„Do you even know what you were guarding here? The real purpose of this place?“
Auch wenn Arnolds Vision einmal eine andere war, erkennt William früh das wahre Potenzial des Parks. Spoiler!
You get used to it, after a while it doesn’t look like anything at all
Während Dolores ihren Rachefeldzug fortsetzt und nach Verbündeten sucht, werfen wir einen Blick in die Vergangenheit, als Arnold Dolores bereits einmal in die reale Welt mitgenommen hat, um sie und andere Hosts Logan Delos als potenziellem Investor vorzustellen. Nach seinem Erlebnis in Westworld versucht auch William, seinen Schwiegervater davon zu überzeugen, in den Park zu investieren, um auf diese Weise Marketingkosten einzusparen.
Der Beginn einer ungesunden Beziehung fürs Leben
„Reunion“ ist vielleicht die bis dato bedeutsamste Folge der Serie, auch wenn sie Schwierigkeiten hat, abseits der moralischen Fragen ihre Spannung zu halten. Insbesondere Dolores‘ Feldzug durch den Park verliert stark an Zugkraft, weil er jene philosophische Tiefe vermissen lässt, die ihre Bewusstwerdung in der ersten Staffel auszeichnete. Getragen wird die Folge stattdessen vom Blick in die Vergangenheit, womit die Erzählung um eine weitere Zeitlinie bereichert wird.
Das Faszinierende ist, dass wir hier im wahrsten Sinne des Wortes sehen können, wie William zum Man in Black wird. Sein Erlebnis mit Dolores hat ihn desillusioniert, aber er kommt nicht davon los. Statt also Westworld und damit seiner unerfüllten Liebe den Rücken zu kehren, kettet er sich in geradezu masochistischer Weise daran fest, während er gleichzeitig die ursprüngliche Idee korrumpiert. Es ist nicht real, stimmt er seinem Schwiegervater zu, und überzeugt ihn im gleichen Atemzug, dass der Park die ideale Möglichkeit darstellt, um Daten über Menschen zu sammeln. Menschen, die sich unbeobachtet glauben und deshalb ihre geheimsten Wünsche offenbaren. Es ist der wahr gewordene Traum eines Mark Zuckerberg.
“You’re right, this place is a fantasy. Nothing here is real. Except one thing: the guests. Half of your marketing budget goes to try to figure out what people want, because they don’t know. And here the’re free. Nobody’s watching. Nobody’s judging.“
Arnolds Favoritin
Gerade deshalb ist aufschlussreich, wie Arnold mit Dolores spricht, als er ihr das Haus zeigt, dass er für seine Frau und seinen Sohn bauen lässt. Er bewundert die Klarheit und Offenheit, mit der sie die Welt betrachtet, und vergleicht sie mit der kindlichen Sicht Charlies. Als sie aber ihren Satz vom Anfang des Gesprächs wiederholt, erkennt er, dass er womöglich zu viel in ihr sieht, dass sie am Ende eben doch nur ihrer Programmierung folgt. Wir wissen inzwischen, dass es einfach zu früh war, doch Arnold scheint in diesem Moment jegliche Hoffnung zu verlieren. Wohl auch deshalb lässt er sich schlussendlich darauf ein, Westworld als rein kommerzielles Projekt aufzuziehen.
Worüber definiert sich Freiheit?
In der Zeitlinie, die ich der Einfachheit halber Gegenwart nennen möchte, kommt es derweil unerwartet bald zur Begegnung zwischen Dolores und Maeve. Einerseits hatte ich mit etwas wesentlich Größerem gerechnet, andererseits folgt die Szene einer inneren Logik, die sehr deutlich macht, wie sich die beiden Frauen voneinander unterscheiden. Und das könnte durchaus zum Nachdenken anregen, denn Maeve wirft Dolores nicht ganz zu Unrecht vor, dass ihre Freiheit lediglich darin besteht, dass die Hosts nun ihr statt den Menschen gehorchen. Sie selbst mag dadurch frei sein, ihre Gefolgsleute sind es deshalb aber noch lange nicht. Vor allem Teddy dürfte bei ihren Worten aufhorchen, denn obwohl ihm Dolores zeigt, was er ist und wie oft er von Menschen getötet wurde, sieht er auch weiterhin nicht dieselbe Notwendigkeit zur Rache wie sie.
