„We come here, we work, we die.“
Obwohl sich Offred nun wie eine brave Magd verhält, organisiert Serena eine Braut für Nick, um ihr Band für immer zu zerstören. Spoiler!
Cows don’t get married
Nachdem sich June in Offred zurückgezogen hat, ist ihr Leben um vieles einfacher, doch selbst Serena bemerkt, dass sie wie verwandelt ist, und misstraut dem Frieden. Als sie zu bluten beginnt, scheint Offred das gar nicht wirklich wahrzunehmen und erzählt niemandem davon, während sie weiterhin die brave Magd gibt. Doch einen letzten Schlag hat Serena noch auf Lager: Sie bringt Fred dazu, Nick zur Belohnung verheiraten zu lassen, und nimmt Offred mit zur Feier.
Nur ein Gefäß
„The Handmaid’s Tale“ konfrontiert uns immer wieder mit der Frage, wie viel ein Mensch aushalten kann, bevor er zerbricht. June/Offred war zuletzt an der Grenze des Ertragbaren und hat dankbar nach Tante Lydias Strohhalm gegriffen, um zu überleben. Doch welche Art von Leben ist das? Ich glaube nicht, dass Offred das Baby absichtlich in Gefahr bringen wollte oder ernsthaft darauf spekuliert hat, dass es stirbt – und sie womöglich gleich mit. Sie ist im Gegenteil genau das geworden, was sie immer sein sollte: ein Gefäß und mehr nicht. Irgendwie scheint regelrecht eine geistige Abtrennung von ihrem eigenen Körper stattgefunden zu haben. Sie war gar nicht mehr in der Lage, das Blut mit sich und ihrem Zustand in Verbindung zu bringen.
Was genau der Auslöser ist, dass June wieder die Oberhand gewinnt, ist schwer zu sagen. Die Folge ist wohl auch bewusst so erzählt, dass wir nicht sehen, was zwischen ihrem Zusammensacken am Fenster und dem Moment, als Nick sie im Garten liegend findet, geschehen ist. Ist sie gesprungen? Gefallen? Ist sie gezielt nach draußen gegangen? Es spielt im Grunde auch keine Rolle, sie hatte sich selbst verloren. Als sie später im Krankenhaus aufwacht und über den Monitor den kräftigen Herzschlag ihres Babys hört, scheint das vieles wieder ins Perspektive zu rücken. Offred war nur ein Gefäß, für das die Existenz des Babys nichts als ein abstrakter Gedanke war. June aber spürt die Verbindung zwischen sich und ihrem Kind und ist entschlossen, für ihrer beider Freiheit zu kämpfen.
„You’re tough, aren’t you? Now you listen to me, okay? I will not let you grow up in this place. I won’t do it, you hear me? They … they do not own you. And they do not own what you will become. Do you hear me? I’m gonna get you out of here. I’m gonna get us out of here. I promise you. I promise.“
Wieso einen Gegner treten, der schon am Boden liegt?
Das Paradoxe an der Geschichte, die „Seeds“ erzählt, ist Serenas Entschlossenheit, eine bereits gebrochene Seele noch weiter zu zertrampeln. Wenn sie sich wirklich so sehnlich ein Baby wünscht, wie sie uns immer wieder weismachen will, wieso braucht es dann eine Tante Lydia, die ihr sagt, dass sie mit dem Gefäß, in dem selbiges Baby heranwächst, behutsam umgehen muss? Wieso behandelt sie Nicks jugendliche Braut Eden wie eine Tochter, ihre Leihmutter hingegen wie einen Fußabtreter? Hatte ich zuvor noch gelegentlich Mitleid mit ihr, sehe ich in ihr mittlerweile nur noch eine Psychopathin. Natürlich ist klar, dass sie Nick aus dem Haus haben will, weil sie denkt, er und June lieben sich. (Etwas, was ich ehrlich gesagt bezweifle. Anziehung vielleicht, aber keine Liebe.) Aber selbst ihr sollte aufgefallen sein, dass Offred Nick komplett ignoriert, also gar kein Grund besteht, etwas zu unternehmen. Es ist reine Bosheit, die sie antreibt, weil zwischen ihr und Fred keine Liebe mehr ist, und am Ende ist es wohl ausgerechnet dieser letzte Schlag, der June wieder zur Besinnung bringt.
Lydia: „I’m pleased that everything is going so well with the baby.“
Serena: „As our doctor would happily tell you.“
Lydia: „Have I let myself become a bother? There’s so much more to a successful preganancy than can be measured in a doctor’s office. The ventilation in a handmaid’s room. The firmness of the bed. The mood in the household. Her attitude seems much improved.“
Serena: „It’s everything a wife could ask for. She’s quite unlike herself.“
Zwei Hochzeiten und ein Todesfall
Das Prayvaganza nun ist eine ganz andere Geschichte. Ich habe mir sagen lassen, dass es auch im Buch vorkommt, doch um ehrlich zu sein, muss das so ein unbedeutender Handlungsstrang gewesen sein, dass ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern kann. Und ja, der große Schock daran ist, dass die Bräute noch halbe Kinder sind, deren einziger Zweck im Leben ist, selbst Kinder zu kriegen. Das eigentlich Traurige aber ist, dass diese Kinder nicht wissen, dass es je anders war. Und wie June im Buch an einer Stelle reflektiert, wenn die Erinnerung stirbt, stirbt auch jeder Funke von Widerstand.
Dann wiederum wird jenes unpersönliche Massenereignis durch eine intime Zeremonie an einem Ort kontrastiert, wo es eigentlich keine Hoffnung mehr geben sollte. Emilys Reaktion ist verständlich, aber sie ist auch falsch. Janine mag einfältig sein, aber eines zumindest hat sie begriffen: Dieses kleine Glück hat nichts mit ihren äußeren Umständen zu tun oder damit, ihre Unterdrücker triumphieren zu lassen, indem sie sich mit ihrer Lage arrangieren. Das ist Widerstand in seiner pursten Form, weil diesen Frauen egal ist, wo sie sind, wie lange sie noch leben werden, oder was andere über sie denken. Es ist ein komplett anderer Ansatz als das lächerliche Prayvaganza, auf das sich Gilead so viel einbildet.
Blessed be the fruit
• Offred verbrennt die Briefe der anderen Mägde. Ein Teil von mir nimmt ihr das wirklich übel, aber tatsächlich weiß sie natürlich gar nicht, was sie da tut.
• Serenas Blick, als sie Lydia beim Schreiben beobachtet, ist unbezahlbar. Übrigens glaube ich, dass sie June in gewisser Weise sogar vermisst, denn jetzt ist ihr Alltag noch langweiliger.
• Offred, die im völlig roten Badewasser liegt, war ein fürchterliches Bild und umschreibt ihren psychischen Zustand vielleicht am besten.
5 von 5 blutenden Bananen.