Ich schreibe, also bin ich

Als ich elf war, fing ich damit an, Tagebuch zu schreiben. Im Laufe der Pubertät schrieb ich einige Dutzend Blöcke mit all meinen kleinen Problemen voll und bin heute der Meinung, dass es mir dadurch besser ging als vielen meiner Altersgenossen. Indem ich mich in meinen Tagebüchern über Dinge auskotzte, die mich nervten, oder mir Ängste eingestand, die ich niemandem sonst anvertrauen zu können glaubte, war ich vergleichsweise ausgeglichen. Vor allem lernte ich, Geduld zu haben. Mit anderen, aber auch mit mir. Eine Sache mag furchtbar sein, aber wenn man sich die Zeit nimmt, seinen Gefühlen auf den Grund zu gehen, Dinge niederzuschreiben, die man nie jemandem ins Gesicht sagen würde, dann kann das sehr heilsam sein.

Mit Anfang zwanzig hörte ich auf, regelmäßig Tagebuch zu schreiben und hielt nur noch auf Reisen meine Erlebnisse fest. Das war an sich keine bewusste Entscheidung, sondern einfach eine natürliche Entwicklung, weil ich mit Beginn des Studiums weniger Zeit hatte und vieles wohl auch nicht mehr so kleinlich analysierte. Bewusst allerdings habe ich nun vor kurzem wieder ein Tagebuch angefangen. Das Leben ist manchmal scheiße und gemein, es passieren traurige Dinge oder solche, die einfach nur fürchterlich beängstigend sind, und ich brauche Zeit, um das mit mir selber abzumachen, bevor ich mit jemandem darüber rede. Wahrscheinlich würden Psychologen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber so ticke ich eben. Ich brauche das geschriebene Wort, um ehrlich zu mir selber sein zu können, um die Fassade, die nun mal jeder nach außen hin hat, zu durchbrechen. Für mir nahe stehende Menschen ist das frustrierend, ich weiß das, aber es gibt Situationen im Leben, die muss man eben so bewältigen, wie man es am besten kann.

Ich schreibe das hier, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass es in nächster Zeit etwas ruhiger um mich werden wird. Natürlich führe ich das „Magic Letters“-Projekt weiter, weil es mir Freude macht und mich auf andere Gedanken bringt. Und ich werde gewiss auch einigermaßen regelmäßig meine sonntägliche Liste schreiben. Was darüber hinaus hier passieren wird, kann ich nicht abschätzen und sollte nicht als mangelndes Interesse an diesem Blog verstanden werden. Ihr braucht auch gar nicht fragen, was los ist, weil ich nicht öffentlich darüber schreiben werde. Mit meinen engen Freunden werde ich über kurz oder lang reden, vorerst allerdings ist mein Tagebuch wieder mein engster Vertrauter.