoch ganz froh darüber, weil ich dadurch einen Saatgut-Spezialisten gefunden habe, der in seinem Shop viele wichtige Informationen zu den Pflanzen gibt.
Dass ich im Eifer des Gefechts vergaß, Kräutersamen zu bestellen, war am Ende meine eigene Schuld. Ich freute mich wohl einfach ein bisschen zu sehr, dass ich dort auch Kokoserde und ein Dutzend günstiger Blumentöpfe bekam. Da ich später dann aber sowieso eine zweite Bestellung dort platzierte, weil die Erde gerade im Angebot war, hatte ich die Gelegenheit, auch noch ein paar Exoten in den Warenkorb zu werfen.
Dazu folgende Anmerkungen:
• Die Topfbaumwolle ist ein reiner Gag, ich weiß, dass die Ernte nicht mal zum Füllen eines Dekokissens reichen wird. Mich interessiert einfach, wie Baumwolle wächst.
• Basilikum ist erfahrungsgemäß eine extrem wuchsfreudige Pflanze, kommt in meiner Küche aber so gut wie nicht vor, weshalb ich nie weiß, wohin damit. Zimt-Basilikum schien mir eine gute Alternative, weil man damit auch Tees würzen kann.
• Der Schokoladenwein war ein Reinfall, da im Text der Hinweis fehlte, dass die Pflanze sehr langsam wächst und erst ab dem fünften Jahr Blüten entwickelt. Ob ich bis dahin noch in dieser Wohnung wohne, ist fraglich, wahrscheinlich werde ich das Saatgut verschenken.
• Nachdem der Schokoladenwein ausfällt, ist die Passionsblume nun mein einziges Zugeständnis an Ästhetik. Die Idee ist, sie zum Balkongeländer zu führen und dann seitlich daran entlang ranken zu lassen.
Erste Vitamine fürs Frühjahr
Wie gesagt, in unseren Breiten herrscht aktuell Winter, allzu viel kann man also noch nicht ausbringen. Der erste nennenswerte Schwung kommt Mitte bis Ende März, wobei auch dann noch immer vieles nicht direkt draußen gesät werden kann. Erst letztes Wochenende habe ich Baumwolle, Passionsblumen und Zitronenmelisse zur Vorzucht ausgesät, dazu mehr beim nächsten Mal.
Ein kleines Erfolgserlebnis kann ich euch aber trotzdem schon zeigen. Das im Volksmund auch Winterportulak genannte Gewöhnliche Tellerkraut (Claytonia perfoliata) ist ein klassischer Wintersalat. Man sät ihn entweder im Herbst, um über die Wintermonate frischen Salat ernten zu können, oder in den ersten Monaten des neuen Jahres, um die Zeit bis zur Ernte anderer Salatsorten zu überbrücken. Am besten gedeiht er bei Temperaturen unter 12 °C und übersteht nach dem Keimen auch schadlos Fröste.
Ich habe die ersten Samen des Winterportulaks Anfang Februar ausgebracht und machte mir dann ein wenig Sorgen, weil es plötzlich frühlingshaft (und damit zu warm) wurde. Kurz darauf kam allerdings der Wintereinbruch mit massenhaft Schnee. Weil die feuchte Kokoserde einfror, stellte ich den Topf also übergangsweise in mein Schlafzimmer, wo ich sehr wenig heize. Kurz darauf kamen die ersten Keimlinge, inzwischen ist der Topf wieder draußen. Ganz glücklich scheint der Portulak zwar nicht zu sein (zu wechselhafte Temperaturen?), aber ich hoffe das Beste.
Hoch hinaus
War da nicht noch was? Ach ja, das glorreiche Vorhaben, Pflanztaschen zu kaufen. Das war am Ende wohl doch zu ambitioniert, denn bei den Qualitätsunterschieden habe ich einfach nicht durchgeblickt. Dann gab es günstig Töpfe beim Saatgut-Händler, und so kam eins zum anderen. Stattdessen habe ich anderweitig investiert: in ein Hochbeet.
Eingangs hatte ich überlegt, mir ein Bambusregal zuzulegen, um platzsparend pflanzen zu können. Dann aber stolperte ich mehr zufällig über „Cube 4“ von Hecht und wusste sofort, das ist es! Das Besondere daran sind die schwenkbaren Kästen, durch die man die Pflanzen immer schön zur Sonne neigen kann. Außerdem ist es derart stabil und schwer, dass ich mir keine Sorgen machen muss, ein bisschen Wind könnte es umhauen. (Ich musste es direkt an Ort und Stelle aufbauen, weil ich es hinterher nicht mehr bewegt gekriegt hätte.)
Ihr seht, es geht voran. In zwei, drei Wochen säe ich die nächsten Samen aus und kann beim nächsten Mal hoffentlich schon etwas mehr zeigen.
Ich werde mich dieses Wochenende das erste Mal überhaupt mit dem „Abenteuer Tomatenanzucht“ befassen.
Okay, das entlockt dir ob der Banalität jetzt sicher nur ein müdes Lächeln, aber ich bin schon überfordert, die richtige Sorte auszuwählen.
Es gibt sogar schwarze Tomaten, Tigertomaten und braune „Schokoladentomaten“ (welche gut neben deinen Schokoladenwein passen würden) …
Aber ich glaub, ich beginne erst mal mit den normalen Kirschtomaten. Bin gespannt, ob ich im Sommer wirklich was zu ernten bekomme.
