Paulo Coelho | Veronika beschließt zu sterben

„Was ist geschehen?“ fragte Veronika.
„Nichts“, antwortete Eduard und zog sie hoch. „Oder besser gesagt, ein Wunder: noch ein Tag, an dem du lebst.“


Dieser Tage habe ich die Lektüre von Paulo Coelhos „Veronika beschließt zu sterben“ beendet, und auch diesmal möchte ich einige Zeilen dazu schreiben, ohne mir den Stress einer richtigen Rezension zu machen. Der Grund, warum ich überhaupt zu dem Buch gegriffen habe, ist die Verfilmung mit Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle, die mich ungeheuer beeindruckt hat. In der Regel ist das Buch besser als der Film, das ist diesmal jedoch nicht der Fall, und ich möchte später noch erklären, woran das liegt.

Zunächst einmal in Kürze der Inhalt. Veronika ist eine erfolgreiche Frau in ihren Zwanzigern, die sich so in ihrem behüteten Leben eingerichtet hat, dass sie davon ausgeht, dass von nun an jeder Tag wie der vorherige sein wird. Also beschließt sie, dass sie sich genauso gut auch gleich umbringen kann und schluckt Schlaftabletten. Doch der Versuch schlägt fehl, sie wacht in einer psychiatrischen Anstalt auf, wo man ihr jedoch sagt, dass ihr Herz so schwer geschädigt ist, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hat. Anfangs möchte sie das noch beschleunigen, doch nach und nach entdeckt sie bisher ungekannte „verrückte“ Seiten an sich selbst und möchte nun jede noch verbleibende Minute so sinnvoll wie möglich nutzen.

„Veronika beschließt zu sterben“ ist kein trauriges Buch, selbst wenn der Titel das nahelegt. Im Gegenteil, es geht um all die Dinge im Leben, die wir uns oft nur deshalb selbst verbieten, weil wir glauben, die Gesellschaft würde sie als verrückt betrachten. Eine der immer wieder geäußerten Thesen ist, dass die Menschen außerhalb der Anstalt genauso verrückt sind wie die drinnen, dass sie sich nur besser anpassen können. Im Bestreben, mit der Masse zu schwimmen und nicht aufzufallen, verlieren wir uns selber, vernachlässigen Talente, verschwenden letztlich wertvolle Lebenszeit. Den sicheren Tod vor Augen, verzweifelt Veronika nicht, stattdessen genießt sie die Zeit in vollen Zügen, nimmt keine Rücksicht mehr auf andere und lernt so, sich selbst zu lieben, aber auch andere in nicht gekannter Weise.

Das Problem des Buches ist, dass es zum Leser stets respektvolle Distanz wahrt. Während der Film schnell eine Beziehung zu Veronika aufbaut und mit verträumten Bildern eine emotionale Nähe herstellt, verliert sich das Buch stellenweise in fast schon medizinisch kühlen Abhandlungen. Persönlichere Kapitel wie jenes über Maris Panikattacken stellen angenehme Ausnahmen dar, abgesehen davon gelingt es schlichtweg nicht, die Figuren als lebendige Wesen darzustellen, was gerade bei einem Thema wie Selbstmord dringend nötig gewesen wäre.

Dass ich den Film vorher kannte, erschwert mir die Bewertung des Buches, da ich ihn natürlich immer im Hinterkopf hatte und so emotionale Lücken schließen konnte. Für sich ist das Buch ein lobenswerter und durchaus kreativer Ansatz, dem leider die erzählerische Dichte fehlt, um den Leser wirklich zu fesseln. So bleibt „Veronika beschließt zu sterben“ die eine Ausnahme, bei der ich den Film weiterempfehle, nicht aber das Buch.