„If you are who I think you are, you are dear to me in ways that you can’t understand. I will never leave you.“
Picard nimmt sich einer jungen Frau namens Dahj an, die von geheimnisvollen Angreifern verfolgt wird. Spoiler!
Tea, Earl Grey, decaf
Seit Jean-Luc Picard aus der Sternenflotte ausgetreten ist, lebt er zurückgezogen auf seinem Weingut in Frankreich und zeigt sich nur noch selten in der Öffentlichkeit. Da tritt eine junge Frau namens Dahj an ihn heran und erzählt ihm von unbekannten Angreifern, deren Auftauchen etwas in ihr aufgeweckt zu haben scheint. Ein dreißig Jahre altes Gemälde von Data lässt ihn vermuten, dass Dahj eine neue Art von Android sein könnte. Bevor er seine These jedoch überprüfen kann, wird das Mädchen getötet, und Picard beschließt, das Geheimnis um ihre Existenz zu lösen.
Ein herausragender Einstand
Die Erwartungen an „Star Trek: Picard“ waren so hoch, dass es beinahe schien, als könne die Serie nur scheitern. Umso überraschender ist, dass die erste Folge das glatte Gegenteil beweist. „Remembrance“ zeigt uns einen Picard, dessen idealistischer Charakter immer wieder durchscheint, der aber auch von der Sternenflotte enttäuscht ist und eine gewisse abgeklärte Resignation an den Tag legt. Das ist eine interessante Ausgangssituation, die wohl auch ein bisschen das allgemeine gesellschaftliche Klima widerspiegelt.
Was vielleicht das Erstaunlichste ist: „Star Trek: Picard“ traut sich, ein vergleichsweise gemächliches Tempo einzuschlagen, das dem Alter seines Protagonisten angemessen ist. Auf epische Raumschlachten und Actionsequenzen müssen wir deswegen sicher nicht verzichten, da der restliche Cast dafür umso jünger ist. Aber wenn Picard eine Treppe nach oben gezerrt wird und dabei verzweifelt nach Luft schnappt, dann hat das durchaus Methode und charakterisiert den Tonfall der Serie vielleicht sogar am besten.
Interviewer: „Why did you really quit Starfleet?“
Picard: „Because it was no longer Starfleet! We withdrew. The galaxy was mourning, burying its dead, and Starfleet had slunk from its duties. The decision to call off the rescue and to abandon those people we had sworn to save was not just dishonorable. It was downright criminal! And I was not prepared to stand by and be a spectator.“
Steht Picard auf der falschen Seite der Geschichte?
Viel ist jedenfalls passiert, seit wir den Captain zuletzt gesehen haben. Wir erfahren, dass er es bis zum Admiral geschafft hat und eine Schlüsselrolle bei der Evakuierung Romulus‘ spielte. Ein Vorfall, der für viele noch immer eine offene Wunde ist, da die Romulaner stets der größte Feind der Föderation waren. Die genauen Zusammenhänge werden in der kurzen Zusammenfassung beim Interview noch nicht klar, doch es gab im Zuge dessen wohl einen Angriff einiger außer Kontrolle geratener Androiden, was zur Katastrophe auf dem Mars führte.
Dieser Part der Geschichte ist für mich aktuell der spannendste, denn er ist eine subtile, doch offensichtliche Analogie zur wachsenden Fortschrittsfeindlichkeit unserer Zeit. Picard betont, dass es ein Fehler war, die Erforschung künstlicher Lebensformen einzustellen, weil niemand weiß, was eigentlich zu dem Zwischenfall geführt hat. Die Methode „Kopf in den Sand“ ist mittlerweile weit verbreitet, egal, ob es um Energieversorgung, Mobilität oder Wirtschaft geht. Dass Picards Meinung zu dem Thema als gelinde gesagt extrem angesehen wird, ist eigentlich nur noch das Sahnehäubchen.
Zwillinge als durchgängiges Thema der Folge
Die Romulaner scheinen aber eine in jeder Hinsicht zentrale Rolle zu spielen. Die Angreifer, die Dahj jagen, sind Romulaner. Ihre Zwillingsschwester Soji, von deren Existenz wir erst am Ende der Folge erfahren, lebt und arbeitet hingegen unbehelligt bei den Romulanern. Interessant ist eines: Dr. Agnes Jurati erklärt Picard, dass Androiden in Paaren geschaffen werden. Ob das explizit etwas mit dem „fractal neuronic cloning“ zu tun hat, wird daraus nicht ersichtlich, aber das spielt in dem Zusammenhang auch gar keine Rolle. Es geht darum, dass Dahj und Soji Zwillinge sind – genauso wie Romulus und Remus Zwillinge waren. Oder Data und der mittlerweile in einer Schublade gelagerte B-4.
„Sitting here, all these years, nursing my offended dignity, writing books of history people prefer to forget. I never asked anything of myself – at all. I haven’t been living. I’ve been waiting to die.“
Welche Rolle spielen die Borg?
Dass die Bord wiederkommen würden, wurde bereits im Vorfeld angedeutet, weil auch Jeri Ryan ihre Rolle als Seven of Nine wiederaufnehmen wird. Ich gebe zu, ich war nie ein allzu großer Fan der Borg, obwohl der Locutus-Zweiteiler damals natürlich ein absoluter Wendepunkt für „Star Trek“ war. In welchem Verhältnis genau die Sternenflotte mittlerweile zu den Borg steht, wissen wir noch nicht, doch zumindest die Romulaner scheinen eine Art Allianz mit ihnen eingegangen zu sein. Entweder das, oder sie haben einen Kubus gekidnappt, um ihn zu erforschen.
Remembered Notes
• Das Quantenarchiv fand ich sehr spannend. Einerseits visuell, andererseits weil Picards Raum dort vermutlich etliche Easter Eggs enthält. Besonders süß fand ich das Banner vom „Captain Picard Day“.
• Was ist eigentlich mit Dahjs Mutter? Existiert sie überhaupt oder ist sie nur … keine Ahnung, ein Hologramm? Und woher wusste sie von Picard?
• Von den neuen Figuren finde ich Dr. Agnes Jurati bisher am sympathischsten. Vielleicht auch wegen ihrem resignierten „I really, really wish you’d come here on my day off“.
5 von 5 entkoffeinierten Bananen.
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Hhm, Jes. Bisher hatte ich ja nicht den allergeringsten Zweifel, dass ich der Fernseh(serien)-Unterhaltungsindustrie so scharf und klar den Rücken gekehrt habe. Aber wie dem auch sei, es ist eine Entscheidung. Und es ist meine. Vorallem aber die Allianz, wenn es denn tatsächlich eine ist, zwischen den Romulanern und den Borg, also das finde ich wirklich überaus interessant. Also ja, du schaust weiter fleißig und ich werde weiter fleißig lesen. Und vielleicht schaffe ich es ja und enthalte mich dem einen oder anderen kruden Kommentar.?
Alles im allem, man freut sich.
Ach, im Grunde bewundere ich diese Konsequenz. Ich würde ja gerne sagen, dass ich nur wegen des Blogs nicht darauf verzichten könnte, aber die Wahrheit ist, ich bin einfach ein schlimmer Serienjunkie. Für mich wäre der Verzicht der blanke Horror.
Aber hey, welch spannendes Experiment, ob die Reviews dir am Ende ein rundes Bild der Serie vermitteln können! Kleiner Spoiler: Das mit der Allianz war ein Fehlschluss, aber verzeihlich, da wir hier nur ganz kurz den Kubus sehen. Was genau da abgeht … nun, da rätsel ich momentan noch.