Er öffnete ein paar Türen und fand schließlich die Bibliothek des Hauses, eine recht fadenscheinige Entschuldigung für miese Beleuchtung und ausgetretene Orientteppiche. Aber er war sich sicher, dass diese Räumlichkeit Arwels Ansprüchen eher genügte und breitete einladend die Arme aus. Mit einem Nicken wackelte sie an ihm vorbei in die Bibliothek. „Ich hab übrigens keine Unterwäsche an.“
Nachdem ich letzte Woche darüber berichtet hatte, dass ich Arwels und Quintus‘ Ausflug in die sprichwörtliche Besenkammer vorerst in der jugendfreien Variante geschrieben habe, kam sogleich die Anmerkung einer Freundin und Betaleserin, dass sie sich eine nicht jugendfreie Version aus meiner Feder gar nicht vorstellen könne. Und ich wollte darauf spontan erwidern: Ich auch nicht.
Sexszenen sind ein Problem. Die Autoren, die so was gut schreiben können, kann man vermutlich an einer Hand abzählen, der Rest von uns blamiert sich nur. Es ist schwer, den richtigen Ton zu treffen, sich nicht in allzu anatomischen Details zu verlieren, die blumigen Metaphern zu vermeiden, aber explizit genug zu bleiben, damit der Leser auch nachvollziehen kann, dass etwas passiert. Sol Stein formulierte es in „Über das Schreiben“ so: „Manche Leute […] haben nie begriffen, dass die mechanistische Beschreibung des Liebesaktes einen Menschen, der dem Pubertätsalter entwachsen ist, meist nicht mehr sonderlich erregen kann.“ Anders als beim Film kann man beim Schreiben keinen Weichzeichner und schmalzige Musik drüberlegen, Worte sind gnadenlos.
Ihren Reiz bezieht eine Liebesgeschichte grundsätzlich aus der Spannung, bevor irgendetwas passiert. Das funktioniert gewiss nicht ewig, aber alles andere ist nun mal wenig mehr als Porno. Dabei will ich nicht sagen, dass ich es generell ablehne, solche Szenen zu schreiben (obwohl ich es bisher nur einmal getan habe, und selbst da sehr zaghaft und andeutungsweise), aber es muss um mehr gehen, um Gefühle und geheime Gedanken, um Unausgesprochenes zwischen den Protagonisten.
Bei Arwel und Quintus ist der erschwerende Faktor nicht die Tatsache, dass sie Elfe und Vampir sind, sondern dass sie bereits ein Paar sind und für einen Quickie in die Bibliothek verschwinden, der für ihre Beziehung keine tiefere Bedeutung hat. Tatsächlich ist Arwel einfach nur gelangweilt und ein bisschen angetrunken. Falls es jemanden tröstet, es wird in diesem Band eine Sexszene geben, aber nicht mit Quintus. Und sie wird eine komplette Story umfassen, womit ich der Verzögerungstaktik dann wohl die Krone aufsetze.
Okay, okay, da muss ich dir recht geben. Mir persönlich ist allerdings die andere, die anatomische Variante weit häufiger begegnet. (Was zugegeben daran liegen mag, dass ich eine schwere Fanfiction-Phase hatte und es irgendwann lustig fand, gerade die schlimm peinlichen Porno-Storys zu lesen.)
In meinen Geschichten haben Sexszenen erst dann was verloren, wenn ich wirklich was damit aussagen will. Womöglich werde ich darauf zurückkommen, wenn Arwel sich von Quintus trennt, weil ich als Autorin weiß, dass es für ihn mehr als eine Affäre ist. Aber an sich ist erst mit Lorian was in der Richtung geplant, wo ich das dann mit Flashbacks in seine Vergangenheit verbinden will. (Wie beruhigend, dass dieses Kapitel noch weit in der Zukunft liegt *g*).
"Anders als beim Film kann man beim Schreiben keinen Weichzeichner und schmalzige Musik drüberlegen, Worte sind gnadenlos."
Hm, da bin ich nicht ganz d'accord. Es gibt schon sehr schmalzige Sexszenen, solche, wo man die Geigenmusik und den Weichzeichner direkt vor dem inneren Auge hat. Gerade die, die sich so besonders auf Gefühle fokussieren, wenn sie in seinen Armen dahinschmilzt und er in ihrem Duft versinkt, sie in seinen Augen untergeht und er für den Geschmack ihrer Lippen sterben könnte, uswusw.
Schmal ist allerdings tatsächlich der Grad zwischen Schmalzigkeit, schamhaftem Drumherumreden und (oft damit einhergehenden) ungewollt lächerlichen Metaphern und zu deutlichem, klinisch heruntergebetem Beschreiben.
Man muss eine Mischung finden, die erwachsen und mit einem guten Schuss Erotik und Romantik (falls erwünscht) mit dem Thema umgeht.
Ein gutes "How NOT To" bieten Fanfictions, allerdings sind gestandene Romane oft auch nicht vor Fauxpas gefeit.
Ich persönlich finde es nicht SO schwer zu schreiben, wobei ich vermutlich irgendwo zwischen FSK 12 und 16 rangiere. Allerdings vermeide ich auch ganz gern, überhaupt mehr zu schreiben als die Szenen davor und danach. Vieles kann man auch der Fantasie des Lesers überlassen, vor allem, wenn die Geschichte keine Liebesromanze ist und es im wahrsten Sinne des Wortes wichtigere Dinge im Plot gibt.