Electric Light Orchestra
Discovery
1979
Ich habe euch ja bereits erzählt, wie ich so ein schlimmer Musikgeek geworden bin, und damals sehr lapidar behauptet, die ersten zwanzig Jahre meines Lebens hätte Musik keine besonders große Rolle in meinem Leben gespielt. Das war eine Lüge. Tatsächlich bin ich in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Musik so ziemlich alles war. Mein Vater liebt Musik, seit ich denken kann, er nahm mit dem Tonbandgerät Songs aus dem Radio auf und hat eine gigantische Plattensammlung. Natürlich kann ich mich nicht wirklich daran erinnern, aber ich vermute, ich habe meine gesamte Kindheit hindurch Musik gehört, und rückblickend war das vielleicht mit ein Grund, warum sie mir nicht so wichtig war, sie war eben da.
Das Besondere an der Geschichte ist aber eigentlich, mit welcher Art von Musik ich aufwuchs. Klar gehörten auch Popsongs dazu, mein Vater ist außerdem ein großer Fan der Beatles, aber in der Hauptsache hörte er elektronische Musik. Und das war in den 1980ern gleichbedeutend mit Kraftwerk, mit Tangerine Dream, Jean Michel Jarre, OMD und ELO.
Das Electric Light Orchestra ist vermutlich die wichtigste Band, die ich aus meiner Kindheit mitgenommen habe, weil sie im Grunde vorausnahm, was ich mir zwanzig Jahre später dann selbst erarbeiten wollte. Als ich sie das erste Mal im Erwachsenenalter hörte, löste das ganz kuriose Gefühle aus, weil es auf der einen Seite so modern klang, während es mich gleichzeitig ganz extrem in meine Kindheit zurückversetzte, in einer ähnlichen Weise, wie das manchmal Gerüche tun. Mir erging das nach und nach mit ganz vielen Sachen so, wodurch ich dann gewissermaßen rekonstruieren konnte, was ich als Kind schon mal gehört haben musste, aber bei keiner anderen Band so stark wie bei ELO.
Ich durchforstete daraufhin die Sammlung meines Vaters und fand schließlich das eine Album, das so gesehen der Heilige Gral meiner Kindheit ist und seither einen dauerhaften Ehrenplatz auf meinem iPod sicher hat: „Discovery“. Es ist mir praktisch unmöglich, einen Lieblingssong herauszupicken, denn es ist nicht diese Art von Album, es ist in seiner Gesamtheit wichtig, selbst die Reihenfolge der Songs spielt eine gewisse Rolle. Und ehrlich gesagt bin ich ein bisschen stolz darauf, so etwas über meine Kindheit herausgefunden zu haben. Ein Freund, der um ein paar Jahre älter ist, sagte mir einmal, es sei sehr ungewöhnlich, dass jemand in meinem Alter genau den Musikgeschmack hat, den ich habe, und heute kann ich mehr oder weniger den Finger drauflegen, woher das kommt.
Übrigens, das letzte Album von ELO erschien 2001 und scheiterte als Comebackversuch kläglich. Was auf der einen Seite sehr schade ist, auf der anderen aber verständlich, wenn man sich „Zoom“ anhört, das nur mehr von den Experimenten früherer Jahre zehrt und vergleichsweise altbacken klingt.