Ein Aufschrei ging durch das „Doctor Who“-Fandom, als vergangene Woche verkündet wurde, dass der Doctor in der nächsten Staffel von einer Frau verkörpert werden wird. Wie so oft in solchen Fällen waren dabei die zwei extremsten Fronten am lautesten, sodass nur wenig Konstruktives zu dem Thema zu hören war. Dabei lohnt sich ein kritischer Blick auf eine Entscheidung, die die größte Problematik der heutigen Medienwelt verdeutlicht.
Wir leben in einer hoch politisierten Welt. Das scheint absurd, denn immer mehr Menschen kehren der Politik den Rücken, weil sie sich von ihr nicht mehr repräsentiert fühlen. Tatsächlich aber ist das symptomatisch, denn während uns die echten Probleme unserer Gesellschaft über den Kopf wachsen, verlieren wir uns in kleingeistigen Diskussionen über politische Korrektheit und Gleichmacherei. Die Aussage, dass alle Menschen gleich sind, wirkt wie blanker Hohn, wenn man sich die Realität ansieht. Die Frage, ob Mann und Frau gleich sind, beschäftigt sicher keinen Menschen, der trotz drei Jobs an der Armutsgrenze lebt.
Diese Verschiebung aber durchdringt mittlerweile auch die Medien. Eine Serie wird nicht mehr für ihren klugen Plot, ausgefeilte Charaktere oder eine realistische Darstellung unserer Lebenswelt gelobt, sondern weil sie einen oder mehrere Vertreter einer Minderheit zeigt. Versteht mich nicht falsch, es ist völlig in Ordnung, andere Lebensweisen zu zeigen, das ist letzten Endes die größte Stärke von Kunst. Die Probleme beginnen dann, wenn das nur noch um seiner selbst willen geschieht, wenn Künstler dazu gezwungen sind, Kompromisse einzugehen, um politisch korrekt zu sein. Ich will mich nicht dafür rechtfertigen müssen, in meinen Büchern heterosexuelle Beziehungen zu thematisieren – ebenso wenig, wie ich es mir vorwerfen lassen will, wenn ich über homosexuelle Beziehungen schreibe. Denn diese Entscheidung ist kein Politikum, sondern eine künstlerische.
Was mich zu „Doctor Who“ und Jodie Whittaker bringt. War die Besetzung des Doctors mit einer Frau eine politische Entscheidung oder eine künstlerische? Angesichts des Theaters, das in den letzten Jahren bei jedem neuen Darsteller veranstaltet wurde, gehe ich davon aus, dass die BBC schlichtweg dem Druck von außen nachgegeben hat. Man kann ihr das angesichts fallender Quoten nicht vorwerfen, man sollte es aber auch nicht glorifizieren. Zumal die Schwierigkeiten jetzt erst beginnen, denn dieselben Fans, die laut nach einem weiblichen Doctor geschrien haben, werden unzufrieden sein, sobald irgendwelche weiblichen Klischees aufgegriffen werden. Oder der Doctor nicht weiblich genug ist. Die Autoren können hier nicht gewinnen.
Ich persönlich bin vor allem deshalb enttäuscht, weil es nicht „Doctor Who“ bräuchte, um starke Frauencharaktere ins Fernsehen zu bringen. Schlimmer noch, man schwächt damit das eigentliche Argument, denn dass Frauen als Helden und Sympathieträger funktionieren, durften „Star Wars“ und zuletzt auch „Wonder Woman“ eindrucksvoll beweisen. Ist es angesichts dessen wirklich nötig, etablierte männliche Figuren einem Geschlechtswandel zu unterziehen? Wo liegt da der künstlerische Mehrwert?
Das heißt nicht, dass mir das neue „Doctor Who“ nicht gefallen wird. Ich weiß es schlicht nicht; keiner kann das wissen, bevor nicht die erste Folge mit der Darstellerin gelaufen ist. Es heißt aber, dass die Serie als solche einen gewaltigen Bruch erlebt und fraglich ist, ob sie diesen überlebt. Soll man die Veränderung thematisieren oder bewusst so tun, als wäre nichts? Auch für meine Reviews bedeutet das eine gewaltige Herausforderung, die anzunehmen ich bisher ehrlicherweise noch nicht entschieden habe.
(Ich freue mich über konstruktive Denkanstöße zu der Thematik, bitte aber ausdrücklich darum, diese höflich und respektvoll zu äußern. Ich behalte mir vor, Kommentare, die jemanden oder seine Meinung persönlich angreifen, zu löschen.)