I would be a liar, a hypocrite, or a fool – and I’m not any of those – to say that I don’t write for the reader. I do. (Maya Angelou)
Als ich mit dem Schreiben anfing, da tat ich das ich nur für mich selbst. In meinen allerersten Geschichten brachte ich zu Papier, was ich selber gerne lesen wollte, aber gut, ich war zwölf und manche dieser Dinge sind rückblickend wirklich unsagbar peinlich. Das ist einer der Gründe, weshalb ich meinen ersten Roman heute an niemanden mehr rausgebe. (Man muss schon einen enorm guten Stand bei mir haben. Also, so richtig gut.)
Tatsächlich dauerte diese Phase aber sehr viel weniger lang, als viele vermuten. Der Grund dafür ist, dass ein paar Leute mit mir, als wir alle so zwischen elf und vierzehn waren, einen „Star Wars“-Fanclub gründeten und diese alberne Idee hatten, ein eigenes Magazin herauszugeben. Ein paar Jahre lang zogen wir das ernsthaft durch, schrieben jeden Monat Geschichten und Artikel dafür, und so lernte ich früh (und zum Teil auf die harte Tour), was es heißt, für eine Zielgruppe zu schreiben. Es folgten meine Webseite, das Engagement bei TrekZone, später mein Blog.
Ich lernte viel dadurch, denn natürlich unterscheidet sich das Schreiben für sich selbst von dem für andere. Meine persönlichen Trigger kenne ich, ich weiß, was mich melancholisch oder fröhlich stimmt, ich kann manche Emotionen auf wenige Worte festnageln. Aber ein Publikum? Die große Unbekannte. Natürlich hemmt es auf gewisse Weise, wenn man sich immer wieder fragt, erreiche ich meine Leser überhaupt? Aber es schärft auch die Sinne für Füllwörter und Timing.
Entgegen aller Gerüchte habe ich auch meine „Star Wars“-Fanfiction niemals nur so für mich dahin geschrieben. Wer die Geschichte kennt, wird sich erinnern, dass speziell die ersten drei Folgen für eine Freundin entstanden, die mich kurz zuvor mit den Büchern von Tamora Pierce bekannt gemacht hatte. Und eben weil sie und später auch andere ein so dankbares Publikum waren, habe ich immer weitergeschrieben und mein Schreiben auf diese Weise verbessert.
Zweifellos lege ich mir bis zu einem gewissen Grad Fesseln an, indem ich beim Schreiben eine potenzielle Leserschaft vor Augen habe. Aber ich brauche das Publikum, sei es auch noch so klein. Ich brauche die Herausforderung, anderer Leute Trigger finden zu können. Ohne das käme ich über das Stadium des Planens nie hinaus, und so gesehen bin ich unsagbar froh, Betas zu haben, die mich regelmäßig wegen neuen Lesestoffs anstubsen.
Aktueller Stand: Kapitel 4
Gesamtlänge: 89 Normseiten
Das mit der homosexuellen Entwicklung ist ein gutes Beispiel, weil ich irgendwie so ein Gefühl hab, dass das tatsächlich noch immer ein wunder Punkt ist. Aber siehst du, da bin ich frech, ich würde so was niemals im ersten Buch bringen, noch nicht mal andeuten, und dann in der Fortsetzung alle vor vollendete Tatsachen stellen. 😉
Das ist die große Frage, nicht? Bleibt man seinen Prinzipien bis zum bitteren Ende treu oder schnappt man nach dem Knochen, wenn er einem schon mal hingehalten wird.
Was ist man bereit, aufzugeben, und ab wann hat man nicht mehr das Gefühl, etwas ganz Eigenes geleistet zu haben, sondern ist nur noch der formbare Aufschreiber fremder Ideen.
Das Rauchen ist sicher nicht das große Problem, aber wenn du aus einer tragenden weiblichen Rolle eine männliche machen sollst – vielleicht um eine homosexuelle Entwicklung zu umgehen …
Je mehr man veröffentlichen will, desto schwerer wird es sein, zugunsten seiner eigenen Vorstellungen zu entscheiden und sich nicht verführen zu lassen.
Aber klar, das kann man dann erst sagen, wenns konkret wird, schon allein, weil ich zumindest gar nicht weiß, was bei Verlagen hinter verschlossenen Türen so geredet wird, wenn es um Vertragsverhandlungen geht.
Das ist vermutlich wie mit Models und dem Prinzip, nienieNIE Fotos in Unterwäsche oder gar nackt zu machen. Wenn dann aber plötzlich die Vogue anruft …
Mich beschäftigt das Thema schon eine ganze Weile, um ehrlich zu sein. Ein Freund fragte mich mal, ob ich zu Kompromissen bereit wäre, wenn jetzt beispielsweise ein Verlag sagen würde, wir drucken "Arwel", aber nur, wenn sie nicht raucht. Und das ist eine Frage, die so hypothetisch nur schwer zu beantworten ist, natürlich nein. Aber käme das Angebot wirklich, ich weiß nicht, ob ich nicht sagen würde, okay.