Viel aufschlussreicher ist aber der Umgang der Frauen mit ihren früheren Unterdrückern. Wir haben bereits gesehen, wie skrupellos Dolores gegen die im Park verstreuten Gäste vorgeht. Selbst unter der Prämisse, dass keiner von ihnen per se „gut“ sein kann, wenn er in Westworld ist, unterscheidet sie dennoch nicht zwischen jenen, die tatsächlich Hosts geschändet oder getötet haben, und jenen, die einfach nur ein Abenteuer im Wilden Westen erleben wollen und sich an die Regeln halten. Maeve hingegen hat sich ihre Stellung durch taktisch kluges Handeln erarbeitet – und dazu gehörte auch, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Sie hat Felix damals nicht allein deshalb verschont, weil er ihr von Nutzen war, sondern auch, weil sie erkannt hat, dass er nicht ihr Feind ist. Ganz ähnlich verhält es sich jetzt mit Lee Sizemore, und diese Fähigkeit zur Differenzierung ist in meinen Augen, was Bewusstsein und Menschlichkeit wirklich auszeichnet.
„You really are just a thing. I can’t believe I fell in love with you. Do you know what saved me? I realized it wasn’t about you at all. You didn’t make me interested in you, you made me interested in me. It turns out you’re not even a thing. You’re a reflection. You know who loves staring at their own reflection? Everybody.“
Kein Ort, sondern eine Waffe
Was nun aber hat es mit der angeblichen Waffe auf sich, die das Ziel sowohl von Dolores als auch vom Man in Black ist? Wir wissen bereits, dass es bei Westworld (und mutmaßlich auch allen anderen Parks) niemals darum ging, reichen Leuten eine Spielwiese zu bieten. Der Man in Black bestätigt indirekt auch, dass es nicht nur um Daten fürs Marketing ging: „Of course, judgement wasn’t the point, we had something else in mind entirely.“ Meine Vermutung ging schon letzte Woche dahin, dass sie auch deshalb DNS-Proben sammeln, um Kopien einflussreicher Gäste anzufertigen. Was aber, wenn man längst viel weiter ist? Wenn bereits Gäste gegen ihre Kopien ausgetauscht wurden? Könnte es sich bei der „Waffe“ um das Kontrollzentrum handeln, von wo aus diese Kopien gesteuert werden können? Für Dolores wäre es dann ein logischer Schritt, dorthin zu gehen, um sich die Hosts in der Außenwelt in derselben Weise untertan zu machen, wie sie es aktuell mit denen im Park tut.
These violent Delights have violent Ends
• Wie genial ist das denn, dass im Park „cheats“ wie beispielsweise Medipacks versteckt sind?
• Spannend auch, dass in der „Westworld“-Zukunft nicht mehr Virtual Reality der heiße Scheiß ist (wie bei uns aktuell), sondern wieder das Echte, die reale Erfahrung.
• Hab ich das richtig verstanden, dass eigentlich Dolores die Rolle der Verführerin spielen sollte, die am Ende Angela übernommen hat? Weil Dolores Arnolds Liebling war und er sie beschützen wollte?
• Ich schätze, wir haben mehr oder weniger die Bestätigung erhalten, dass sich der Park irgendwo auf einer Insel in Südostasien befindet, als Arnold erklärt, er lässt das Haus bauen, damit seine Familie so nah wie möglich sein kann, ohne selbst im Park zu leben.
• Ich frage mich, ob wir Williams Tochter noch einmal sehen werden. Ob sie als Erwachsene jemals im Park war, um zu sehen, was ihren Vater daran so fasziniert?
• Lee Sizemore in seinem lächerlichen Klischee-Cowboy-Kostüm. Kein Kommentar.
4 von 5 Bananen, die eine Waffe sind.