„I’m not so sure Daredevil is the problem.“
Matt Murdock findet Zuflucht in der Clinton Church, doch seine körperlichen Wunden scheinen noch das geringste Problem zu sein. Spoiler!
I believed I was God’s soldier
Matt Murdock erwacht schwer verletzt in der Clinton Church, wo er nach dem Tod seines Vaters aufwachsen ist. Dort kümmert sich Schwester Maggie nicht nur um seine körperlichen Wunden, sondern konfrontiert ihn auch mit seinem Selbstmitleid und seinem ins Wanken geratenen Glauben. Foggy und Karen müssen derweil davon ausgehen, dass Matt tot ist, doch Karen glaubt weiterhin an seine Rückkehr und kümmert sich um seine Wohnung. Unterdessen wendet sich Wilson Fisk im Gefängnis an das FBI, um einen Deal zu machen und auf diese Weise Vanessa zu schützen.
Held oder Teufel spielt keine Rolle mehr
„Resurrection“ trifft unseren Helden Matt Murdock am Tiefpunkt. Obwohl er am Ende von „The Defenders“ durch sein Opfer die Stadt gerettet hat, fühlt sich das für ihn nicht wie ein Sieg an. Er wollte mit Elektra in den Tod gehen, doch er hat überlebt, während sie offenbar wirklich gegangen ist. Schwester Maggie nennt es Selbstmitleid, tatsächlich aber fühlt es sich mehr wie eine Depression an, die an Todessehnsucht grenzt. War er bislang lediglich davon überzeugt, nur als Matt Murdock, der Rechtsanwalt, nichts ausrichten zu können, hält er jetzt sogar Daredevil für gescheitert.
Lieber als Teufel sterben als als Matt leben, sagt er an einer Stelle, und es ist dieser Satz, der hängen bleibt. Mag es auch so aussehen, als käme er wieder auf die Beine, als er schließlich wieder raus geht und Verbrechen bekämpft, spricht sein Verhalten im Kampf eine ganz andere Sprache. Denn als seine Gegner ihn bereits in Ruhe lassen wollen, wirft er ihnen noch eine Waffe zu, damit sie ihn endgültig erledigen.
„I’m truly in the dark now. I only bleed for myself.“
Dunkelheit & Licht
Wie wir es von „Daredevil“ gewohnt sind, spielt die Bildsprache auch diesmal wieder eine Hauptrolle. Wir erleben Matt fast die ganze Folge über in der Dunkelheit, irgendwo im Keller der Kirche, wo kaum natürliches Licht mehr hingelangt. Es spielt für ihn keine Rolle, denn durch die Explosion wurde sein rechtes Ohr geschädigt, womit er zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder wirklich blind ist. Er tappt nicht nur metaphorisch im Dunkeln, sondern im wahrsten Sinne des Wortes. Und es scheint nur noch eine Richtung zu geben: nach unten.
Fisk auf der anderen Seite befindet sich auf dem Rückweg ins Licht, und das äußert sich auch filmisch: Er ist die ganze Zeit von hellen, ja teilweise strahlend weißen Wänden umgeben. Sein Gefängnis fühlt sich weniger nach einem an als Matts freiwillig gewählte Zuflucht. Und Fisk zieht aus seinem Schicksal nicht den Schluss, dass er geschlagen wurde, sondern dass es Zeit wird, sich wieder aufzurappeln und sein Leben in die Hand zu nehmen. Das ist ein interessanter Kontrast und verändert die Dynamik der beiden Antagonisten grundlegend. Es könnte die entscheidende Wende sein, der Moment, in dem Matt alias Daredevil erstmals jemanden tötet, weil er ohnehin nichts mehr zu verlieren hat.
Matts emotionaler Rückzug
Es ist indes eine für einen Depressiven typische Reaktion, dass Matt glaubt, von allen verlassen worden zu sein, obwohl er von Menschen umgeben ist, die ihm helfen wollen. Das beginnt bei Maggie, die nicht locker lässt und dabei auch immer wieder Gott anspricht, von dem sich Matt verraten fühlt. Und es endet mit Karen und Foggy, die nur auf ein Lebenszeichen von ihm warten, während er gegenüber Maggie anfangs sogar behauptet, keine Freunde zu haben, die sich um ihn sorgen könnten. Er zieht sich von allen zurück, um sein Gefühl der Leere zu rechtfertigen.
Wie lange seine Freunde auf ihn warten werden, steht in den Sternen. Foggy scheint viel eher als Karen bereit, ihn gehen zu lassen, lässt sich von ihr jedoch überzeugen, dass er noch am Leben ist. Die andere Frage ist, wo sie anknüpfen wollen, wenn sie wieder aufeinandertreffen, was unweigerlich passieren wird. In Rückblenden sehen wir ansatzweise, was passiert ist, nachdem Matt Karen am Ende von Staffel 2 endlich gesagt hat, dass er Daredevil ist, und auch sie wusste damals schon, dass womöglich nicht Daredevil das Problem ist.
„In front of this God, I’d rather die as the Devil than live as Matt Murdock.“
Neue Gesichter
In einer letzten Sequenz schließlich lernen wir Ray Nadeem kennen, der mit dieser Staffel neu hinzugekommen ist. Er ist augenscheinlich ein aufrechter FBI-Agent, der durch die Krebserkrankung seiner Schwägerin in Geldnöte geraten ist. Die Tatsache, dass er von seinem Arbeitgeber nicht die Wertschätzung erhält, die ihm gebührt (auch in finanzieller Hinsicht), macht ihn verwundbar und zu einem denkbar schlechten Gegenüber für Wilson Fisk. Ich ahne, dass Nadeem nicht für immer so ein aufrechter Agent bleiben wird …
Resurrected Notes
• Wie Matts Einschränkungen für den Zuschauer erlebbar gemacht werden, ist einmal mehr großartig. Aus seiner Perspektive ist nicht nur der Ton dumpf, auch alles, was etwas weiter entfernt ist, wird unscharf gezeigt.
• Den Boxkampf fand ich etwas random und auch reichlich sinnlos. Was hat Maggie damit bezweckt?
• By the way: Das alte, provisorische Kostüm ist zurück – und ich find’s großartig. Natürlich passt es auch zum Thema, denn Matt versteht sich nicht länger als Held.
4 ½ von 5 hörgeschädigten Bananen.
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