ZSSD | Review: Quantum Break – Tempus Frangit

„If time is an egg, then that egg is fucking broken! The time egg is fucked!“

Quantum Break, Remedy Entertainment, 2016

Worum geht es?

Das 2016 erschienene Third Person-Spiel Quantum Break des finnischen Entwicklers Remedy Entertainment behandelt die sehr komplexe Frage, was passiert, wenn die Zeit nicht mehr in der Art existiert, wie wir sie kennen. Wenn sie durch eine grobe Fahrlässigkeit bricht wie Glas, und jemanden erschafft, der sie manipulieren, anhalten, nach Belieben vor- und zurückspulen kann.

Im Zentrum des Spiels steht eine mächtige Firma namens Monarch Solutions, spezialisiert auf Chronontechnologie und Sicherheitstechnik, und ihr Gründer und Firmenchef Paul Serene, dem der Schauspieler Aidan Gillen Stimme und Aussehen verleiht. Er läd den Helden des Spiels, Jack Joyce (Shawn Ashmore), ein, sein neustes Projekt zu begutachten, denn beide sind seit langer Zeit Freunde. Auch Jacks Bruder William (verblüffend ähnlich: Dominic Monaghan) hat an diesem Projekt gearbeitet, ist aber zuvor wegen zu großer Bedenken ausgestiegen.
Die Maschine, die Jack nun vorgeführt bekommt, ähnelt einem Teilchenbeschleuniger, beziehungsweise einem langen, ringförmig gebogenen Tunnel. Betritt man diesen in eingeschaltetem Zustand, bewegt man sich vorwärts oder rückwärts in der Zeit.
Etwas zögerlich hilft Jack beim ersten Einschalten mit und beobachtet seinen Freund Paul, wie er die Maschine betritt. Erst scheint alles gut zu gehen, doch dann erleidet das System einen fatalen Zusammenbruch, und eine große Menge an sogenannter Chrononstrahlung wird freigesetzt. Jack und Paul werden voll getroffen, als zusätzlich William erscheint und sie vergeblich zu warnen versucht.
Kurz darauf stürmt bewaffnetes Sicherheitspersonal den Versuchsraum, und Jack ist gezwungen, zu fliehen. Er bemerkt schnell, dass ihn die Überdosis Chrononstrahlung plötzlich befähigt, aktiv in die Zeit einzugreifen. Eine auf ihn abgefeuerte Gewehrsalve friert er ein und kann so bequem ausweichen. Ein andermal schießt er auf einen erstarrten Angreifer, sodass auch seine Kugeln in der Luft stehen bleiben, dann löst er die Zeitblockade und lässt die Projektile ihre geballte Arbeit tun.
Doch das Sicherheitspersonal ist nicht das einzige Problem. Überall scheint die Zeit zu zersplittern, sie vergeht nicht mehr linear, sondern mehr und mehr chaotisch. Paul erscheint plötzlich gealtert und spricht vom Ende der Zeit, das er während seiner Zeitreise selbst erlebt hat, und das in Kürze bevorsteht. Denn mit dem ersten Einschalten der Maschine und ihrem Zusammenbruch, hat die Zeit selbst als Konstante einen Riss bekommen, der sich ausbreitet und droht, alles zu zerstören. Die Figuren in Quantum Break müssen sich durch eine Welt kämpfen, die mehr und mehr aus den Fugen gerät.

Wie ist es?

Quantum Break existiert auf zwei Ebenen. Die Geschichte wird episodisch erzählt, einmal als Videospiel und einmal als reale Miniserie, in Folgen, die sich gegenseitig abwechseln. Die Schauspieler des filmischen Teils sind für das Spiel nachgerendert worden, zudem hat man ihre Bewegungen mit der Motion Capture-Technik aufgezeichnet. Shawn Ashmore, beispielsweise, spielt Jack Joyce in der Serie und im Spiel. Dabei greifen die Geschehnisse ineinander, denn Spiel und Film werden aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Was man im Spiel manipuliert, wird in der folgenden filmischen Episode Thema und umgekehrt.
Auch wenn diese Technik bei den Spielern auf gemischtes Echo gestoßen ist, mir hat es gefallen. Im filmischen Teil kann man viel mehr Handlung unterbringen, der Spieler kann sich einen Moment zurücklehnen und andere Teile der komplexen Geschichte betrachten.
Das Konzept der zerstörten Zeit hat mich von Anfang an fasziniert. Sie wird nicht als ewige, unveränderliche Konstante dargestellt, sondern als ein fragiles, gar nicht so selbstverständliches Gefüge. Im Spiel wird beeindruckend gezeigt, wie sie regelrecht ins Stottern gerät, unvorhersehbar vorwärts und rückwärts läuft, splittert, Blasen schlägt und sich nicht mehr berechnen lässt. Manchmal kommt dem Spieler das auch zugute, wenn ein explodierender Container gerade so im Raum einfriert, dass er eine Art Brücke bildet, über die man von A nach B gelangt.
Wirklich unheimlich fand ich auch die Idee eines Endes der Zeit. Die Vorstellung, wie die ganze Welt in einer beliebigen Sekunde einfriert, für immer, irreversibel, hat etwas sehr Bedrückendes. Eine gesamte Realität, eingefroren für immer. Es ist keine laute Katastrophe wie einfallende, schießwütige Aliens, hungrige Zombies oder ein wachsendes schwarzes Loch, das alles zerstört. Es ist ein einfaches Anhalten allen Lebens. Und auf einmal, obwohl niemand wirklich gestorben ist, ist die Erde still und trostlos.
Diese schleichende Bedrohung liegt in jeder Sekunde des Spiels über den Figuren. Sie kämpfen gegen einen Gegner, der übermächtig und unaufhaltbar zu sein scheint. Ob es ihnen gelingt, das Geschehene zu verhindern und den Verfall der Zeit aufzuhalten, bleibt bis zum Ende spannend.

Was kommt danach?

Ob Quantum Break eine Fortsetzung bekommt, ist nicht sicher.
Allerdings erschien aus derselben Spieleschmiede letzte Woche ein neues, sehr ähnliches Spiel: Control. Diesmal sind zwar weniger Zeit- als vielmehr Raummanipulationen das Thema, Vorkommnisse in einer US-Behörde, die diese Phänomene eigentlich eindämmen und untersuchen soll. Wie in Quantum Break steht jedoch auch hier das Mysteriöse, Unerklärliche im Mittelpunkt. Wieder geht es um Wissenschaft, das Erforschen von Phänomenen, die jeder Folge Akte X zur Ehre gereicht hätten, gepaart mit einer ständig lauernden Gefahr. Wie auch in Quantum Break ist etwas aus den Fugen geraten, etwas Unkontrollierbares hat sich Bahn gebrochen und droht, der Welt irreparablen Schaden zuzufügen. Remedy Entertainment bleibt auch hier seiner Linie treu, die das Studio bereits im 2010 erschienenen Spiel Alan Wake eingeschlagen hat. Alle drei Spiele nehmen darüber hinaus Bezug auf einander und zitieren sich, sodass man sie durchaus als eine Art Kanon ansehen kann.
Empfehlen kann ich alle drei sowieso. Wer Remedys Art zu Erzählen mag, wird wohl von keinem der Spiele enttäuscht sein.