Dem Doctor bleibt nach seiner Regeneration wenig Zeit zum Verschnaufen, als er die kleine Amelia Pond kennenlernt, die einen unheimlichen Riss in der Wand hat, hinter dem sie Stimmen hört. Und dann dieser Hunger auf … irgendwas. Achtung, Spoiler!
Frisch regeneriert und mit einer heillos verwirrten TARDIS legt der Doctor eine Bruchlandung im Garten der kleinen Amelia Pond hin. Die glaubt, dass ihre Gebete endlich erhört wurden und Santa jemanden vorbeigeschickt hat, der sich den unheimlichen Riss in ihrer Wand ansehen will. Der Doctor stellt fest, dass der Riss mitnichten in der Wand ist, sondern durch Raum und Zeit geht, und dass ihn die Atraxi nutzen, um nach „Prisoner Zero“ zu suchen. Als die TARDIS sich selbstständig macht, verlässt er Amelia überstürzt, verspricht aber, in fünf Minuten zurück zu sein. Als er mit einer Verspätung von zwölf Jahren wiederkommt, versteckt sich der Gefangene immer noch im Haus der inzwischen erwachsenen Amy.
Wenn einen an dieser Folge auch sonst nichts beeindrucken sollte, die Leichtigkeit, mit der Steven Moffat einen neuen Doctor und einen neuen Companion vorstellt, während er nonchalant auch noch eine klassische Horrorgeschichte erzählt, die verdient Anerkennung. Von allen bisherigen Einführungsfolgen in „New Who“ dürfte das zweifellos die beste sein, vielleicht auch, weil sie es schafft, ihre Figuren über Kleinigkeiten zu charakterisieren statt sie gleich zum Thema der Story zu machen.
Natürlich bin ich voreingenommen. Da ich diese Folgen rückblickend reviewe, aus der Sicht von jemandem, der bereits bei Staffel 9 angelangt ist, weiß ich bereits um die großartigen Geschichten, deren Grundsteine hier gelegt werden. Mehr noch, ich hatte bereits die große Freude, die gesamte Ära von Matt Smith zu sehen und ihn zu meinem absoluten Lieblings-Doctor zu küren. Sollte ich also einstweilen in Lobeshymnen und Begeisterungsstürme ausbrechen, so sei mir das gnädigst verziehen. Matt Smith ist es meiner Meinung nach bis dato am besten gelungen, das Alter und die Weisheit der Figur zu transportieren, ohne ihn alt wirken zu lassen, und zugleich auch die Fremdartigkeit des Doctors herauszuarbeiten. Denn, und das hat man bei David Tennant nur zu häufig vergessen, es handelt sich dabei immer noch um einen Außerirdischen!
Freilich ist seine erste Folge wenig dazu geeignet, den neuen Doctor zu charakterisieren, da er noch immer unter den Auswirkungen der Regeneration leidet und hier und da auch ein Hauch von Tennant durchscheint. Dennoch war ich auch damals beim ersten Schauen der Folge sofort hingerissen. Bei Amy brauchte ich zugegebenermaßen etwas länger, um mit ihr warm zu werden. Die kleine Amelia Pond, gespielt von Karen Gillans Kusine Caitlin Blackwood, ist so wundervoll, dass sich ein Teil von mir immer noch wünscht, er hätte tatsächlich sie mitgenommen. Die erwachsene Amy wirkt momentan noch ein bisschen unnahbar und kalt, und vor allem ihre etwas undurchsichtige Beziehung zu Rory störte mich anfangs gewaltig. In Sachen Charakterisierung funktioniert Amy aber schon jetzt besser als jeder andere Companion der Neuauflage, und das, obwohl ihre Kindheit in nur wenigen Sätzen umrissen wird. Die Idee, dass sie aufgrund dieser ersten Begegnung mit dem Doctor in einer Art Traumwelt aufwächst, wegen der sie sogar in Psychotherapie war, gibt ihrer Figur einen interessanten Kniff. In gewisser Weise ist Amy immer noch dieses kleine Kind, das von Abenteuern mit ihrem „Raggedy Doctor“ träumt. (Und das ist eine Beziehung, die interessant auszuloten ist.)
Der Plot um „Prisoner Zero“ ist hinreichend spannend, aber man sollte definitiv nicht allzu genau darüber nachdenken. Es ist schon reichlich seltsam, dass der Gefangene zwölf Jahre lang unbemerkt in Amys Haus gelebt haben soll, ohne je irgendetwas zu unternehmen. Genauso seltsam erscheint es, dass die Atraxi jahrelang nach ihm suchen und dann ganz plötzlich beschließen: Ach, wisst ihr, wir haben genug, wir machen jetzt einfach die ganze Erde platt. Davon einmal abgesehen funktioniert das Spiel mit unseren Urängsten aber perfekt, vom mysteriösen Riss in der Wand bis hin zu Dingen, die man nur aus dem Augenwinkel sieht. (Aber reden wir bitte nicht über das alberne Design der Atraxi. Das waren riesige Kristallsterne mit Glubschaugen!)
The Eleventh Note. Alles shiny und neu in dieser Staffel, auch der Vorspann. „I hate yogurt. It’s just stuff, with bits in.“ Fischstäbchen und Vanillesoße, das wurde im Fandom ja zur Besessenheit, und das fand ich ehrlicherweise immer sehr bedenklich. (Muss man wirklich alles nachmachen, was im Fernsehen gezeigt wird?) Sich als Kissogram in einem Dorf zu verdingen, wo einen jeder kennt, grenzt an Masochismus, oder? „I’m the Doctor, I’m worse than anybody’s aunt!“ Rückblickend war der visualisierte Denkprozess des Doctors wohl eine Vorstufe des Gedankenpalasts in „Sherlock“. Der Doctor macht sich nackich und Amy schaut nicht weg. „Bow ties are cool.“
Und offensichtliches Mysterium a.k.a. roter Faden der Staffel: „The universe is cracked, the Pandorica will open, silence will fall.“
5 von 5 Bananen im Minirock.