„Have you ever questioned the nature of your reality?“
Im Vergnügungspark Westworld können Besucher in die Welt des Wilden Westens eintauchen. Doch einige der Androiden, die den Park bevölkern, verhalten sich nach einem Update seltsam. Spoiler!
Willkommen in Westworld, einem Vergnügungspark, in dem Androiden, sogenannte Hosts, eine klassische Westernkulisse bevölkern und jeden Tag aufs Neue ihre Geschichte erleben. Besucher, die als Newcomer freundlich begrüßt werden, können Teil dieser Erzählung werden oder aber einfach ihre Fantasien von Mord und Totschlag ausleben. Nach einem Update von Dr. Ford, dem Genie hinter dem Park, legen einige der Hosts jedoch seltsame Charakterzüge an den Tag, während andere einfach den Geist aufgeben.
Es fällt erstaunlich schwer, den Inhalt dieser Folge zusammenzufassen, denn auch wenn das Setting anderes vermuten lässt, mit Action hält man sich hier angenehm zurück. Vielmehr wird uns ein Tableau philosophischer Fragen präsentiert, die uns als Leitmotiv dieser Staffel, vielleicht aber auch der ganzen Serie dienen sollen. Das funktioniert auf so fesselnde Art und Weise, getragen auch von einigen wirklich herausragenden schauspielerischen Leistungen, dass das Gefühl, dass die Androiden die besseren Menschen sind, geradezu greifbar ist.
Ich glaube, der bedeutungsvollste Kunstgriff der Erzählung wird vielen entgehen: Die Folge beginnt aus der Sicht der Hosts. Bevor wir hinter die Kulissen schauen und die Personen kennenlernen, die den Park am Laufen halten, verbringen wir eine Viertelstunde mit Dolores und erleben die engen Grenzen ihrer Welt. Westworld besteht aus einem komplexen Geflecht verschiedener Geschichten, die die Hosts von sich aus nicht verändern können, die sich aber anpassen, wenn sie mit den Gästen interagieren. Eine Stimme, die mit Dolores scheinbar im Traum redet, von der wir am Ende der Folge jedoch erfahren, dass sie Stubbs, dem Sicherheitschef gehört, fragt sie, ob sie sich der repetitiven Natur ihres Lebens bewusst ist. Und das ist sicherlich eine der wichtigsten Fragen überhaupt, denn ihr Vater, der wegen seiner massiven Fehlfunktion schließlich aus dem Verkehr gezogen wird, ist aus unerklärlichen Gründen in der Lage, auf frühere Programmierungen zurückzugreifen – sich also in gewisser Weise zu erinnern.
Die Hosts erwecken auf erschreckende Weise den Eindruck naiver Kinder, und das macht die Grausamkeit der Besucher natürlich umso schwerer zu ertragen. Machen wir uns nichts vor, die wenigsten von ihnen kommen, um an den erzählten Geschichten teilzunehmen oder einfach nur das Gefühl dieser Zeit zu erleben, es geht ihnen darum, Leute zu erschießen und Frauen zu vergewaltigen. Das ist das Bittere an dieser Vision, denn sie zeigt uns die Hosts als menschlicher als die Menschen selbst. Auch deshalb fand ich diesen Dialog zwischen Lee Sizemore und Theresa Cullen auf dem Dach so aufschlussreich. Sizemore gibt zu bedenken, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, die Hosts immer noch realistischer zu machen, weil kein Mensch, der nach Westworld kommt, mit dem Gefühl nach Hause fahren möchte, tatsächlich jemanden erschossen zu haben. Und das ist der Knackpunkt, denn wenn keine Unterscheidung mehr möglich ist, verlieren die Menschen dann jegliche Hemmung und tragen das mit nach draußen, in die reale Welt? Was ist mit einem Typen wie dem namenlosen Man in Black? Ist dieser Level an Grausamkeit, die er den Hosts gegenüber zeigt, noch normal?
These violent delights have violent ends. Dolores spricht mehrmals davon, dass sie glaubt, jeder hat einen Zweck im Leben, eine Bestimmung, wenn man so will. Womöglich ein Vorzeichen, dass auch sie ihre Programmierung zu hinterfragen beginnt. Die Hosts können den Gästen nichts tun, doch wie genau funktioniert das? Sind es einfach nur die Spielzeugpistolen oder steckt mehr dahinter? An einer Stelle heißt es, es habe seit 30 Jahren keine Fehlfunktion mehr im Park gegeben. Was ist damals passiert? Übrigens ist Dolores das älteste noch funktionstüchtige Modell des Parks. Es ist offenbar das Foto, das bei Dolores‘ Vater die Programmierung durchschüttelt, aber war das zufällig oder ist die Frau darauf wichtig? Diese Besessenheit der Hosts von Milch ist interessant, wenn man sich anschaut, wie sie hergestellt werden. Was meint der Man in Black, wenn er sagt: „There’s a deeper level to this game.“ Und die musikalische Untermalung der Schießerei mit einer orchestralen Version von „Paint it Black“ der Rolling Stones verdient eine extra Medaille.
5 von 5 Bananen mit fehlerhafter Programmierung.
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