Den Link finde ich übrigens hochinteressant, danke! Simon Beckett erklärt es wirklich am besten, es ist irgendwie ein zweischneidiges Schwert. Ich meine, ich plane meine Romane gewiss nicht danach, was gerade in ist, dazu bin ich ohnehin zu langsam. Ich versuche sogar eher immer, vom Mainstream abzuweichen, was Neues zu finden. Aber ich möchte gelesen werden, deshalb verzichte ich auf abgehobene literarische Experimente und versuche, einfach spannend und unterhaltsam zu sein. Und da hab ich natürlich immer einen Leser im Hinterkopf, dessen Reaktion ich zu lenken versuche.
Wie weit ich zu Kompromissen bereit bin, kann ich aber beim besten Willen nicht beantworten. Als ich damals bei "Neubeginn" eine Figur sterben ließ, musste ich mir von einem Freund wochenlang anhören, wie gemein ich doch sei – meine Meinung habe ich deswegen nicht geändert. Aber das ist Spielkram, ich denke, eine ernsthafte Antwort kann ich dir auf die Frage erst geben, wenn von solchen Kompromissen eine Veröffentlichung abhängt.
P.S.: Ich habe noch einen schönen Link für dich zu dem Thema:
http://blog.thalia.de/allgemein/eine-frage-10-autoren-haben-sie-den-leser-beim-schreiben-im-hinterkopf/
Das, was Simon Beckett geschrieben hat, kann ich nur so unterzeichnen. Er bringt auf den Punkt, was ich meine.
(Kerstin Giers Meinung dazu ist auch sehr interessant. Da will man nie berühmt werden …)
Das Thema scheint dich ja schon etwas zu beschäftigen, und ich will auch nochmal meinen Senf zugeben:
Ich glaube, als Autor "reift" man auch mit den Erfahrungen mit der ominösen Zielgruppe. Ich bin da ein wenig schizophren, denn ich habe u.a. auch diese Geschichte für dich geschrieben, und natürlich habe ich es darauf angelegt, diese Leserschaft zu befriedigen.
Aber mein eigenes Zeug, das ist mein eigenes privates Universum, und ich lasse da eigentlich niemanden rein. Ich bin da ehrlich, ich kann es nicht. Es würde sich anfühlen, als würde jemand in den Teil meines Kopfes gucken, der mir allein gehört und den ich nach meinen Vorstellungen ausbaue und verfeinere. Es fühlt sich an, als wäre ich in dem Moment, wo jemand mein Zeug liest, nackt und bloß und dessen Wohlwollen ausgeliefert. Und das will ich nicht – zumindest noch nicht, und vielleicht auch niemals. Es fühlt sich falsch an, aber vielleicht auch nur, weil ich nie Betas hatte und dieses Gefühl deshalb grundsätzlich gar nicht kenne.
Natürlich denke ich auch immer an den potentiellen "Leser", wenn ich schreibe, sonst müsste ich nichts erklären, weil ich in meinem Kopf ja eh schon alles weiß. Wenn ich jemanden als "das Ebenbild von Hulk Hogan" beschreibe, hänge ich also immer ein "muskulös und rotblond" dahinter, obwohl ich selbst weiß, wie Hogan aussieht. Dennoch denke ich da an den Leser, der das nicht weiß; auch wenn ich diesen Leser wohl nie haben werde. Dennoch ist es wohl keine gute Geschichte, wenn man den Leser nicht immer im Hinterkopf hat.
Was mich aber interessiert, ist, wie du die Grenzen deiner selbstauferlegten Fesseln definierst. Sagen wir, was ist mit dem ersten Leser, der deine Hauptfigur unsympathisch findet? Und was ist mit dem zweiten Leser, der sie liebt?
Machst du eine statistische Erhebung, ob sie eher gut oder schlecht ankommt, bevor du sie änderst oder nicht? Und woher weißt du, ob der Kritiker nicht bloß neidisch ist und der Lobhudler feige?
Seltsam, dass du das als Motivation für das Schreiben ansiehst, wohingegen es für mich der größte Hinderungsgrund wäre. Dieses Gefühl, Erwartungen befriedigen zu müssen, die oft absolut gegensätzlich sind. In den wirklich großen Fandoms von Frau Rowling oder Frau Meyer sieht man doch sehr gut, wie unterschiedlich die Wünsche der Fans sind, und wie gnadenlos Fans werden können, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen.
Wenn man da nicht auf sich selbst und seine eigenen, originalen Vorstellungen pocht – wie käme man da weiter? Wie behielte man Spaß daran?