Ach was, was heißt hier banal? Ich glaube aber, Tomaten sind ein guter Einstieg, denn wenn die Ernte meiner Eltern auch nur ansatzweise repräsentativ war, dann wirst du dich vor Tomaten nicht mehr retten können. Meine Eltern wussten am Ende nicht mehr, wohin damit, so viel konnten sie gar nicht essen. (Schade, dass ich Tomaten nicht mag, ich hätte sonst gerne auch mal welche gezogen.)
Das Sorten-Problem hat man echt bei fast allem, es gibt mittlerweile unfassbar viel Auswahl. Ich hab vor allem darauf geschaut, ob es jeweils spezielle Züchtungen für Kübel gibt. Auch Resistenzen gegen bestimmte Schädlinge sind nicht verkehrt. Aber es gibt auch viele Spezialfälle; bei Gurken gibt es beispielsweise Hybriden, die sich selbst befruchten, ohne Insekten. Die sind vor allem für Gewächshäuser gedacht, unter Hobbygärtnern aber sehr umstritten. Ehrlich, das ist eine ganz eigene Welt, in der man sich verlieren kann. 😅
Verlieren ist ein gutes Stichwort, zumal die Informationsflut teilweise auch komplett widersprüchlich ist. Eine Seite schreibt, vor dem Winter alle Blätter der Pflanze zu entfernen, weil sie sonst faulen, eine andere, dass man sie unbedingt dranlassen soll als Winterschutz. Da hilft oft nur Ausprobieren und seine eigenen Erfahrungen zu machen. Und nicht zu viele Infoseiten zu lesen 😉
Sehr brav, Jessica. Also um den Winterportulak würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen, die zunehmende Tageslänge sollte das schon richten. Schade das es mit den Pflanztaschen nix geworden ist. Wäre mit Sicherheit interessant gewesen, ob es sich in der Praxis und im speziellen, für den Gemüseanbau auch praktikabel handhaben ließe. Aber dein Sturm und Wetterfestes Hochbeet, ich denke da hast du gut investiert.
Das Radischen gegen Blattläuse schützen war mir bis jetzt nicht bekannt. Zumindest ist es mir noch nicht so im direktem Maße aufgefallen. Bei mir wachsen Radieschen zwar oft mal als Lückenfüller zwischen all dem anderem Gemüse, aber ich werde vielleicht doch einmal eingehender darauf achten ob die tatsächlich eine kleine Abhilfe gegen Blattläuse sein können.
Hm, Schokoladenwein. Noch so ein mir bis dato unbekanntes Gewächs. Als Balkonpflanze stelle ich mir das aber doch etwas trickreich vor. So von Wuchs und Habitus. Und weil du schreibst fünf Jahre bis zur ersten Blüte. Hast du da einen bestimmten Takt beim Wechsel deines Zuhauses, oder ist es für dich wieder ein Zeichen zum Aufbruch, wenn du die letzte verloren geglaubte Sache, nach dem vorhergehenden Umzug, schlussendlich doch noch findest.😄
Glaub besser nicht alles ungeprüft, was ich so schreibe. Irgendwo habe ich das mit den Radieschen sicher gelesen, aber rekonstruieren kann ich es gerade nicht. 😅 Es ging, glaube ich, mehr um Mischkultur, also wie sich Pflanzen gegenseitig helfen. In dem Zusammenhang habe ich auch gelesen, dass Kerbel sehr gut helfen soll, vor allem neben Kohlsorten.
Und ich gebe zu, beim Schokoladenwein wurde ich vermutlich getriggert, weil es hieß, die Blüten duften nach Vanille. Übrigens, nein, ich habe keine Takt beim Umziehen. Ich hoffe lediglich, dass ich innerhalb der nächsten fünf Jahre irgendwann meinen „letzten“ Umzug hinkriege, also den in Eigentum.
Na ja, Glauben. Ich sehe das mehr so als Denkanstoß, was wie wo wann wächst. Was hilft sich gegenseitig, was toleriert sich und was kann halt gar nicht miteinander. Tomaten und Paprika vertragen sich zum Beispiel, nach meiner bisherigen Erfahrung nicht. Die Tomate wächst dabei zwar vor sich hin, aber der Paprika der überlebt halt so einigermaßen.
Natürlich sollte man sich ein bisschen über gewisse Sache informieren aber das Internet ist mir da nur begleitend hilfreich und es ersetzt mir nicht den Kontakt mit einem Gegenüber und natürlich ganz wichtig, Versuch und Irrtum.
Soll einfach heißen ich mag es eben nicht, einen bestimmten Sachverhalt zu Tode zu recherieren. Ich brauche da irgendwie die Zwischenräume für Spaß und Phantasie.😊
Okay, das kann ich verstehen. Über Mischkultur hab ich mir in der Vergangenheit nur nie Gedanken gemacht, das hat sich bei meinen vereinzelten Versuchen gar nicht gelohnt. In der Hinsicht fehlt mir also schlicht die Erfahrung. Umso mehr weiß ich über Schnecken-Invasionen und gefräßige Raupen mit Vorliebe für ätherische Öle Bescheid. 🤣